Auktion: 520 / Evening Sale am 18.06.2021 in München Lot 323


323
Erich Heckel
Blaue Iris, 1908.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 1.045.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Blaue Iris. 1908.
Öl auf Leinwand.
Hüneke 1908-12. Vogt 1908-18. Verso rechts unten signiert und datiert sowie links oben monogrammiert. 76 x 56,5 cm (29,9 x 22,2 in).

• 1908 ist Heckels fruchtbarste Schaffensperiode.
• Der größte Teil der in Dangast 1908 entstandenen Gemälde ist zerstört oder verschollen.
• Eines der wenigen erhaltenen Blumenbilder Heckels aus der "Brücke"-Zeit.
• Bisher befand sich das Werk jeweils über Jahrzehnte in nur zwei deutschen Sammlungen.
• Das Gartenbild mit dem ornamental aufgefassten Blumenband ist eine Farbsinfonie von ausgesuchter Delikatesse
.

PROVENIENZ: Sammlung Hanni (Johanne Helene) Gramberg, verwitwete Tapken, wiederverheiratete Junkermann (1884-1961), Dangast (Wirtin des dortigen Kurhauses, direkt vom Künstler erhalten, wohl bis nach 1957).
Galerie Aenne Abels, Köln.
Sammlung Ilse von Martius, Hattingen/Ruhr (in den 1960er Jahren von der Vorgenannten erworben, bis heute in Familienbesitz).

AUSSTELLUNG: Erich Heckel, Städtisches Museum Duisburg, 1957, Nr. 5.
Maler der "Brücke" in Dangast von 1907 bis 1912, Kunstverein im Schloss, Oldenburg, 1957, Nr. 33.
Expressionisten in Dangast, Franz Radziwill Haus, Dangast, 1998, Nr. 74.

Von Erich Heckels Blumenbildern der frühen "Brücke"-Jahre ist nur wenig erhalten: zwei Gemälde-Rückseiten von 1906/07, die „Blühende Kresse“ von 1907 und die „Blaue Iris“ von 1908. Sie alle sind bestimmt von dem fleckigen Farbauftrag in energetischen Pinselhieben, der die Gemälde der "Brücke"-Künstler zu jener Zeit beherrschte, und der 1908 allmählich von größer zusammengefassten, kontrastierenden Farbflächen abgelöst wurde. Genau diese Entwicklungsstufe markiert das Gemälde „Blaue Iris“. Hier ist nicht mehr, wie in den anderen Fällen, die ganze Bildfläche mit Blättern und Blüten angefüllt. Pyramidenförmig erheben sich die Lilien in vorherrschenden Grün- und Blau-Tönen mit violetten Akzenten vom unteren Bildrand bis zum oberen, eingefasst von gelblichen und orangenen Flächen, die links eine Hauswand und rechts einen Weg erahnen lassen. Der blau gestrichene, nach außen geöffnete Fensterflügel verweist auf die norddeutsche Küstenregion. Das Bild entstand in Dangast, wo Heckel und Karl Schmidt-Rottluff im Vorjahr erstmals den Sommer verbracht hatten, und wo sie sich nun von April bis Anfang Oktober aufhielten. Hier standen nicht die Aktdarstellungen wie in den Dresdner Ateliers oder bei den Badeszenen an den Moritzburger Teichen im Vordergrund, sondern man konzentrierte sich fast vollständig auf die Landschaft, unter deren weitem Himmel die Farben als besonders klar und stark empfunden wurden. „Es ist unglaublich, wie stark man die Farben hier findet, eine Intensität, wie sie kein Pigment hat“, beschrieb Schmidt-Rottluff das Erlebnis (zit. nach: Gerhard Wietek, Schmidt-Rottluff in Hamburg und Schleswig-Holstein, Neumünster 1984, S. 59). Er eignete sich neue Gestaltungsweisen nur langsam und bedächtig an, weshalb 1908 relativ wenige Gemälde entstanden. Bei Heckel spricht Gerhard Wietek dagegen von seiner „fruchtbarsten Schaffensperiode“ mit „etwa hundert anscheinend mühelos hervorgebrachten Arbeiten“ (Gerhard Wietek, Schmidt-Rottluff. Oldenburger Jahre 1907-1912, Mainz 1995, S. 41). Die meisten der mindestens 44 Dangaster Gemälde Heckels von 1908 zeigen aufgelöste Flächen, in denen der Grund mitwirkt, wie es bei den gleichzeitigen Aquarellen der Fall ist. Er nutzte als erster von den "Brücke"-Künstlern die Möglichkeiten, die der Einsatz verdünnter Farben boten. Sie erlaubten ein rascheres, noch spontaneres Arbeiten und gewährleisteten gleichzeitig ein freskoartiges, stumpfes Auftrocknen, wie die Künstler es durch besonders saugende Grundierungen schon bei den pastos aufgetragenen Farben erstrebt hatten.

Die Blumenbilder und ihr besonderer Reiz
Neben den Landschaften waren es aber auch immer wieder Stillleben, an denen sich die Künstler erprobten. Und als Zwischenform - einerseits Landschaftsausschnitt, andererseits Blumenstillleben - kann man die Gartenbilder verstehen. Sie entstanden sowohl bei Heckel als auch bei Schmidt-Rottluff seit 1906 und mögen von den ähnlichen Motiven Emil Noldes angeregt worden sein, den man soeben zur Mitgliedschaft in der "Brücke" eingeladen hatte. Im Vergleich mit dem Gemälde „Blühende Kresse“ von 1907 zeigt sich, wie meisterlich Heckel die Pflanzen zu charakterisieren verstand. Bei der Kresse ist die gesamte Bildfläche mit Farbflecken fast gleicher Intensität gefüllt. Und doch glaubt man zu sehen, wie sich die lachsroten Blüten und hellgrünen Blätter an den zarten Stengeln der Rankenpflanze im leichten Winde schwankend bewegen. Die gemalte blaue Iris, auch Schwertlilie genannt, entwickelt mit den in leichter Biegung aufwärts weisenden blaugrünen Blattspitzen eine ganz eigene Dynamik. Dazwischen sitzen die typischen Iris-Blüten mit ihren drei hier dunkelblau bis violett gefärbten Hängeblättern und den drei helleren, fast weißen Domblättern um das satte Gelb-Orange der Staubgefäße. Im unteren Bereich sind die Blüten locker verteilt, oben drängen sie sich zu einer lichten Spitze des Blumenberges. Der Fensterflügel, der sich von links als Keil in diese Aufwärtsbewegung hineinschiebt, vermag sie doch nicht aufzuhalten, zumal sie von der perspektivischen Linie des Wegrandes in der rechten oberen Bildecke unterstützt wird. Die Farben, die in der Blumenpyramide reich und kleinteilig durchwirkt sind, finden in den sie umgebenden Flächen, die dem Motiv eine ruhige Folie entgegensetzen, ein diffiziles Echo. Das Bild ist eine Farbsinfonie von ausgesuchter Delikatesse.
Andreas Hüneke



323
Erich Heckel
Blaue Iris, 1908.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 1.045.000

(inkl. Käuferaufgeld)