Auktion: 500 / Evening Sale am 17.07.2020 in München Lot 201


201
Willi Baumeister
Urpflanzlich, 1941.
Öl auf Hartfaserplatte
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 156.250

(inkl. Käuferaufgeld)
Urpflanzlich. 1941.
Öl auf Hartfaserplatte.
Baumeister/Beye 909. Rechts unten signiert und datiert. Verso bezeichnet "Eigentum Willi Baumeister 1941". 53,5 x 65,5 cm (21 x 25,7 in).
[KT].

• Eine von nur vier Varianten des zwischen 1939-1941 entstandenen Themas, auch "Urpflanzenreich" oder "Reich des Organischen" genannt.
• Als letztes Bild der Reihe die ausgereifteste und vollendetste Komposition.
• Auf dem Auktionsmarkt äußerst selten vertretene Werkgruppe.
• Spielerisch-verträumte Linienführung in arabesker Ornamentik, im Rahmen der Rezeption von Johann Wolfgang von Goethes botanischer Schrift "Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären" (1790).
• Aus der begehrten Serie der "Eidos"-Bilder
.

PROVENIENZ: Sammlung Dr. Klihm, München.
A. Hansell Paine, Valdosta, Georgia (USA).
Galerie Sander, Darmstadt.
Privatsammlung Rheinland (1999 vom Vorgenannten erworben).

LITERATUR: Kurt Herberts, Untersuchungen über die Anwendbarkeit historischer Malverfahren, Wuppertal/Stuttgart 1940, S. 89f.
Willi Baumeister, Zimmer- und Wandgeister, hrsg. von Heinz Spielmann, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, Bd. 12, 1967, S. 156.
Christa Lichtenstern, Metamorphose in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 1, Weinheim 1990, S. 104ff, und Bd. 2, Weinheim 1992, S. 362ff.
Christie’s London, German and Austrian Art ’98, Auktion 8.10.1998, Los 225 (mit Farbabb.).
"Meine Vorstellung von dem Thema Reich des Organischen, verkörpert in den Wachstumskräften der Pflanzenwelt, schlug sich nieder in einer symbolischen Darstellung in die Vorzeit gerückter Urlandschaft, in der sich die Pflanzen, von dampf- und nebelartiger Luft umhüllt, tropisch entwickelten.. Ich hielt mich an die von Goethe beschriebene Metamorphose der Pflanze sowie an seine Idee der einer idealen Urpflanze, deren Kräfte alle Bildungen und Formen verheißen."
Willi Baumeister, in: Kurt Herberts, Untersuchungen über die Anwendbarkeit historischer Malverfahren, Wuppertal/Stuttgart 1940, S. 89f.

Bilder von Willi Baumeister sehen selbstverständlich anders aus. Gerade Bilder der Eidos-Serie zwischen 1938 und 1941, auch jene davor und jene danach, haben etwas Eindringliches, erinnern an parasitäre Mikroorganismen, die in einer hochgeistigen Symbiose miteinander leben. Natürlich auch cézannesque beziehungsweise picassoesque Strandszenen mögen hier gedanklich Pate gestanden haben, jene klassizistische üppige Körperlichkeit der Badenden am Strand, die sich hier in einen organischen Formenkanon umgewandelt in landschaftlicher Ordnung wiederfindet. Baumeisters Bilderwelt, so geschlossen nachvollziehbar sie in diesem Eidos-Bild auch erscheinen mag, ist von vielen von außen an den Künstler herangetragenen sozialen, politischen und auch künstlerischen Veränderungen bestimmt. 1889 in Stuttgart geboren, etwa zur gleichen Zeit wie Oskar Schlemmer, Mies van der Rohe, Oskar Kokoschka oder Max Beckmann, entwickelt Baumeister mit diesen eine Fülle von ldeen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben dem deutschen Weg des Expressionismus der Künstler um die Dresdener „Brücke“ oder dem Münchener „Blauen Reiter“ deutlich hervortreten. Durch die Stuttgarter Schule von Adolf Hölzel beeinflusst, ist es sicher auch die französische Komponente, der nachkubistische Ansatz eines Fernand Léger oder Amédée Ozontfont, welcher sich besonders in den späten 20er und frühen 30er Jahren bei Baumeister durchsetzt und jene biomorphen Formenbindungen und schöne Maschinenwelt entstehen lässt. In diesem Sinn malt Baumeister nie wirklich abbildhaft die Natur wie etwa Beckmann, Kokoschka oder Ernst Ludwig Kirchner. Es sind dies vielmehr architektonisch gegliederte Fantasieräume, bestimmt von exotischen Zeichen und symbolhafter Materialität, deren bisweilen strenge Formen um 1920 im Kreise der Konstruktivisten entwickelt werden, nähren Gedanken für seine Bilder. Aus den materialbetonten Mauerbildern, figurinenartig gegliedert, entwickeln sich Arbeiten mit Personnagen und Maschinenmenschen, und im Nichts schwebende Formen verdichten sich zu narrativen Landschaften wie in der Eidos-Serie und den Bildern zeitlich danach. Für Baumeister ist mit dem Begriff „Eidos“, griechisch Urbild, die Möglichkeit gegeben, stilistisch wie thematisch auf das Archaische zurückzugreifen und damit eine bildliche Vorstellungswelt zu schaffen, in der Landschaftliches, Figuratives in unendlicher Metamorphose stets etwas Neues hervorbringt. „Es entstanden Kompositionen mit einem betonten Oben und Unten, und die ganz abstrakten Formulierungen wurden in ihrer absoluten Exaktheit verlassen zugunsten von gelockerten Formen. [..] Nicht dass mich Natur-Vorbilder anregten, sondern meine Bildformen entstanden selbstständig, waren den Naturformen verwandt. So gelangte ich in eine Freiheit der Formenbildung, die zugleich den strengen Aufbau des Absoluten enthält und das unfassbare Leben.“ (Willi Baumeister) [MvL]



201
Willi Baumeister
Urpflanzlich, 1941.
Öl auf Hartfaserplatte
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 156.250

(inkl. Käuferaufgeld)