Auktion: 546 / 19th Century Art am 09.12.2023 in München Lot 309


309
Hans Thoma
Wundervögel, 1917.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 35.560

(inklusive Aufgeld)
Wundervögel. 1917.
Öl auf Leinwand.
Rechts unten monogrammiert und datiert. Verso auf dem Keilrahmen handschriftlich und typografisch nummeriert. 80,5 x 95,5 cm (31,6 x 37,5 in).

PROVENIENZ: Paul und Beth von Bleichert, Leipzig (wohl 1917 erworben).
Paul und Beth von Bleichert, Zürich (1920er Jahre, bis 2014 in Familienbesitz).
Jack Kilgore & Co. Gallery, New York.
Daxer & Marschall, München.
Privatsammlung Baden-Württemberg.

LITERATUR: Vgl. Henry Thode, Hans Thoma, Stuttgart/Leipzig 1909, S. 355, 421.
Joseph August Beringer, Der Malerpoet, München 1917, o.S., Abb. Taf. 17.

Die menschliche Sehnsucht, die erdhafte Gebundenheit im schwerelosen Flug zu überwinden, hat Hans Thoma vor allem in den Gemälden seiner sogenannten „Wundervögel“ zum Ausdruck gebracht. Bereits 1876 taucht im Gemälde „Paradies“ (Thode S. 89) ein solcher fantastischer Vogel auf. Ein weiteres Gemälde mit dem Titel „Sehnsucht“ (Thode S. 427) von 1900 zeigt einen Jüngling in einer weiten Flusslandschaft, der den am Himmel ziehenden Vögeln nachblickt. Besonders faszinieren allerdings die Gemälde, in denen die Betrachtenden gewissermaßen mit den Vögeln fliegen, weit über der sanften Landschaft in einem von irrealem, hellen Licht durchdrungenen Raum. Thoma vereint in ihnen die aus der ostasiatischen Kunst zu der Zeit bekannten Kraniche mit den weiten Schwingen mit den langen Feder des Paradiesvogels, teilweise auch der Pfauen. Das Motiv der Vögel führt er auch in der grafischen Technik der Radierung aus und gestaltet sich selbst damit ein Exlibris, in denen die Ornamentalität der Vogelgestalten besonders zur Geltung kommt. Den Vogelbildern scheint er auch einigen persönlichen Charakter beizumessen und als Freundschaftsbilder zu fungieren, widmet er doch seinem Freund Philipp Röth zum 60. Geburtstag solch eine Zeichnung und auch Henry Thode ist im Besitz eines der Gemälde. Der Wundervogel steht aber auch für das Reich der Fantasie und der Kunst, die sich nicht der Realität verpflichtet fühlt. In unterschiedlichen Flughaltungen schweben die großen Tiere mit den geschwungenen Hälsen und Federn über den Himmel, riesig über Landschaft, und erlauben den Betrachtenden eine neue Perspektive. Das traumhafte Gefühl des Schwebens hat für Thoma essentielle Bedeutung: „In meinen Bildern und ihrem Raum soll man Fliegen können“ (J.A. Beringer, Vollständiges Verzeichnis der radierten Platten und ihrer Zustände, München 1923, S. XIV). Der Kunsthistoriker Joseph August Beringer wies auch darauf hin, dass das Phänomen des Fliegens gerade in der Zeit der beginnenden Luftfahrttechnik einen besonderen Reiz auf Thoma ausgeübt haben könnte. Greifbar wird das Gefühl der Irrealität, das in so vielen von Thomas Bildern spürbar ist. Das Schweben im Raum, das Gefühl der Freiheit und die Sehnsucht nach ihr werden von Thoma in Gestalt der Wundervögel immer wieder thematisiert. In den geschwungenen Linien der Tiere lassen sich zudem Anklänge an die Kunst des Jugendstils sowie japanische Holzschnitte erkennen, wie sie um die Jahrhundertwende Konjunktur hatten. [KT]



309
Hans Thoma
Wundervögel, 1917.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 35.560

(inklusive Aufgeld)