Auktion: 512 / Klassische Moderne II am 12.12.2020 in München Lot 416

 

416
Paul Klee
Straßenverzweigung (bei aufgeweichtem Boden), 1912.
Schwarze Tempera und Feder
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 45.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Straßenverzweigung (bei aufgeweichtem Boden). 1912.
Schwarze Tempera und Feder.
Klee 824. Oben rechts im Motiv signiert. Auf dem Unterlagekarton datiert, betitelt "Straßenverzweigung" und mit der Werknummer "111" bezeichnet. Auf Ingres "B" auf Karton kaschiert. 12,1 x 17,6 cm (4,7 x 6,9 in). Karton: 19,2 x 24,5 cm (7,5 x 9,6 in).

• Seit vierzig Jahren zum ersten Mal auf dem Auktionsmarkt (Quelle: www.artprice.com).
• Klee experimentiert mit verschiedenen Dunkel- und Helligkeitswerten.
• Bereits im Entstehungsjahr wird das Werk in Köln ausgestellt.
.

Mit einer Fotoexpertise von Dr. Michael Baumgartner und Dr. Christine Hopfengart, Zentrum Paul Klee, vom 28. Oktober 2011.

PROVENIENZ: Jacob Schenker Kunsthandel, London.
Privatsammlung Großbritannien.

AUSSTELLUNG: Paul Klee, Gereonsclub, Köln, Oktober 1912.

Die Stadt breitet sich vor den Augen des Betrachters aus: Ein Turm mit wehender Fahne, mehrere Häuser, eine dichte Bepflanzung und Straßenkreuzung im Vordergrund prägen das Bild. Das Werk des schweizerischen Malers und Grafikers Paul Klee besticht durch seinen Detailreichtum, eine spielerische Formensprache und Auseinandersetzung mit Licht und Schatten, Hell und Dunkel. Um die verschiedenen Tonalitäten der Natur wiederzugeben, verwendet Klee schwarze Tempera und Feder, die er entweder überlagert oder mit größerem Abstand aufträgt. Bereits 1908 schreibt er darüber, wie er verschiedene Dunkelheits-und Helligkeitswerte auf Papier bringt: "Außer der konstruktiven Bildgestaltung studierte ich die Tonalitäten der Natur durch Summieren von Lage auf Lage verdünnter schwarzer Aquarellfarbe. Jede Lage muss gut eintrocknen. Auf diese Weise entsteht eine mathematische Hell-Dunkel Proportion." (zit. nach: Boris Friedewald, Paul Klee. Sein Leben. Seine Kunst, S. 57). Die vorliegende Zeichnung zeigt diese Auseinandersetzung auf beeindruckende Weise, vor allem im Bereich des Himmels und entlang des rechten Motivrandes.
Im selben Jahr entsteht eine weitere "Straßenverzweigung", die im Vergleich jedoch weitaus skizzenhafter erscheint und die das Zusammenspiel verschiedener Tonalitäten nicht zeigt. Auch in der Folgezeit lassen ihn die Möglichkeiten einer reduzierten Farbpalette nicht los, denn es entstehen weitere Schwarz-Weiß-Zeichnungen ähnlich zu den zwei bereits genannten. Der Entzug der Farbe weicht nur zwei Jahre später einer Farbexplosion. Auslöser ist eine Reise nach Tunesien, die Paul Klee gemeinsam mit den Maler-Freunden Louis Moilliet und August Macke im April 1914 beginnt. Zahlreiche Aquarelle und Ölarbeiten, die er in Tunesien und nach seiner Rückkehr malt, bezeugen die Entdeckung der Farbe. Um die Tonalitäten der südlichen Landschaft einfangen zu können, arbeitet Klee auch hier nicht rein linear, sondern mit Farbabstufungen. Damit ist der Einsatz von Abstufungen eine Konstante im Gesamtwerk von Klee und verbindet die Arbeiten in Schwarz-Weiß mit denen in Farbe. Mehr noch als die farbigen Werke zeigen die in Schwarz-Weiß das Können Paul Klees: Trotz limitierter Mittel gelingt es ihm, eine außerordentlich atmosphärische Bildwirkung zu schaffen. Gerade deshalb ist unser Werk ein Highlight.
Nicht nur malerisch, auch persönlich bringen die 1910er Jahre einschneidende Veränderungen für Klee, so erhält der Künstler erste Anerkennungen durch den Kunstmarkt. Zwischen August und September 1910 findet die erste Einzelausstellung im schweizerischen Bern statt. Die Werkschau ist im Anschluss im Kunsthaus Zürich, in Winterthur und Basel zu sehen und umfasst insgesamt etwa 56 Werke. Zudem finden erste Ankäufe durch wichtige Kunstsammler wie den Berner Bauunternehmer Alfred Bürgi statt. Dessen Witwe Hanni Bürgi baut nach dem Tod des Mannes eine der bedeutendsten und umfangreichsten Privatsammlungen mit Werken Klees auf. Der zu dieser Zeit in München wohnhafte Künstler gelangt außerdem in den Umkreis des "Blauen Reiters". Die Gruppe fordert eine neue Farb-und Formensprache für die Kunst, die sich von dem akademischen Zwang, die Realität darstellen zu müssen, befreien sollte. 1911 sieht Klee außerdem die Werke von Henri Matisse in einer Münchener Ausstellung. Die Entdeckung der Werke von Matisse sowie die Begegnung mit den Mitgliedern des "Blauen Reiters" beeinflussen und bestärken Klee in seiner eigenen Kunst, weisen sie doch ebenfalls eine spielerische Dimension und freie Farb -und Formgestaltung auf. [SL].



416
Paul Klee
Straßenverzweigung (bei aufgeweichtem Boden), 1912.
Schwarze Tempera und Feder
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 45.000

(inkl. Käuferaufgeld)