Auktion: 520 / Evening Sale am 18.06.2021 in München Lot 324

 

324
Max Liebermann
Der Nutzgarten in Wannsee nach Südosten, 1923.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 300.000
Ergebnis:
€ 673.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Der Nutzgarten in Wannsee nach Südosten. 1923.
Öl auf Leinwand.
Eberle 1923/20. Links unten signiert und datiert. 55 x 76 cm (21,6 x 29,9 in).

• Die Ansichten des Gartens in Wannsee aus den 1920er Jahren gehören zu den beliebtesten Werken auf dem Auktionsmarkt.
• Seit 40 Jahren in der Sammlung Deutschen Bank.
• Die Wannsee-Villa mit dem Garten ist Liebermanns liebstes Motiv: "Hundert Bilder könnte ich hier malen"
.

PROVENIENZ: Georg Caspari, München (1927, Rudolf Bangel, Frankfurt, 15.2.1927).
Kunstsalon Paul Cassirer, Berlin (27.6.1927 vom Vorgenannten - 16.8.1927).
Georg Caspari, München (16.8.1927 vom Vorgenannten - spätestens Ende 1927).
Graphisches Kabinett (Peter Voigt), Bremen (Dezember 1927, wahrscheinlich vom Vorgenannten erworben).
Konsul/Kaufmann Heinrich Uhmeier, Bremen (im Dezember 1927 vom Vorgenannten erworben).
Galerie Pels-Leusden, Berlin (1981).
Sammlung Deutsche Bank (vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Max Liebermann. Jahrhundertwende, Alte Nationalgalerie, Berlin, 20.7.-26.10.1997, Kat.-Nr. 102.
Im Garten von Max Liebermann, Hamburger Kunsthalle, 11.6.-26.9.2004, Kat.-Nr. 44.
Max Liebermann und Emil Nolde - Gartenbilder, Liebermann-Villa, Berlin, 22.4.-20.8.2012, Kat.-Nr. 6.
Max Liebermann und Paul Klee - Bilder von Gärten, Liebermann-Villa, Berlin, 2018.

LITERATUR: Rudolf Bangel, Frankfurt am Main, Gemälde Neuerer Meister. Vorwiegend Münchener Schule, Ende des XIX. Jahrh., 15.2.1927, Katalog 1090, Los 1090, Abb. Taf. 2.
Kunst und Kunsthandwerk in Preußen, Galerie Pels-Leusden, Berlin, 7.9.-14.11.1981, Nr. 231, Abb. S. 69.

Im Jahr 1909 erwirbt Max Liebermann ein Grundstück am Ufer des Großen Wannsees und beauftragt den Architekten Paul Baumgarten mit der Errichtung eines zweigeschossigen Landhauses inmitten des langgestreckten Grundstücks. Die Gestaltung des Gartens bespricht er mit seinem Freund Alfred Lichtwark, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle. Eine ausführliche Korrespondenz zwischen dem Künstler und dem Kunsthistoriker geben Zeugnis von einer intensiven Beschäftigung des Museumsmannes mit historischen Vorbildern der Gartengestaltung unter der Berücksichtigung der Bedürfnisse des Malers und seiner Familie. Zusätzlich zu seinem Wohnhaus mit Atelier am Pariser Platz mitten in Berlin ist Goethes Gartenhaus in Weimar Liebermanns Ideal für eine ländliche Dependance, gelegen zwischen Berlin und Potsdam. Vor dem Haus zur Straße, gegenüber vom kleinen Gärtneranwesen (heute Kassenraum), lässt Liebermann einen Nutzgarten mit hoch aufschießenden Blütenstauden anlegen. Mit Gemälden, die diesen Teil des Gartens darstellen, greift Liebermann die wilde Pracht und verschwenderische Fülle der Blumen auf und übersetzt sie in nahezu abstrakte Farb- und Formwelten. Auf dem Grundstück hinter dem Haus, zum Wasser hin, wechseln Rasenflächen mit prospektartigen Heckengärten und frei gepflanzten Birken. Die nun entstehenden, zahlreichen Gemälde Liebermanns mit dem Garten als Motiv lassen die unterschiedlichen Anlagen des Gartens nachvollziehen und sind neben ihrer farbigen Schönheit auch ein Dokument für einen Zustand, der heute zwar nicht mehr erhalten, aber zum Teil rekonstruiert ist.
Über mehr als zwei Jahrzehnte malt Liebermann immer wieder seinen Garten und von Beginn an entsteht neben dem bedeutenden Kreis der Porträts nun eine neue Facette in seinem umfangreichen Werk. Je mehr dem Künstler die Strukturen des Gartens, die Ordnung zwischen Wegen und Beeten vertraut werden und die Üppigkeit der Bepflanzung zunimmt, umso freier und leichter wird sein malerischer Blick auf den Ort der Ruhe fernab der Großstadt Berlin. Überwiegt in anfänglich entstehenden „Porträts“ der Gartenlandschaft noch der für Liebermann typische, an den französischen Impressionismus angelehnte Malduktus, so befreit sich der Künstler Anfang der 1920er Jahre immer mehr von der strengen Ordnung der Gartenanlage und schwenkt seinen Blick buchstäblich zur Seite, wie hier auf Blumenstaudenrabatten vor einer dichten grünen Wand aus Buschwerk, wechselt damit nicht nur die Perspektive, sondern wechselt auch zu einer nahezu fauvistischen Farb- und Malpalette. Breite Pinselhiebe Grün in Grün wachsen zusammen zu einer mehr oder weniger dichten Wand, vor der üppige Pflanzenstiele mit aufgesetzten dunkelroten und orangefarbigen Blüten stehen, gestaffelt über ein breites Beet am Rande eines gerade noch angeschnittenen Weges. Die Perspektive des Weges ist schräg nach links zum Haupthaus hin gewählt, entlang der Mittelachse auf das Eingangsportal mit den ionischen Säulen zu, mit sauber gepflegter Kante, um dem ganzen Motiv eine gewisse Ausrichtung und gewissermaßen „Erdung“ zu verleihen. Klassische Landschaftsmalerei mit unberührter Natur wird von Liebermann virtuos auf die Spitze getrieben. Diese freie Naturentfaltung erscheint wie eine Befreiung von einer akademischen Ordnung, der nicht zuletzt auch Liebermann als strenger Juror der Berliner Sezession über Jahre ein Gesicht gibt.
Der Wannseegarten als Atelier ist für Liebermann seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine willkommene Abwechslung zu seinem Wohnhaus und Atelier am Pariser Platz direkt neben dem Brandenburger Tor, schräg gegenüber der Akademie der bildenden Künste, deren Präsident er ab 1920 ist, wo er, der allseits bekannte Künstler, prominente Bürger der Berliner Gesellschaft empfängt und bisweilen porträtiert. Der Wannseegarten und die Vielzahl der Bilder, die hier entstehen, sind ein Zeugnis für den Weg des Künstlers, dem Wildwuchs der Natur näher zu kommen. Mit diesem „Porträt“ der Blumenstauden ist er quasi ohne Abstand in die Natur hineingetreten. Mit der reinen Malerei dieser Gartenbilder wechselt Liebermann noch im hohen Alter in die Moderne der Kunst. [MvL]



324
Max Liebermann
Der Nutzgarten in Wannsee nach Südosten, 1923.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 300.000
Ergebnis:
€ 673.000

(inkl. Käuferaufgeld)