Auktion: 538 / 19th Century Art am 10.06.2023 in München Lot 633

 

633
Karl Hagemeister
Märkische Landschaft, 1878.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 10.000
Ergebnis:
€ 13.970

(inklusive Aufgeld)
Märkische Landschaft. 1878.
Öl auf Leinwand.
Warmt G 58. Links unten signiert. Verso auf dem Keilrahmen mit altem Etikett sowie handschriftlichen Bezeichnungen. 49 x 75 cm (19,2 x 29,5 in).

• Besonders frühe Landschaft der malerischen Anfänge am Schwielowsee.
• Stimmungsvolle und tonige Farbgebung in lockerem Duktus, die den Austausch mit dem Malerfreund Carl Schuch über die Erneuerung der Landschaftsmalerei deutlich werden lässt.
• Bewegte Provenienzgeschichte aus der für die Malerei des 19. Jahrhunderts bedeutenden Sammlung Julius Freund (1928-1941)
.

PROVENIENZ: Galerie Heinemann, München (verso mit dem Etikett, Nr. 11292).
Sammlung Hugo Schmeil, Dresden (1912 vom Vorgenannten erworben).
Sammlung Julius Freund (1928-1941), Berlin/London (1916 vom Vorgenannten erworben: Cassirer/Helbing, 17.10.1916).
Nachlass Freund (1941 durch Erbschaft vom Vorgenannten, bis 1942: Galerie Fischer, Luzern, 21.3.1942).
Galerie Wimmer, München.
Privatsammlung Bayern (vom Vorgenannten in den 1970er Jahren erworben, seither Familienbesitz).
Gütliche Einigung mit den Erben nach Julius und Clara Freund.
Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen. Das Angebot erfolgt in freundlichem Einvernehmen mit den Erben nach Julius und Clara Freund auf Grundlage einer gerechten und fairen Lösung.

AUSSTELLUNG: Karl Hagemeister, Galerie Heinemann, München, Mai 1912, Nr. 1 („Märkischer See“, m. Abb.).
Karl Hagemeister 1848-1933, Museum der Havelländischen Malerkolonie, Ferch 2013, S. 18, Kat.-Nr. 3 (m. Abb.).

LITERATUR: Galerie Heinemann, München, Karteikarten zur Heinemann-Nr. 11292 (Typoskript, Galerienachlass Heinemann - Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, Kartei verkaufte Bilder, Lagerbücher und Käuferkartei, KV-H-46, LB-02-119, KK-S-284 Dokument-ID: 4067, 20421, 18383).
Sammlung Schmeil, Dresden, Paul Cassirer, Berlin/Hugo Helbing, München, Auktion 17.10.1916, Los 36 („Märkischer See“, m. Abb.).
Sammlung Julius Freund: aus dem Besitz von Frau Dr. G. Freund, Buenos Aires [..], Galerie Fischer, Luzern, Auktion 21.3.1942, Nr. 111 („Landschaft bei Ferch mit Teich“).

Die Fürsprache des Landschaftsmalers Ferdinand Konrad Bellermann eröffnet Karl Hagemeister die Möglichkeit, im Atelier Friedrich Prellers in Weimar an der Fürstlichen freien Zeichenschule die Malerei zu erlernen. Hagemeister studiert dort bis 1873 und unternimmt währenddessen bereits mehrere Studienreisen an die Ostseeküste nach Rügen sowie nach Abschluss des Studiums in Richtung Berge ins oberbayerische Land. Dort macht er die Bekanntschaft von Carl Schuch und Wilhelm Trübner, mit denen er 1873/74 in Belgien und den Niederlanden unterwegs ist. Diese Reise diente sicherlich nicht zuletzt dazu, sich mit der großen realistischen Schule der Landschaftsmalerei der Niederlande näher bekannt zu machen. Das Interesse an dieser von Wirklichkeitstreue, Einfachheit und Stimmungsgehalt geprägten Schule lässt die vorliegende Landschaft erahnen, die auf faszinierende Weise von der Suche nach individuellem künstlerischen Ausdruck geprägt ist. Zusammen mit Carl Schuch, mit dem ihn ab 1873 eine enge Freundschaft verbindet, entdeckt Hagemeister das Seengebiet süd- östlich von Potsdam wieder, wo er aufgewachsen ist. In Ferch am Schwielowsee lässt er sich 1877 nieder, obwohl ihn zu der Zeit noch einige Reisen in die Niederlande und nach Italien führen. Zwischen 1878-1882 besucht Schuch Karl Hagemeister regelmäßig in Ferch am Schwielowsee. Es entstehen zahlreiche gemeinsame Motive und Ausblicke, die wieder und wieder zum Anlass für kompositorische und farbliche Studien genutzt werden, die die intensive malerische Reflexion über die Gattung der Landschaftsmalerei im Austausch der beiden Künstler zeigen. Die Einfachheit der Sujets, oftmals skizzenhaft festgehalten in jegliche Gefälligkeit ablehnender dunkler Tonalität, die Bewegung und Atmosphäre der Natur festhaltend, ist charakteristisch für die fruchtbare künstlerische Symbiose dieser Zeit, die den Grundstein für Hagemeisters späteres Schaffen legt. Die Suche nach ganz eigenen Ausdrucksformen und die Absage an den breiten Publikumsgeschmack finden in den frühen Märkischen Landschaften ihren Anfang: „Möglichst einfache Natur, die nichts enthält als das Problem. Das ist freilich weit entfernt von den hübschen Bildchen, die die Philister verlangen, und bleiben noch dazu auch größtenteils Versuche und Studien“ (zit. nach: Karl Hagemeister, Karl Schuch, Berlin 1913, S. 95). [KT]
Das Gemälde aus der Frühzeit des Künstlers stammt aus der berühmten Sammlung des Berliner Textilfabrikanten Julius Freund (1869-1941). Die über Jahrzehnte mit sicherem Gespür für Qualität zusammengetragene Kollektion umfasst überwiegend deutsche Malerei, Zeichnungen und Druckgrafik des 19. und 20. Jahrhunderts. Julius Freund und seine Frau Clara, geb. Dressel, sowie die beiden Kinder Hans und Gisela, die unter dem Namen Gisèle Freund als Fotografin und Fotohistorikerin bekannt ist, leiden auf Grund ihrer jüdischen Herkunft ab 1933 zunehmend unter Repressionen. Während sich Gisèle Freund schon 1933 entscheidet, dauerhaft in Paris zu leben und nach der Besetzung Frankreichs nach Buenos Aires flieht, gelingt Hans Freund die Flucht nach England. Im Jahr 1939 fliehen auch die Eltern nach London. Die wertvolle Kunstsammlung der Familie Freund befindet sich bereits seit 1933 als Leihgabe im Kunstmuseum Winterthur, in der sicheren Obhut des guten Freundes und nicht minder bekannten Sammlers Oskar Reinhart.
Nach den Jahren der Repressalien und der Flucht trifft der Tod Julius Freunds im Jahr 1941 Clara Freund schwer. Wirtschaftlich durch die vergangenen Jahre in die Enge getrieben, sind die Erben 1942 gezwungen, die über Jahrzehnte mit dem Blick des Kunstkenners und -liebhabers zusammengetragene Sammlung in der Galerie Fischer in Luzern versteigern zu lassen. Im von Gisèle Freund verfassten Geleitwort zur Auktion heißt es: „Mein Vater, Julius Freund, hat Jahrzehnte gesammelt und immer nur aus dem Gesichtspunkt des künstlerischen Wertes, nie in dem Gedanken der geldlichen Verwertung. […] So war seine Sammlung eine ständige Quelle des Glückes für ihn. […] Nun wird die Sammlung in alle Winde zerstreut werden, und ich wünsche von Herzen, dass sie den neuen Besitzern ebensoviel Freude bereiten möge, und daß mancher von ihnen vielleicht hin und wieder des früheren Eigentümers Julius Freund gedenken zu mögen.“
Die insgesamt 300 Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle aus der Auktion gelangen in Museen nach Köln, Speyer, Münster oder Heidelberg und in private Sammler- und Liebhaberhände. Und so verhandelt die Beratende Kommission in ihrem ersten Fall über die Restitution von drei Gemälden von Carl Blechen sowie einem Aquarell von Anselm Feuerbach, die sämtlich aus der Sammlung Julius Freund über die Auktion in der Galerie Fischer für Hitlers „Sonderauftrag Linz“ erworben worden waren. Diese Leihgaben des Bundes in deutschen Museen werden 2005 an die Erben nach Julius und Clara Freund restitutiert. Die „Märkische Landschaft“ Hagemeisters gelangt in private Sammlerhände. Umso schöner, dass sie nun durch eine „faire und gerechte Lösung" im Sinne der Washingtoner Prinzipien frei von Restitutionsansprüchen wieder auf dem Auktionsmarkt sichtbar wird und hier stellvertretend für die große Sammlung an Julius Freund und seine Liebe zur Kunst und seine Kennerschaft erinnert. [SvdL]



633
Karl Hagemeister
Märkische Landschaft, 1878.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 10.000
Ergebnis:
€ 13.970

(inklusive Aufgeld)