Auktion: 525 / Evening Sale am 10.12.2021 in München Lot 242

 

242
Gerhard Richter
11.4.89, 1989.
Öl auf Papier, original auf Karton montiert
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 200.000

(inklusive Aufgeld)
11.4.89. 1989.
Öl auf Papier, original auf Karton montiert.
Auf dem Unterlagekarton signiert und datiert. 29,8 x 42 cm (11,7 x 16,5 in), blattgroß.

• Erstmals auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten.
• Aus der kreativ vielschichtigen Schaffensperiode der 1980er Jahre, die entscheidend für Richters abstrakte Malerei ist.
• Farbe wird hier zu Materie: Richter stellt die haptische Behandlung der Farbe in den Vordergrund
.

Wir danken Herrn Dr. Dietmar Elger für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Galerie Fred Jahn, München.
Privatsammlung (direkt beim Vorgenannten erworben).

Zum Zeitpunkt als das vorliegende Werk entsteht, hat Gerhard Richter bereits seit fast einem Jahrzehnt seine freien "Abstrakten Bilder" geschaffen. Nach den Fotobildern in Graustufen, Farbkarten und anderen Arbeiten der 1960er Jahre wendet sich der Künstler Mitte der 1970er Jahre der gestischen Abstraktion zu in der Gewissheit, dass diese eine ebenso "wahrheitsgetreue" Darstellung der Realität ermöglicht wie die figurative Malerei. Die beiden Modi sind eng miteinander verbunden – alle Kunst ist eine Art Abstraktion, da sie ein grundsätzlich fiktives Fenster zur Welt eröffnet. Richter ist auf der Suche nach dem dritten Weg zwischen Realismus und der Ungegenständlichkeit. Zunächst nähert er sich diesem Ansatz durch die Übermalung von Fotografien. In den "Vermalungen" erarbeitet er sich ab 1971 die Struktur der Farbe als Ausdrucksmittel, indem er die Vermischung der Farben und die Bewegung des Pinsels auf der Leinwand zum Thema seiner Malerei macht. Seit den ersten Annäherungen an die Abstraktion in den 1960er Jahren zieht sich diese wie ein roter Faden durch das Werk Richters. 2020, als der Künstler das Ende seines malerischen Schaffens verkündet, sind die "Abstrakten Bilder" zahlenmäßig seine umfangreichste Werkgruppe.
Mitte der 1980er Jahre stellen sich erste internationale Erfolge ein, die abstrakten Bilder werden von internationalen Museen erworben. 1986 findet Richters erste museale Retrospektive statt. Die 1980er, in denen auch die vorliegende Arbeit entsteht, sind entscheidend für die Entwicklung seiner abstrakten Malerei. Er intensiviert die Auseinandersetzung mit der gegenstandslosen Bildsprache und lotet neue Möglichkeiten aus, der Malerei selbst die Führung zu überlassen. Bei seinen "Abstrakten Bildern" steht der Malprozess im Mittelpunkt und die Farbe wird als Materie entdeckt. Die Arbeit auf Papier erlaubt es Richter, freier zu malen als auf der Leinwand – der Künstler beschreibt den Prozess als "impulsiver", der zu "intimeren" Ergebnissen führt, die "näher an den eigenen Gefühlen" sind (G. Richter, Interview mit Anna Tilroe, 1987, in D. Elger und H.-U. Obrist, Gerhard Richter. Text 1961 bis 2007, 2008, S. 198). Besonders an dem Blatt "11.4.89" ist, wie Richter hier mit der Textur der Farbe arbeitet, durch die eher monochrome Farbigkeit stellt er diese sogar in den Vordergrund. Richter übergibt die künstlerische Kontrolle dem Medium der Farbe: wie in dem uns vorliegenden Werk mittels Abklatschens einer pastosen Farbstruktur auf Papier. Durch diesen Arbeitsprozess entstehen amorphe Gebilde, die dem Werk einen reliefartigen, fragilen Charakter verleihen und zusätzlich ein haptisches Element in die Komposition bringen. Das Farbrelief zeigt eine abstrakte materialbezogene Behandlung der Farbe, so dass das Resultat der Erscheinung stets auf den Prozess seiner Entstehung verweist. Richter entwickelt seine figurativen und abstrakten Bildstrategien nie als gegensätzliche Standpunkte, vor allem in seinen abstrakten Werken ist der Bezug zum Naturvorbild immer da. So ist eine Assoziation zu Blättern und Pflanzen nicht von der Hand zu weißen und durchaus legitim, denn für Richter ist "[..] jeder beliebige Ausschnitt aus der Natur [..] ein ständiger Anspruch, und er ist Vorbild für meine Bilder" (zit. nach: D. Elger, Natur und Material. Landschaftliche Abstraktion, in: Gerhard Richter Abstraktion, Ausst.-Kat. Museum Barberini, Potsdam, 30.6.-21.10.2020, S. 150). Er akzeptiert das Auftauchen figurativer Formen in seinen abstrakten Werken. Besonders ins Auge springt die dunkle Tonalität der Komposition "11.4.89", die im Kontrast zu der stark farbigen Palette seiner frühen abstrakten Bilder steht. Sie ist wohl ein Echo auf die Grauskala der Fotobilder und dominiert auch großformatige Ölgemälde wie "Januar", "Dezember" und "November" aus demselben Entstehungsjahr, die sich im Saint Louis Art Museum befinden. Richter konzentriert sich hier allein auf die Dynamik der Farbe, spielt mit den vertikalen Wellenformen, die die Komposition bestimmen. Die Verästelung der Farbe, die sich in starkem Hell-Dunkel-Kontrast über das Blatt zieht, spiegelt sich in einer Art Negativform in den reliefartigen Farbgipfeln wieder. Wie eine Landkarte lässt sich die Komposition erforschen und manifestiert Richters Genialität, immer wieder neue Ausdrucksformen allein durch Farbe zu entwickeln. [SM]



242
Gerhard Richter
11.4.89, 1989.
Öl auf Papier, original auf Karton montiert
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 200.000

(inklusive Aufgeld)