Auktion: 530 / Evening Sale / Sammlung Hermann Gerlinger am 10.06.2022 in München Lot 12

 

12
Erich Heckel
Fränzi mit Decke, 1909.
Aquarell und Gouache
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 106.250

(inklusive Aufgeld)
Fränzi mit Decke. 1909.
Aquarell und Gouache.
Rechts unten nachträglich signiert und datiert. Links unten von Siddi Heckel betitelt. Auf glattem Zeichenpapier. 22,2 x 28,3 cm (8,7 x 11,1 in), blattgroß. [EH].

• In dieser Erhaltung und Farbfrische einzigartig.
• Die an den Moritzburger Teichen entstandenen Werke von Heckel und Kirchner gelten als absolut herausragende Zeugnisse des Expressionismus.
• Abbild des künstlerischen Traumes vom ungezwungenen Leben in der Natur.
• Dargestellt ist das Lieblingsmodell Fränzi
.

Das Werk ist im Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen am Bodensee, verzeichnet. Wir danken Frau Renate Ebner und Herrn Hans Geissler für die freundliche Unterstützung.

PROVENIENZ:
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (mit dem Sammlerstempel Lugt 6032).

AUSSTELLUNG:
Erich Heckel 1883-1970. Aquarelle, Zeichnungen, Ausstellung zum 100. Geburtstag des Malers, Städtische Galerie, Würzburg, 3.7.-11.9.1983, Kat.-Nr. 11 (m. Farbabb.).
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Frauen in Kunst und Leben der "Brücke", Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schloss Gottorf, Schleswig, 10.9.-5.11.2000, Kat.-Nr. 41 (m. Farbabb.).
Die Brücke in Dresden. 1905-1911, Dresdner Schloss, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister, 20.10.2001-6.1.2002, Kat.-Nr. 278 (m. Farbabb.).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Expressiv! Die Künstler der Sammlung Hermann Gerlinger, Albertina, Wien, 1.6.-26.8.2007, Kat.-Nr. 77 (m. Farbabb).
Der Blick auf Fränzi und Marcella. Zwei Modelle der Brücke-Künstler Heckel, Kirchner und Pechstein, Sprengelmuseum Hannover, 29.8.2010-9.1.2011; Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, Halle (Saale), 6.2.-1.5.2011, Kat.-Nr. 75 (m. Farbabb.).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).
Brückenschlag: Gerlinger - Buchheim, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See, 28.10.2017-25.2.2018, S. 198 (m. Farbabb.).

LITERATUR:
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 179, SHG-Nr. 203.
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 168, SHG-Nr. 377 (m. Abb.).
Meike Hoffmann, Natur kollektiv erleben. Goethe, Steiner, Lipps und die Badeszenen der "Brücke"-Künstler, in: Franz Schwarzbauer, Andreas Gabelmann (Hrsg.), Im Rhythmus der Natur: Landschaftsmalerei der "Brücke". Meisterwerke der Sammlung Hermann Gerlinger, Ostfildern 2006, S. 41 (m. Abb.).
Katja Schneider (Hrsg.), Moderne und Gegenwart. Das Kunstmuseum in Halle, München 2008, S. 120 (m. Farbabb.).
Gerd Presler, Fränzi. Ende eines Irrtums. Drei "Brücke"-Maler - ein Modell, o.O. [Weingarten] 2015 (m. Farbabb. S. 98).
Brückenschlag: Gerlinger - Buchheim! Museumsführer durch die "Brücke"-Sammlungen von Hermann Gerlinger und Lothar-Günther Buchheim, Feldafing 2017, S. 198 (m. Abb., S. 199).

"Wenn wir zu den Moritzburger Teichen hinfuhren, geschah dies nicht nur wegen der landschaftlichen Kulisse, sondern vor allem wegen der Natürlichkeiten der menschlichen Bewegungen. [..] Man brachte seine Leinwände mit und malte unmittelbar vor der Natur."
Erich Heckel im Gespräch mit R. N. Ketterer 1958, in: Dialoge. Bd. 2, Stuttgart 1988, S. 48.

Fränzi, und immer wieder Fränzi! "Fränzi liegend", "Fränzi stehend", "Fränzi hockend", "Fränzi badend" .. oder wie hier in bequemer Haltung auf einem Handtuch (?) sitzend, eine Decke mit beiden Händen über die Beine ziehend, vor einem Hintergrund, der auf einen Aufenthalt an den Moritzburger Teichen im Sommer 1909 schließen lässt. Die Popularität des noch kindlichen Mädchens bei Heckel, Kirchner und Pechstein scheint unbegrenzt, ihr frisches, knabenhaftes Auftreten bereitet den Künstlern schwärmerische Anregung, die sich in den Werken niederschlägt, vor allem bei Heckel und Kirchner. Max Pechstein erinnert sich 1945/46 noch deutlich und sichtlich beeindruckt: "Als wir in Berlin beisammen waren, vereinbarte ich mit Heckel und Kirchner, daß wir zu dritt an den Seen um Moritzburg nahe Dresden arbeiten wollten [..] Als ich in Dresden ankam und in dem alten Laden in der Friedrichstadt abstieg, erörterten wir die Verwirklichung unseres Planes. Wir mußten zwei oder drei Menschen finden, die keine Berufsmodelle waren und uns daher Bewegungen ohne Atelierdressur verbürgten. Ich erinnerte mich an meinen alten Freund, den Hauswart in der Akademie [..] Er wies uns an die Frau eines verstorbenen Artisten und ihre beiden Töchter. Ich legte ihr unser ernstes künstlerisches Wollen dar. Sie besuchte uns in unserem Laden in der Friedrichstadt, und da sie dort ein ihr vertrautes Milieu vorfand, war sie damit einverstanden, daß ihre Töchter sich mit uns nach Moritzburg aufmachten [..] Wir lebten in absoluter Harmonie, arbeiteten und badeten. Fehlte als Gegenpol ein männliches Modell, so sprang einer von uns dreien in die Bresche. Hin und wieder erschien die Mutter, um als ängstliches Huhn sich zu überzeugen, daß ihren auf dem Teich des Lebens schwimmenden Entenküken nichts Böses widerfahren sei." (Max Pechstein, Erinnerungen, hrsg. von Leopold Reidemeister, Wiesbaden 1960, S. 41-43.)

Um die Existenz von Fränzi, Lina Franziska Fehrmann, so ihr bürgerlicher Name, ranken viele Geschichten, auch Begegnungen erotischer Art mit den Künstlern, die man mit den ungezählten Skizzen, Zeichnungen, Aquarellen und schließlich Gemälden erahnen kann. Sie sind so zahlreich, dass man diesem Mädchen und seiner Schwester nicht nur Buchkapitel, sondern eine eigene Ausstellung gewidmet hat. (Der Blick auf Fränzi und Marcella, Zwei Modelle der Brücke-Künstler Heckel, Kirchner und Pechstein, hrsg. von Norbert Nobis, Sprengel Museum, Hannover, Hannover 2010) Fränzis gelblich getönten Körper skizziert Heckel hier mit wenigen Konturlinien. Kräftig und doch sparsam ist der tiefschwarze Einsatz der Tusche, der das Haar kennzeichnet sowie die Figur der Fränzi deutlich aus der Landschaft heraushebt und von ihrer Umgebung abgrenzt. Ihr allein widmet Heckel hier seine Aufmerksamkeit, schenkt ihr in der scheinbaren Flüchtigkeit den kurzen Augenblick großer Bewunderung. [MvL]



12
Erich Heckel
Fränzi mit Decke, 1909.
Aquarell und Gouache
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 106.250

(inklusive Aufgeld)