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Ernst Ludwig Kirchner
Sertigweg, 1937.
Öl auf Leinwand
Schätzpreis: € 500.000 - 700.000
Ernst Ludwig Kirchner
1880 - 1938
Sertigweg. 1937.
Öl auf Leinwand.
Links oben mit der geritzten Signatur, links unten mit dem geritzten Monogramm. Verso signiert und betitelt. 120 x 100 cm (47,2 x 39,3 in). [JS].
• Eines der letzten Gemälde des herausragenden "Brücke"-Expressionisten.
• In der Einsamkeit von Kirchners letztem Rückzugsort, dem "Haus auf dem Wildboden" im Sertigtal bei Davos, entstanden, wo Kirchner 1938 den Freitod wählt.
• Die Ewigkeit und Erhabenheit des täglichen Blicks auf die Schweizer Bergwelt hat Kirchner ein letztes Mal farbgewaltig und souverän auf die Leinwand gebannt.
• Die im Sommer 1937 den Künstler zutiefst irritierenden Ereignisse in Deutschland um die Diffamierung der Moderne lassen Kirchners Blick auf die Sertigtal-Landschaft mehr als versöhnlich erscheinen.
• Internationale Ausstellungshistorie und bereits im Entstehungsjahr von Kirchner für seine Ausstellung in der Kunsthalle Basel ausgewählt.
• Aus der wichtigen Kirchner-Sammlung Dr. Bauer, Davos.
Wir danken Herrn Dr. Wolfgang Henze, Wichtrach/Bern, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.
PROVENIENZ: Nachlass des Künstlers.
Erna Kirchner (1938 durch Erbschaft vom Vorgenannten).
Dr. Frédéric Bauer, Davos (am 2.3.1939 von der Vorgenannten erworben, - mindestens 1952).
Curt Valentin Gallery, New York.
Nachlass Curt Valentin, New York (1954-1955).
Margarete Schultz, Great Neck/New York (im Juli 1955 aus vorgenanntem Nachlass erworben, -1965).
Caroline und Stephen Adler, Holliswood/New York (im Juni 1965 von der Vorgenannten als Geschenk erhalten, -1972).
Siegfried Adler, Montagnola (1972 von den Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Roman Norbert Ketterer, Campione d'Italia/Lugano (1974 vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Schweiz (seit 2002).
Galerie Neher, Essen (2014).
Privatsammlung Berlin.
Privatsammlung Süddeuschland.
AUSSTELLUNG: Kirchner, Kunsthalle Basel, 30.10.-27.11.1937, Nr. 258.
Ernst Ludwig Kirchner, Gemälde und Graphik der Sammlung F. Bauer, Davos, Wanderausstellung Kunsthalle Nürnberg - Fränkische Galerie; Haus der Kunst, München; Museum am Ostwall, Dortmund; Haus am Waldsee, Berlin; u. a., 1952/53, Nr. 27 m. Abb. S. 54.
Ernst Ludwig Kirchner: a retrospective exhibition, Wanderausstellung Seattle Art Museum; Pasadena Art Museum; Museum of Fine Arts, Boston, 23.11.-27.4.1969, Nr. 68, S. 32f. m. Abb.
18. Kunstausstellung Trubschachen - Schweizer Künstlerinnen und Künstler, Trubschachen 2009, Kat. 8.
Expressionisten der "Brücke" und die Natur, Galerie Henze & Ketterer & Triebold in Riehen/Basel, 4.5.-7.9.2013, o. Nr. (ID 76835).
Philadelphia Museum of Art, Philadelphia (PA), Dauerleihgabe 1.9.2016-27.10.2020.
LITERATUR: Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner. Mit einem kritischen Katalog sämtlicher Gemälde, München/Cambridge (Mass.) 1968, WVZ-Nr. 1015, S. 413 (m. SW-Abb.).
-
Donald E. Gordon und Margarethe Schultz, Korrespondenzen Februar-Mai 1964 (Typoskript/Manuskript, Nachlass Donald Gordon - University of Pittsburgh, series 1, box 5, folder 106).
Franz Roh, Begegnungen mit modernen Malern, in: Aus unserer Zeit. Einmalige Sonderausgabe für die Mitarbeiter des Hauses Siemens, München 1957, Farbabb. S. 119.
Franz Roh, Geschichte der deutschen Kunst von 1900 bis zur Gegenwart, München 1958, Farbabb. Tafel IV.
Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner. Mit einem kritischen Katalog sämtlicher Gemälde, München 1968, S. 154 m. Farbabb. S. 153.
Donald E. Gordon, Introduction and Chronology, in: E. L. Kirchner - A Retrospective Exhibition, Seattle, Pasadena, Boston, 1968-1969, S. 15-33, S. 32, Abb. S. 33.
Walter Lepori, Zauberberge - zu Ernst Ludwig Kirchners Davoser Bergbildern, Lizentiatsarbeit Zürich, 1988, S. 70, Abb. 93.
Lucius Grisebach, Von Davos nach Davos. Ernst Ludwig Kirchner und die Familien Grisebach und Spengler in Jena und Davos, in: Davoser Revue, Nr. 3, 1992, S. 30-47, Abb. S. 45.
Lothar Grisebach (Hrsg.), E. L. Kirchners Davoser Tagebuch, Stuttgart 1997, S. 86.
Roman Norbert Ketterer, Legenden am Auktionspult. Die Wiederentdeckung des deutschen Expressionismus, München 1999, S. 278, Farbabb. S. 279.
Kirchner Museum Davos (Hrsg.), Frédéric Bauer (= Magazin des Kirchner Museums Davos 5.2004), Nr. 202, S. 168.
Wolfgang Henze, Ernst Ludwig Kirchners späte Kunst-Theorie, in: Kunst - Geschichte - Wahrnehmung - Strukturen und Mechanismen von Wahrnehmungsstrategien, München/Berlin, 2008, S. 144-162, S. 149.
Hans Delfs, Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel, Bd. 4: Briefe von 1932 bis 1942, Stockdorf [Privatdruck] 2010, Nrn. 2964, 3440, 3443, 3586, S. 2685, 3080, 3084, 3177.
Ruth Michel und Konrad Richter, Wandern wie gemalt. Graubünden. Auf den Spuren bekannter Gemälde, Zürich 2015, Farbabb. S. 217.
E. L. Kirchner, Davos, 10. Dezember 1924.
Aufrufzeit: 05.12.2025 - ca. 17.06 h +/- 20 Min.
1880 - 1938
Sertigweg. 1937.
Öl auf Leinwand.
Links oben mit der geritzten Signatur, links unten mit dem geritzten Monogramm. Verso signiert und betitelt. 120 x 100 cm (47,2 x 39,3 in). [JS].
• Eines der letzten Gemälde des herausragenden "Brücke"-Expressionisten.
• In der Einsamkeit von Kirchners letztem Rückzugsort, dem "Haus auf dem Wildboden" im Sertigtal bei Davos, entstanden, wo Kirchner 1938 den Freitod wählt.
• Die Ewigkeit und Erhabenheit des täglichen Blicks auf die Schweizer Bergwelt hat Kirchner ein letztes Mal farbgewaltig und souverän auf die Leinwand gebannt.
• Die im Sommer 1937 den Künstler zutiefst irritierenden Ereignisse in Deutschland um die Diffamierung der Moderne lassen Kirchners Blick auf die Sertigtal-Landschaft mehr als versöhnlich erscheinen.
• Internationale Ausstellungshistorie und bereits im Entstehungsjahr von Kirchner für seine Ausstellung in der Kunsthalle Basel ausgewählt.
• Aus der wichtigen Kirchner-Sammlung Dr. Bauer, Davos.
Wir danken Herrn Dr. Wolfgang Henze, Wichtrach/Bern, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.
PROVENIENZ: Nachlass des Künstlers.
Erna Kirchner (1938 durch Erbschaft vom Vorgenannten).
Dr. Frédéric Bauer, Davos (am 2.3.1939 von der Vorgenannten erworben, - mindestens 1952).
Curt Valentin Gallery, New York.
Nachlass Curt Valentin, New York (1954-1955).
Margarete Schultz, Great Neck/New York (im Juli 1955 aus vorgenanntem Nachlass erworben, -1965).
Caroline und Stephen Adler, Holliswood/New York (im Juni 1965 von der Vorgenannten als Geschenk erhalten, -1972).
Siegfried Adler, Montagnola (1972 von den Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Roman Norbert Ketterer, Campione d'Italia/Lugano (1974 vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Schweiz (seit 2002).
Galerie Neher, Essen (2014).
Privatsammlung Berlin.
Privatsammlung Süddeuschland.
AUSSTELLUNG: Kirchner, Kunsthalle Basel, 30.10.-27.11.1937, Nr. 258.
Ernst Ludwig Kirchner, Gemälde und Graphik der Sammlung F. Bauer, Davos, Wanderausstellung Kunsthalle Nürnberg - Fränkische Galerie; Haus der Kunst, München; Museum am Ostwall, Dortmund; Haus am Waldsee, Berlin; u. a., 1952/53, Nr. 27 m. Abb. S. 54.
Ernst Ludwig Kirchner: a retrospective exhibition, Wanderausstellung Seattle Art Museum; Pasadena Art Museum; Museum of Fine Arts, Boston, 23.11.-27.4.1969, Nr. 68, S. 32f. m. Abb.
18. Kunstausstellung Trubschachen - Schweizer Künstlerinnen und Künstler, Trubschachen 2009, Kat. 8.
Expressionisten der "Brücke" und die Natur, Galerie Henze & Ketterer & Triebold in Riehen/Basel, 4.5.-7.9.2013, o. Nr. (ID 76835).
Philadelphia Museum of Art, Philadelphia (PA), Dauerleihgabe 1.9.2016-27.10.2020.
LITERATUR: Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner. Mit einem kritischen Katalog sämtlicher Gemälde, München/Cambridge (Mass.) 1968, WVZ-Nr. 1015, S. 413 (m. SW-Abb.).
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Donald E. Gordon und Margarethe Schultz, Korrespondenzen Februar-Mai 1964 (Typoskript/Manuskript, Nachlass Donald Gordon - University of Pittsburgh, series 1, box 5, folder 106).
Franz Roh, Begegnungen mit modernen Malern, in: Aus unserer Zeit. Einmalige Sonderausgabe für die Mitarbeiter des Hauses Siemens, München 1957, Farbabb. S. 119.
Franz Roh, Geschichte der deutschen Kunst von 1900 bis zur Gegenwart, München 1958, Farbabb. Tafel IV.
Donald E. Gordon, Ernst Ludwig Kirchner. Mit einem kritischen Katalog sämtlicher Gemälde, München 1968, S. 154 m. Farbabb. S. 153.
Donald E. Gordon, Introduction and Chronology, in: E. L. Kirchner - A Retrospective Exhibition, Seattle, Pasadena, Boston, 1968-1969, S. 15-33, S. 32, Abb. S. 33.
Walter Lepori, Zauberberge - zu Ernst Ludwig Kirchners Davoser Bergbildern, Lizentiatsarbeit Zürich, 1988, S. 70, Abb. 93.
Lucius Grisebach, Von Davos nach Davos. Ernst Ludwig Kirchner und die Familien Grisebach und Spengler in Jena und Davos, in: Davoser Revue, Nr. 3, 1992, S. 30-47, Abb. S. 45.
Lothar Grisebach (Hrsg.), E. L. Kirchners Davoser Tagebuch, Stuttgart 1997, S. 86.
Roman Norbert Ketterer, Legenden am Auktionspult. Die Wiederentdeckung des deutschen Expressionismus, München 1999, S. 278, Farbabb. S. 279.
Kirchner Museum Davos (Hrsg.), Frédéric Bauer (= Magazin des Kirchner Museums Davos 5.2004), Nr. 202, S. 168.
Wolfgang Henze, Ernst Ludwig Kirchners späte Kunst-Theorie, in: Kunst - Geschichte - Wahrnehmung - Strukturen und Mechanismen von Wahrnehmungsstrategien, München/Berlin, 2008, S. 144-162, S. 149.
Hans Delfs, Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel, Bd. 4: Briefe von 1932 bis 1942, Stockdorf [Privatdruck] 2010, Nrn. 2964, 3440, 3443, 3586, S. 2685, 3080, 3084, 3177.
Ruth Michel und Konrad Richter, Wandern wie gemalt. Graubünden. Auf den Spuren bekannter Gemälde, Zürich 2015, Farbabb. S. 217.
E. L. Kirchner, Davos, 10. Dezember 1924.
Aufrufzeit: 05.12.2025 - ca. 17.06 h +/- 20 Min.
Kirchners kompositorische und koloristische Meisterschaft zeigt sich in "Sertigweg" in beeindruckender Weise. Souverän hat er die vertrauten Umrisse der nahen Schweizer Bergwelt auf die Leinwand gesetzt. Mit geradezu spielerischer Leichtigkeit hat Kirchner diese expressionistische Landschaft alleine aus mutig gegeneinandergesetzten Grün- und Blautönen aufgebaut und mit teils in dynamischen Pinselhieben aufgebrachten Akzenten in Rot, Weiß und Violett strukturiert. Der sich leuchtend hell nach hinten durchs Tal ziehende Weg wird von den rhythmisch angeordneten langen Schattenwürfen der hohen Nadelbäume in klar voneinander abgegrenzte helle und dunkle Farbflächen gegliedert. Schäumend und unaufhaltsam stürzt das Wasser im sich windenden Lauf des Baches zu Tal und hinten in der Ferne taucht das abendliche Sonnenlicht dieses Spätsommertages den Schnee auf den Gipfeln in ein geheimnisvoll-transzendent glühendes Violett.
Dem Expressionisten Kirchner geht es nicht um die reine Darstellung einer Landschaftsimpression, sondern darum, sein Inneres nach außen zu befördern, mit Landschaft etwas auszudrücken, das in seinem tiefsten Inneren liegt, ganz im Sinne des Expressionismus aus einem unsichtbaren Gefühl Form und Farbe werden zu lassen.
Kirchner war 1911 von Dresden, dem Gründungsort der Künstlergemeinschaft "Brücke", in die internationale Kunstmetropole Berlin gezogen. In Berlin nahm das moderne Leben zum damaligen Zeitpunkt mit Autos, Fernsprechern und über hundert, teils mehrfach täglich erscheinenden Tageszeitungen, internationaler Presse, Theater-, Varieté- und Tanzlokalen sowie internationalen Kunstausstellungen rasant an Fahrt auf. Diese enorme Verdichtung der urbanen Moderne hat Kirchner gereizt, ebenso das großstädtische Nachtleben, das Milieu der Tänzer und auch der Grenzgänger dieser lebendigen, aber auch sozial angespannten Urbanität. All das hat Kirchner in seinen Berliner Jahren in nervösem Strich auf Papier oder Leinwand gebannt und mit seinen "Straßenszenen" (1913, Museum of Modern Art, New York) und "Frauen am Potsdamer Platz" (1914, Nationalgalerie Berlin) seine unangefochtenen Meisterwerke geschaffen, die heute als Ikonen des Expressionismus gelten. Kirchner war ein Weltmensch, jedoch ganz ohne Deutschland und die Schweiz jemals verlassen zu haben. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges flieht Kirchner aus Berlin in die Abgeschiedenheit der Schweizer Bergwelt. Für Kirchner, der seit dem Ersten Weltkrieg an diversen Ängsten leidet und von Veronal, Morphium und Alkohol abhängig ist, sollte das beruhigende Bergpanorama ursprünglich im Anschluss an seine Sanatoriumsaufenthalte als geeigneter Ort für eine Entziehungskur dienen. Aber auch hier, fern der Großstadt, kommt der hochsensible Künstler nicht zur Ruhe. Und während seine nervösen Zustände und Ängste weiter bleiben, nutzt er die abgeschiedene, schroffe Bergwelt als reizvolle, neue Inspirationsquelle für seine farbgewaltige expressionistische Malerei. Gerade auch in dieser psychisch hoch angespannten Lebensphase hat Kirchner Werke von herausragender Qualität und Stärke hinterlassen. 1923 zieht der damals 43-jährige Kirchner gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Erna Schilling, die er als Tänzerin in Berlin kennengelernt hatte, in das kleine, bescheidene "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal bei Davos. Diese Einsamkeit – denn Erna ist oftmals für längere Zeit in Berlin – inmitten der gewaltigen Schweizer Bergwelt sollte von da ab bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 Kirchners emotionaler Rückzugsort von einer ihn zunehmend überfordernden Welt sein. Der Blick auf das Sertigtal und die fernen Gipfel ist in diesen Jahren sein täglicher Blick vom "Haus auf dem Wildboden" aus. Und so begeistert auch diese mutige Farblandschaft durch den charakteristischen, expressiv-nervösen Strich, mit dem Kirchner das dichte Grün der Tannen ins Bild setzt. Kirchner hat den für ihn alltäglichen Blick ins Tal aus gleicher Perspektive bereits 1924 in einem Aquarell und in dem seltenen Holzschnitt "Sertigstrasse im Winter" festgehalten.

Ebenfalls 1924 datiert auch das motivisch eng verwandte Gemälde "Sertigweg im Sommer", das ebenfalls zu den internationalen Höchstzuschlägen des Künstlers zählt. In den 1930er Jahren aber, in denen Kirchners expressionistische Malerei im nationalsozialistischen Regime Deutschlands plötzlich als "entartet" gilt, verändert sich Kirchners Blick auf die vertraute Landschaft. 1937 werden im Zuge der Aktion "Entartete Kunst" zahlreiche Werke Kirchners aus deutschen Museen entfernt und sein Schaffen in der gleichnamigen Ausstellung im Münchener Hofgarten öffentlich im Sinne der Kulturpolitik des Dritten Reiches verspottet. Auch aus diesem Grund ist Kirchners Blick auf das sich vor ihm ausbreitende Tal und Bergpanorama im Jahr 1937 ein vollkommen anderer. Klarer, schicksalshafter und hoffnungsvoll auf das Ziel des Weges, die metaphysische Kraft der ewigen Berge ausgerichtet, hat Kirchner diesen Weg im vorliegenden Gemälde ein letztes Mal als eine Art Sinnbild das Lebens auf die Leinwand gebannt. Im Dezember 1923 hatte Kirchner aus der Schweiz an Gustav Schiefler geschrieben: "Niemals ist für mich ein behandelter Gegenstand gleichgültig gewesen. Niemals, ich könnte nicht daran arbeiten, wenn er mir nicht auch im Gegenständlichen Fragen stellte, die mit der technischen Behandlung nichts zu tun haben. […] Meine Hieroglyphe ist lediglich das, daß eine Naturform in einen diese Naturform nicht abbildenden Linienzug verwandelt wird, der aus der Komposition des Ganzen, der verwendeten Technik und der Empfindung und Erregung des schöpferischen Momentes geformt wird." (zit. nach: Ernst Ludwig Kirchners Davoser Tagebuch, Wichtrach/Bern 1997, S. 240). [JS]
Dem Expressionisten Kirchner geht es nicht um die reine Darstellung einer Landschaftsimpression, sondern darum, sein Inneres nach außen zu befördern, mit Landschaft etwas auszudrücken, das in seinem tiefsten Inneren liegt, ganz im Sinne des Expressionismus aus einem unsichtbaren Gefühl Form und Farbe werden zu lassen.
Kirchner war 1911 von Dresden, dem Gründungsort der Künstlergemeinschaft "Brücke", in die internationale Kunstmetropole Berlin gezogen. In Berlin nahm das moderne Leben zum damaligen Zeitpunkt mit Autos, Fernsprechern und über hundert, teils mehrfach täglich erscheinenden Tageszeitungen, internationaler Presse, Theater-, Varieté- und Tanzlokalen sowie internationalen Kunstausstellungen rasant an Fahrt auf. Diese enorme Verdichtung der urbanen Moderne hat Kirchner gereizt, ebenso das großstädtische Nachtleben, das Milieu der Tänzer und auch der Grenzgänger dieser lebendigen, aber auch sozial angespannten Urbanität. All das hat Kirchner in seinen Berliner Jahren in nervösem Strich auf Papier oder Leinwand gebannt und mit seinen "Straßenszenen" (1913, Museum of Modern Art, New York) und "Frauen am Potsdamer Platz" (1914, Nationalgalerie Berlin) seine unangefochtenen Meisterwerke geschaffen, die heute als Ikonen des Expressionismus gelten. Kirchner war ein Weltmensch, jedoch ganz ohne Deutschland und die Schweiz jemals verlassen zu haben. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges flieht Kirchner aus Berlin in die Abgeschiedenheit der Schweizer Bergwelt. Für Kirchner, der seit dem Ersten Weltkrieg an diversen Ängsten leidet und von Veronal, Morphium und Alkohol abhängig ist, sollte das beruhigende Bergpanorama ursprünglich im Anschluss an seine Sanatoriumsaufenthalte als geeigneter Ort für eine Entziehungskur dienen. Aber auch hier, fern der Großstadt, kommt der hochsensible Künstler nicht zur Ruhe. Und während seine nervösen Zustände und Ängste weiter bleiben, nutzt er die abgeschiedene, schroffe Bergwelt als reizvolle, neue Inspirationsquelle für seine farbgewaltige expressionistische Malerei. Gerade auch in dieser psychisch hoch angespannten Lebensphase hat Kirchner Werke von herausragender Qualität und Stärke hinterlassen. 1923 zieht der damals 43-jährige Kirchner gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Erna Schilling, die er als Tänzerin in Berlin kennengelernt hatte, in das kleine, bescheidene "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal bei Davos. Diese Einsamkeit – denn Erna ist oftmals für längere Zeit in Berlin – inmitten der gewaltigen Schweizer Bergwelt sollte von da ab bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 Kirchners emotionaler Rückzugsort von einer ihn zunehmend überfordernden Welt sein. Der Blick auf das Sertigtal und die fernen Gipfel ist in diesen Jahren sein täglicher Blick vom "Haus auf dem Wildboden" aus. Und so begeistert auch diese mutige Farblandschaft durch den charakteristischen, expressiv-nervösen Strich, mit dem Kirchner das dichte Grün der Tannen ins Bild setzt. Kirchner hat den für ihn alltäglichen Blick ins Tal aus gleicher Perspektive bereits 1924 in einem Aquarell und in dem seltenen Holzschnitt "Sertigstrasse im Winter" festgehalten.

Ernst Ludwig Kirchner, Sertigtal im Winter, 1924/25, Aquarell über Bleistift, versteigert bei Ketterer Kunst, 12.12.2020.
Ebenfalls 1924 datiert auch das motivisch eng verwandte Gemälde "Sertigweg im Sommer", das ebenfalls zu den internationalen Höchstzuschlägen des Künstlers zählt. In den 1930er Jahren aber, in denen Kirchners expressionistische Malerei im nationalsozialistischen Regime Deutschlands plötzlich als "entartet" gilt, verändert sich Kirchners Blick auf die vertraute Landschaft. 1937 werden im Zuge der Aktion "Entartete Kunst" zahlreiche Werke Kirchners aus deutschen Museen entfernt und sein Schaffen in der gleichnamigen Ausstellung im Münchener Hofgarten öffentlich im Sinne der Kulturpolitik des Dritten Reiches verspottet. Auch aus diesem Grund ist Kirchners Blick auf das sich vor ihm ausbreitende Tal und Bergpanorama im Jahr 1937 ein vollkommen anderer. Klarer, schicksalshafter und hoffnungsvoll auf das Ziel des Weges, die metaphysische Kraft der ewigen Berge ausgerichtet, hat Kirchner diesen Weg im vorliegenden Gemälde ein letztes Mal als eine Art Sinnbild das Lebens auf die Leinwand gebannt. Im Dezember 1923 hatte Kirchner aus der Schweiz an Gustav Schiefler geschrieben: "Niemals ist für mich ein behandelter Gegenstand gleichgültig gewesen. Niemals, ich könnte nicht daran arbeiten, wenn er mir nicht auch im Gegenständlichen Fragen stellte, die mit der technischen Behandlung nichts zu tun haben. […] Meine Hieroglyphe ist lediglich das, daß eine Naturform in einen diese Naturform nicht abbildenden Linienzug verwandelt wird, der aus der Komposition des Ganzen, der verwendeten Technik und der Empfindung und Erregung des schöpferischen Momentes geformt wird." (zit. nach: Ernst Ludwig Kirchners Davoser Tagebuch, Wichtrach/Bern 1997, S. 240). [JS]
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Ernst Ludwig Kirchner
Sertigweg, 1937.
Öl auf Leinwand
Schätzpreis: € 500.000 - 700.000
Aufgeld und Steuern zu Ernst Ludwig Kirchner "Sertigweg"
Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.
Berechnung bei Differenzbesteuerung:
Zuschlagspreis bis 1.000.000 Euro: hieraus Aufgeld 34 %.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 1.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 29 % berechnet und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 1.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 22 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Das Aufgeld enthält die Umsatzsteuer, diese wird jedoch nicht ausgewiesen.
Berechnung bei Regelbesteuerung:
Zuschlagspreis bis 1.000.000 Euro: hieraus Aufgeld 29 %.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 1.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 23 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 1.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf die Summe von Zuschlag und Aufgeld wird die gesetzliche Umsatzsteuer von 7 % erhoben.
Wir bitten um schriftliche Mitteilung vor Rechnungsstellung, sollten Sie Regelbesteuerung wünschen.
Berechnung bei Differenzbesteuerung:
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Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 1.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 29 % berechnet und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 1.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 22 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Das Aufgeld enthält die Umsatzsteuer, diese wird jedoch nicht ausgewiesen.
Berechnung bei Regelbesteuerung:
Zuschlagspreis bis 1.000.000 Euro: hieraus Aufgeld 29 %.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 1.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 23 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 1.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf die Summe von Zuschlag und Aufgeld wird die gesetzliche Umsatzsteuer von 7 % erhoben.
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Lot 4

