Auktion: 500 / Evening Sale am 17.07.2020 in München Lot 270

 

270
Max Ernst
Ohne Titel, Um 1959.
Öl auf Papier, auf Holz kaschiert
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 50.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Ohne Titel. Um 1959.
Öl auf Papier, auf Holz kaschiert.
Spies/Metken 3436. Rechts unten signiert. 21 x 15,3 cm (8,2 x 6 in).
[JS].

• Eindrucksvolles Zeugnis von Ernsts anhaltender technischer Experimentierfreude.
• Charakteristisches Gemälde, das sich durch die virtuose Kombination aus Décalcomanie und surrealistischer Figuration auszeichnet.
• Formal greift die Komposition Elemente der Kachina-Figuren der Hopi-Indianer auf und scheint damit zugleich bereits Elemente der berühmten Ernst-Bronze "Cheri Bibi" vorwegzunehmen.
• Gemälde des Künstlers befinden sich in zahlreichen bedeutenden internationalen Museen, u. a. dem Museum of Modern Art, New York, dem Centre Pompidou, Paris, und der Tate Collection, London
.

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers.
Galleria Blu, Mailand.
Privatsammlung Italien.

Das dargestellte Wesen blickt uns direkt in die Augen; sein kreisrunder Kopf scheint losgelöst vom Körper im Bildraum zu schweben. Trotz des kleinen Formats – oder gerade deshalb–, der reduzierten Formensprache und Farbigkeit strahlt das Werk von Max Ernst eine ungeheure Magie aus. Die Technik und fantasievolle Bildsprache ist auf seine Beteiligung am Surrealismus und der intensiven Auseinandersetzung mit surrealistischen Praktiken zurückzuführen. Zur Gestaltung des Hintergrundes und von Teilen der Figur verwendet Ernst die von ihm (wieder)entdeckte Technik der Décalcomanie: Dabei wird Farbe auf eine Glasplatte oder Plexiglas aufgetragen und ein weiterer Bildträger aufgelegt. Durch das Abheben der Oberfläche, also durch den Farbabklatsch, entstehen zufällige Bildstrukturen, wie sie im vorliegenden Werk zu sehen sind. Die Technik wird von den Surrealisten in den 1930er Jahren neben anderen spontanen Verfahrensweisen verwendet, weil sie ihr Interesse am Zufall und an der Ausschaltung des Bewusstseins verdeutlicht. Auch die dargestellte Figur ist Ernsts Fantasie entsprungen und erinnert an die fantasievollen Traumwelten, die sein gesamtes Werk bevölkern: Da begegnen dem Betrachter Vögel, Eidechsen, Fische, Fabel- oder Zwitterwesen in Symbiose mit der umliegenden, fruchtbaren Natur.

Ernsts Figuration bezeugt auch sein ausgeprägtes Interesse an fremden Kulturen und deren Ritualen und seine Sammelleidenschaft für Masken, Schnitzereien und kultische Gegenstände. Dies wird nicht zuletzt in den 1940er Jahren durch zahlreiche Besuche bei einer Reihe von Indianerstämmen wie den Hopis intensiviert. Die dabei gewonnenen Eindrücke spiegeln sich nicht nur im malerischen Werk wider, sondern auch in etlichen Plastiken und Maskenfriesen, mit denen Max Ernst seine Wohnorte in St. Martin d`Ardèche, Sedona und ab den 1950er Jahren in Huismes und Seillans dekoriert.

Ernst war von der Exotik dieser stilisierten Figuren, die dem Menschen wohlgesinnte Geister repräsentieren, mit ihren maskenhaften Gesichtern und summarisch aufgefassten Gliedmaßen, begeistert. Es waren formale Aspekte und die Faszination für die von den Kachina repräsentierte geisterhafte Parallelwelt, die in den kultischen Handlungen der Indianer ihren Ausdruck fand, die Max Ernst und die Pariser Surrealisten in ihren Bann zogen.

Die in unserem Werk dargestellte Figur ähnelt diesen Skulpturen und nimmt nicht zuletzt bereits formale und kompositorische Elemente der berühmten Bronze "Cheri Bibi" (1973) vorweg. Wie in unserem Werk entstehen Körperflächen aus einzelnen, additiv aufgesetzten Elementen, die klar und symmetrisch angeordnet sind und dabei eine harmonische Ausgewogenheit erzeugen. Schließlich ist Max Ernsts kleinformatiges Werk eine Zusammenfassung seines künstlerischen Verständnisses: Es bezeugt sein ausgeprägtes Interesse an fremden Kulturen, seine Beteiligung am Surrealismus und seine außerordentliche und anhaltende Experimentierfreude. [SL]



270
Max Ernst
Ohne Titel, Um 1959.
Öl auf Papier, auf Holz kaschiert
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 50.000

(inkl. Käuferaufgeld)