Auktion: 534 / Contemporary Art Day Sale am 09.12.2022 in München Lot 155

 

155
Martin Kippenberger
Ohne Titel, 1982.
Öl und Acryl auf Leinwand, teils gesprüht
Schätzung:
€ 90.000
Ergebnis:
€ 212.500

(inklusive Aufgeld)
Ohne Titel. 1982.
Öl und Acryl auf Leinwand, teils gesprüht.
Verso signiert und datiert "Juli 82". 100 x 120 cm (39,3 x 47,2 in). [JS].

• Kippenbergers provokante Nonsens-Kunst ist ein erfrischendes Zeugnis der Unangepasstheit der Berliner Kunstszene der 1980er Jahre.
• Wohl aus dem Kontext der legendären Aktion "Capri bei Nacht" in Zusammenarbeit mit Albert Oehlen, bei der Kippenberger den dunklen Raum durch die Scheinwerfer eines bemalten Ford Capri erleuchten ließ.
• Seiner Zeit voraus und an der Humorlosigkeit des nationalen Kunstbetriebes gescheitert, wird Kippenbergers Werk zu Lebzeiten nur international mit großen Einzelausstellungen gewürdigt.
• Erst vier Jahre nach dem Museum of Modern Art, New York, ehrt der Hamburger Bahnhof, Berlin, Kippenberger mit der national überfälligen Überblickschau "Martin Kippenberger: sehr gut / very good" (2013).
• Seit dem 2014 erzielten Höchstzuschlag für ein Selbstporträt aus dem Jahr 1988 (16 Millionen Euro) zählt Kippenberger zu den international gefragtesten deutschen Nachkriegskünstlern
.

Mit einem Foto-Zertifikat des Estate of Martin Kippenberger, Berlin, vom November 2022. Die Arbeit wird in den in Vorbereitung befindlichen Band 1 des Werkverzeichnisses aufgenommen.

PROVENIENZ: Privatsammlung Frankreich (direkt vom Künstler erworben, bis 2005, Ketterer Kunst, Auktion 298, Los 290).
Privatsammlung Schweiz (2005 vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: German Art 2015, 20. März - 3. Mai 2015, Galerie K, Oslo.


"Kunst wird sowieso ja erst im Nachhinein betrachtet, [..] viel weniger in dem Moment wo sie entsteht. [..] Danach stellt man fest, wie das Werk, der Künstler eigentlich gewirkt haben. Was dann die Leute von mir ERZÄHLEN werden, entscheidet. Ob ich gute Laune verbreitet habe oder nicht. Und ich arbeite daran, dass die Leute sagen können: Kippenberger war gute Laune!"

Martin Kippenberger, zit. nach: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, München 1994, S. 14.

Gerade einmal 44 Jahre wurde Martin Kippenberger, der gerne als das Enfant terrible des Berliner Kunstbetriebes beschrieben wird, weil er rastlos, emotional, unangepasst und in jeder Hinsicht intensiv lebte und sich der Mensch kaum vom Künstler trennen ließ, der fast sein ganzes Leben zur Kunst gemacht hat. Kunst aber war für Kippenberger auch immer Provokation. Kippenbergers Kunst will sich der Maßgabe ästhetisch, schön oder auch nur dekorativ zu sein nicht unterordnen und so schreibt seine Schwester Susanne treffend: "Nicht vor der weißen Leinwand hatter er Angst, sondern davor schöne Bilder zu malen." (S. Kippenberger, Kippenberger. Der Künstler und seine Familie, Berlin 2007, S. 13). Provokant, frei und hemmungslos könnte man Kippenbergers Werk auch als Anti- oder Nonsens-Kunst beschreiben, die regelmäßig die Grenzen des guten Geschmacks überwindet. Kippenberger hat mit einem Werk, das mit einer spielerischen Nonchalance zwischen Malerei, Skulptur, Installation und Happening wechselte, provoziert und überfordert. Er war seiner Zeit voraus und hat auf diese Weise die Humorlosigkeit deutscher Museumsdirektoren entlarvt, die laut Zdenek Felix, dem früheren Direktor der Hamburger Deichtorhallen, mit dafür verantwortlich ist, dass Kippenberger zu Lebzeiten zwar im Centre Pompidou in Paris, im Hirshhorn Museum in Washington, im San Fancisco Museum of Modern Art und im Boijmans van Beuningen in Rotterdam Einzelausstellungen hatte, aber in keinem deutschen Museum. Und so überrascht es nicht, dass der Berliner Tagesspiegel 2013 zur Eröffnung der großen Kippenberger-Retrospektive im Hamburger Bahnhof schreibt: „Es hat verdammt lang gedauert. Jetzt hat er es in die Hauptstadt geschafft. [..] Oder ist es nicht vielmehr umgekehrt? Berlin hat es endlich vollbracht, Martin Kippenberger in den Kanon der Kunstgeschichte aufzunehmen – 16 Jahre nach dem frühen Tod des damals 44-Jährigen. Der Ausstellungstitel ,sehr gut/very good‘ spielt mit dieser Ambivalenz. Die ironische Bestnote gilt für beide Seiten: für den Künstler wie den Hamburger Bahnhof mit seiner Werkschau zu Kippenbergers Sechzigstem [..].“ (Martin-Kippenberger-Retrospektive. Jeder Künstler ist ein Mensch, Tagesspiegel 22.2.2013). Das Museum of Modern Art in New York ist 2009 dem Hamburger Bahnhof allerdings noch mit der großen amerikanischen Retrospektiv-Schau "Martin Kippenberger: The Problem Perspective" zuvorgekommen. Die Rezeption dieses von einer faszinierenden Komplexität, einer kindlichen Frechheit und einem umwerfenden Esprit getragenen Werkes ist noch längst nicht abgeschlossen, es fordert und überfordert noch heute. Dass Kippenberger bis zu seinem frühen Tod durch Leberzirrhose ein exzessiv Lebender und rastlos Getriebener war, spiegelt sich auch in der inhaltlichen und medialen Vielseitigkeit seiner Kunst, von der das vorliegende Gemälde ein besonders schönes Beispiel gibt, denn es gehört zu den im zeitlichen Kontext der berühmten Kippenberger-Aktion "Capri bei Nacht" entstandenen Arbeiten. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ford Capri – in den 1970er Jahren der Sportwagen des kleinen Mannes – prägt Kippenbergers Œuvre der 1980er Jahre. 1982 findet dann die legendäre Ausstellung "Capri bei Nacht" in Zusammenarbeit mit Albert Oehlen in der Galerie Tanja Grunert in Stuttgart statt. Kippenberger bemalt hier einen Ford Capri mit brauner Farbe und Haferflocken. Sobald die Besucher in die dunkle Ausstellungshalle eintreten, gehen die Scheinwerfer des Haferflockenautos an, dies ist "Capri bei Nacht". Im Kontext dieser legendären Ausstellung sind zudem vereinzelt Gemälde des Capri-Motivs entstanden, welche das Auto häufig – wie im Hintergrund der vorliegenden Arbeit – diagonal ins Bild gerückt in unterschiedlichem Abstraktionsgrad zeigen und als bedeutende Zeugnisse dieser legendären Aktion gelten. Leider aber konnte Kippenberger, dessen Leben und Werk ein einziger Exzess war, seinen Erfolg nicht mehr erleben: "Er wollte ihn erleben und genießen, den Erfolg, den er verdiente, wie er fand. Er hat ja geglaubt an sich, von Anfang an, an sich und die Kunst." (S. Kippenberger, Kippenberger. Der Künstler und seine Familie, Berlin 2007, S. 10). [JS]



155
Martin Kippenberger
Ohne Titel, 1982.
Öl und Acryl auf Leinwand, teils gesprüht
Schätzung:
€ 90.000
Ergebnis:
€ 212.500

(inklusive Aufgeld)