Auktion: 400 / Moderne Kunst am 08.12.2012 in München Lot 45

 

45
(d.i. Dörte Clara Wolff) Dodo
Wedding auf dem Dachgarten, 1929.
Gouache
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 67.100

(inkl. Käuferaufgeld)
Wedding auf dem Dachgarten. 1929.
Gouache, Aquarell über Bleistift.
Links unten signiert und datiert. Verso mehrfach mit dem Adressstempel der Künstlerin. Auf strukturiertem Velin. 46,5 x 64 cm (18,3 x 25,1 in), Blattgröße.
Rarität. Erstmalig wird hier eine der seltenen Arbeiten der Künstlerin auf dem deutschen Auktionsmarkt angeboten.

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass der Künstlerin.
Privatsammlung Hamburg.

AUSSTELLUNG: Dodo (1907-1998) - Ein Leben in Bildern, Staatliche Museen zu Berlin, Kulturforum, Kunstbibliothek Berlin, 1.3.-28.5.2012.
The Inspiration of Decadence. Dodo rediscovered. Ben Uri Gallery, The London Jewish Museum of Art, London, 22.6.-9.9.2012.

LITERATUR: Renate Krümmer (Hrsg.), Dodo. Leben und Werk. Life and Work. 1907-1998, Ostfildern 2012 (Abb. S. 6 und 100f.).

Lange Zeit in Vergessenheit geraten, ist es erst in jüngster Zeit gelungen, Werk- und Lebensgeschichte einer außergewöhnlichen Künstlerin wieder zu entdecken: Dodo. 1907 mit dem Namen Dörte Clara Wolff als zweite Tochter in eine gutbürgerliche jüdische Berliner Familie hineingeboren, entschließt sich Dodo, einen künstlerischen Beruf zu ergreifen. Bestärkt durch die Familie beginnt Dodo im Herbst 1923 eine Ausbildung an der angesehenen privaten Kunst- und Kunstgewerbeschule Reimann in Schöneberg. Hier belegt Dodo Kurse für Naturstudien, Anatomie, Porträtzeichnen, dekorative Malerei sowie für Mode- und Kostümentwurf bei namhaften Lehrern wie Georg Tappert und Erna Schmidt-Caroll. Nach erfolgreichem Abschluss im September 1926 beginnt Dodo ihre berufliche Laufbahn als freie Grafikerin. Sie erhält sofort zahlreiche Aufträge, illustriert unter anderem Schnittmuster der Modezeitschrift "Vogue" und entwirft Kostüme für die Revue "Es liegt in der Luft", die im Mai 1928 mit Margo Lion und Marlene Dietrich in den Hauptrollen uraufgeführt wird. Zu einem Höhepunkt in der künstlerischen Laufbahn Dodos avancieren schließlich ihre Illustrationen für das Satiremagazin "ULK", die auf Augenhöhe mit den Arbeiten von Jeanne Mammen häufig die Titel- und Rückseiten zieren oder großformatig im Heft erscheinen.

Ihr eigenes Umfeld, die "Goldenen Zwanziger" in der Metropole Berlin, geben Dodo den Stoff für ihre Arbeiten. Sie bildet die mondäne Gesellschaft jedoch nicht nur ab, sondern hält ihr gleichermaßen einen Spiegel vor, indem sie einerseits Vergnügen und Luxus, andererseits aber auch Intrigen, Fassaden und innere Leere darstellt. Die in unserer Auktion angebotene Szene, die Anlass der Wiederentdeckung der Künstlerin war und ebenfalls doppelseitig in "ULK" veröffentlicht wurde, illustriert diesen Anspruch eindringlich: Erblickt der Betrachter im ersten Moment elegante, geschmackvoll gekleidete Menschen bei einem Cafébesuch, so enthüllen sich auf den zweiten Blick Distanz, kühle Blicke und Entpersonalisierung in den maskenhaften Gesichtern der vielfigurigen Szene. Beeindruckend ist neben der inhaltlichen Prägnanz die zeichnerische Qualität der Darstellung, die durch eine elegante und überaus präzise Linienführung und ein leuchtendes, von Grün-, Weiß- und Rottönen dominiertes Kolorit besticht. Nicht zu übersehen ist ferner, dass Dodos künstlerischer Fokus auf der Darstellung der Frau liegt, die sie durch extravagante Kopfbedeckungen, moderne Frisuren, affektierte Gesten und mondänes Make-up als jenen neuen selbstbewussten und emanzipierten Frauentypus der Zeit wiedergibt. Einen versteckten Hinweis auf zeitgemäße Attitüde und auf die Künstlerin selbst mag man zudem in dem links am Tisch platzierten Mann erkennen, der raucht und ein Monokel im Auge trägt - genau so, wie es die Künstlerin selbst tat.

Im gleichen Jahr, in dem unser Blatt entsteht, heiratet Dodo den 25 Jahre älteren Juristen Dr. Hans Bürgner, mit dem sie zwei Kinder bekommt. Die Ehe gerät in die Krise, als Dodo eine Affäre mit dem Psychoanalytiker Gerhard Adler beginnt - die zunächst praktizierte Dreiecksbeziehung scheitert, es folgt die Scheidung von Bürgner und die Hochzeit mit Adler. 1936 emigriert die Jüdin Dodo nach London, wo sie weiterhin als Illustratorin tätig ist. Als auch die Ehe mit Gerhard Adler scheitert, intensiviert sich die Beziehung zu Hans Bürgner wieder - eine erneute Heirat folgt nach Kriegsende 1945. Ab dieser Zeit widmet sich Dodo vor allem der Landschaftsmalerei, Akten und Stillleben, auch Tapisserien gehören zunehmend zu ihrem Œuvre. Über Jahrzehnte hinweg der öffentlichen Wahrnehmung entzogen, wird Dodos faszinierendes Werk und ihre beeindruckende Persönlichkeit erst in diesem Jahr durch Ausstellungen in Berlin und London sowie durch Publikationen und umfangreiche Presseresonanz neu entdeckt und gewürdigt. [KP].




45
(d.i. Dörte Clara Wolff) Dodo
Wedding auf dem Dachgarten, 1929.
Gouache
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 67.100

(inkl. Käuferaufgeld)