Auktion: 540 / Evening Sale am 09.06.2023 in München Lot 48

 

48
Karl Schmidt-Rottluff
Leuchtturm mit Mondsichel, 1922.
Aquarell und Tuschpinsel
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 63.500

(inklusive Aufgeld)
Leuchtturm mit Mondsichel. 1922.
Aquarell und Tuschpinsel.
Rechts unten signiert. Auf Aquarellkarton. 49,2 x 60,5 cm (19,3 x 23,8 in), blattgroß.
[KT].
• Der markante Leuchtturm von Jershöft, wo sich der Künstler wiederholt aufhält, ist bedeutendes Motiv in den 1920er Jahren.
• Mit diesem Aquarell erprobt der Künstler eine völlig neue, expressiv gesteigerte Bildsprache in der Landschaft.
• Von besonders leuchtender, außergewöhnlich intensiver Farbigkeit: visionär und magisch wirken die wie Polarlichter irisierenden Lichterscheinungen des Himmels
.

Das Werk ist im Archiv der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung, Berlin, dokumentiert.

PROVENIENZ:
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (mit dem Sammlerstempel, Lugt 6032).

AUSSTELLUNG:
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Expressiv! Die Künstler der Brücke. Die Sammlung Hermann Gerlinger, Albertina Wien, 1.6.-26.8.2007, Kat.-Nr. 62 (m. Abb.).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).
Brückenschlag: Gerlinger – Buchheim, Buchheim Museum, Bernried, 28.10.2017-25.2.2018, S. 364f. (m. Abb.).

LITERATUR:
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 398f., SHG-Nr. 695 (m. Abb.).
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 99, SHG-Nr. 208 (m. Abb.).



Leuchttürme, in ihrer merkwürdig überlängten Architektur Küsten und Landschaften beherrschend, üben auf die "Brücke"-Künstler eine große Anziehung aus. Kirchner widmet dem Leuchtturm von Staberhuk auf Fehmarn nicht nur mehrere Werke, er bezieht sogar bei dem Leuchtturmwärter eine Wohnung während seiner Sommeraufenthalte in den Jahren 1912 bis 1914. In Heckels Landschaften, die während seines Aufenthalts im Ersten Weltkrieg in Ostende entstehen, beherrscht das Leuchtfeuer bisweilen die Motive. Und auch in Pechsteins Nidden-Landschaften lassen sich ab 1911 Leuchttürme entdecken. In dieser Anschauung des markanten Leuchtturms im pommerschen Jershöft (heute das polnische Seebad Jaroslawiec) übertrifft Karl Schmidt-Rottluff allerdings seine ehemaligen Künstlerfreunde in der Bewegtheit der Ausführung. Der einstige Student der Architektur ist sichtlich von der ungewöhnlichen Zeichnung des Turms beeindruckt und gibt diesem Gefühl begeisterten wie grotesken Ausdruck. Im Sommer 1920 erreicht Schmidt-Rottluff, von Berlin kommend, zum ersten Mal den Fischerort Jershöft mit diesem ungewöhnlichen Leuchtturm als markantem Zeichen: ein 1865 in leichter Abstufung mit Backstein erbauter Turm, stolze 35 Meter hoch. Auf einem seiner ersten Gemälde, die er 1920 an diesem Ort malt, erscheint der Turm mit einer Windmühle, dazwischen wohl ein Gehöft unter bewegtem Himmel. Zwei Jahre später entsteht dieses von einem Naturereignis beseelte Aquarell: Schmidt-Rottluff zeichnet das auffällige Seezeichen mit blau gefärbter Lichtquelle in einer bewegten Mondnacht aus der Distanz, eingebettet in eine Dünenlandschaft sowie umgeben von wenigen Bäumen und einer Architektur. Bemerkenswert ist deren Reihung, die wie Pilze nachts vom Licht des Mondes angelockt sich aus dem sandigen Erdreich bohren und sich zum Licht des Himmels strecken. Aber nicht nur die weiße Mondsichel erleuchtet das Geschehen, der tiefblaue Nachthimmel ist überhellt von dem verblüffenden wie surrealen Schauspiel des energiegeladenen Polarlichtes, das sich wie von Geisterhand mit den Winden in der Atmosphäre hin und her bewegt. Kühn und in einer immer beeindruckend großartigen Aquarelltechnik lässt Schmidt-Rottluff uns an der Intensität dieses geheimnisvollen, physikalisch zustande kommenden Naturschauspiels teilnehmen. [MvL]



48
Karl Schmidt-Rottluff
Leuchtturm mit Mondsichel, 1922.
Aquarell und Tuschpinsel
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 63.500

(inklusive Aufgeld)