Auktion: 527 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 11.06.2022 in München Lot 304

 

304
Carl Spitzweg
Felsenkessel mit Wildwasser, Um 1840.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 45.000

(inklusive Aufgeld)
Felsenkessel mit Wildwasser. Um 1840, 1851 nochmals übermalt.
Öl auf Leinwand.
Wichmann 60. Verso auf der Leinwand zweifach mit dem Nachlassstempel (Lugt 2307). Verso auf dem Keilrahmen mit dem Nachlassstempel sowie mit altem Etikett, dort mit dem Künstlernamen bezeichnet. 71 x 92 cm (27,9 x 36,2 in).

Mit folgenden Original-Expertisen:
Friedrich Dornhöffer, München, 22.5.1922.
Hermann Uhde-Bernays, Starnberg, 2.8.1922.
Hermann Uhde-Bernays, Starnberg, 28.3.1942 (in Abschrift).
Eduard Loreck, München, 22.4.1952.
Eduard Loreck (Bestätigung der zweifachen Aufbringung des Familiennachlassstempels), 5.11.1952.
Wir danken Herrn Detlef Rosenberger, der das Werk im Original begutachtet hat, für die freundliche Auskunft. Das Werk wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis aufgenommen.

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers.
Sammlung Prof. Naager, München.
Sammlung Frieda und Moritz Schönemann, Berlin (bis mindestens 1935/36).
Maria Abels, Köln-Lindenthal (1953).
Galerie Aenne Abels, Köln (1960).
Privatsammlung Schweiz (in Familienbesitz bis 2012: Lempertz 17.11.2012).
Privatsammlung Niedersachsen (seit 2012).
Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen. Im Jahr 2012 wurde eine gütliche Einigung mit den Erben nach Frieda und Moritz Schönemann abgeschlossen.

LITERATUR: Reiz, Berlin, Auktion, 14.4.1925, Los 27 (hier betitelt: "Felsenpartie").
Jacob Hecht, Berlin, Auktion, 29./30.10.1928, Los 654 (m. Abb. Taf. 22, hier betitelt "Gebirgssee").
Versteigerungshaus Union (Leo Spik), Berlin, Auktion, 16./17.9.1935, "Wohnungseinrichtung und Kunstbesitz Sch.", Los 77 (m. Abb. Taf. 8).
Lempertz, Köln, 378. Auktion, 12.-14.12.1935, Los 132 (hier betitelt "Sonnige Felsenschlucht mit Wasserfall, rechts Gebüsch und Bäume").
Paul Graupe, Berlin, Auktion 23./24.3.1936, Los 112 (m. Abb. Taf. 26, hier betitelt "Felsenlandschaft").
Kunsthaus Heinrich Hahn, Frankfurt, Auktion 28./29.10.1941, Los 167 (m. Abb. Taf. 30, hier betitelt "Einsamkeit").
Günther Roennefahrt, Zum 150. Geburtstag Carl Spitzwegs, in: Die Weltkunst, 27. Jg., Nr. 3, 1.2.1958, S. 5 (m. Abb. auf der Titelseite).
Günther Roennefahrt, Carl Spitzweg. Beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde, Ölstudien und Aquarelle, München 1960, S. 151, Nr. 125 (m. Abb.).
Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Schlucht und Klamm der Frühzeit, Dokumentation, Starnberg-München, R.f.v.u.a.K. 1997, S. 32f., Text u. Abb., Bayerische Staatsbibliothek München, Inv.-Nr. Ana 656 SW 128.
Auktionshaus Lempertz, Köln, Alte Kunst, 17.11.2012, Los 1515.

Die Landschaft nimmt im Werk Spitzwegs von Beginn an einen bedeutsamen Platz ein. Nach einer Erbschaft finanziell abgesichert, wendet er sich Mitte der 1830er Jahre autodidaktisch der Malerei zu, ohne je wirklich in seinem Ausbildungsberuf des Apothekers tätig gewesen zu sein. Der Mitte zwanzigjährige Spitzweg ist getrieben von Reiselust und Neugier. In den Sommermonaten ist er mit seinem Freund, dem Landschaftsmaler Eduard Schleich, im Münchner Umland und im malerischen Voralpenland auf längeren Wanderungen unterwegs. Beinahe jährlich überquert er auf dem Weg nach Venedig schon ab 1829 die Alpen, ab 1836 hält er sich aufgrund der Cholera-Epidemie in München auf dem Land auf, anschließend ist er im Sommer kaum längere Zeit an einem Ort anzutreffen. Sein Stiefvater Hermann Neunerdt schreibt schon 1834 an Carls Bruder Eduard, dass "Carl seit 8 Tagen mit Pinsel und Staffeley ins Gebürge gewandert" sei und bereits wieder nach München zurückgekommen sei, um einige "Malereyrequisiten zu holen" (zit. nach: Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke, Stuttgart 2002, S. 25). Anfänglich ist seine Annäherung an die Landschaft noch vom Vorbild der deutsch-romantischen Malschule Roms wie bspw. Johann Christian Reinharts geprägt. Aber auch die Entwicklungen in Frankreich bleiben von Spitzweg nicht unbemerkt. In der Nähe von Paris hatte sich eine Gruppe von Malern im Wald von Barbizon zusammengefunden und mit ihren unmittelbaren, realistischer ausgerichteten Motiven die Gattung der vom persönlichen Blick des Malers geprägten "paysage intime" etabliert. Nicht mehr der große, erhabene Anblick, sondern auch das kleine, besondere und spezielle Detail rückt in das Blickfeld des Künstlers. Besonders fasziniert ist Spitzweg auf seinen Wanderungen ins Gebirge von den Felsenschluchten, durch die auch hier und da ein Gebirgsbach herunterstürzt. Das für Spitzweg ungewöhnlich große Format transportiert trotz seiner Ausarbeitung im Atelier eine Natürlichkeit, die aus dem in die Natur eingebetteten Betrachterstandpunkt und der lockeren Malweise resultiert. Spitzweg hält auf seinem Weg alles Interessante in seinem Skizzenbuch fest und fügt teilweise Farbangaben für die spätere Ausführung hinzu: "moosig - schöngrün - braungrau" (Wichmann 2002, S. 56). Auf einer Reise nach Paris 1851 dürfte die Besichtigung der Werke der Barbizon-Künstler wie Théodore Rousseau und Jules Dupré, von dessen Werken sich einige zeichnerischen Notizen in seinem Skizzenbuch finden, Spitzweg so sehr beeindruckt haben, dass er sich die wildromantische Szenerie seiner frühen Jahre erneut vornimmt. [KT]



304
Carl Spitzweg
Felsenkessel mit Wildwasser, Um 1840.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 45.000

(inklusive Aufgeld)