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57
Hermann Max Pechstein
Fischerkutter, 1923.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 250.000 Ergebnis:
€ 475.000 (inklusive Aufgeld)
Fischerkutter. 1923.
Öl auf Leinwand.
Soika 1923/16. Rechts unten signiert und datiert sowie verso auf der Leinwand signiert und betitelt. 70,5 x 96 cm (27,7 x 37,7 in). [CH].
• Kompositorisch ausgewogene, expressive Ostsee-Szenerie in kraftvoller Farbigkeit und von musealer Qualität.
• Seit über 40 Jahren Teil einer deutschen Privatsammlung.
• Die Provenienz des Gemäldes ist Abbild der bewegten deutschen Geschichte.
• Vergleichbare Ansichten von Leba befinden sich u. a. in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin und im Stedelijk Museum, Amsterdam.
PROVENIENZ:
Reichsministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Berlin (als Leihgabe in der Städtischen Gemäldesammlung, Königsberg 1932-1937).
Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Berlin (EK-Nr. 10700, 1937 Beschlagnahme der Leihgabe).
Depot "international verwertbarer" Kunstwerke, Schloss Schönhausen, Berlin (ab 1939).
Galerie Karl Buchholz, Berlin (in Kommission, 1939-1941, 1941 Erwerb vom Vorgenannten).
Sammlung Hans H. Ranft, Oslo/Campione d'Italia (1941 vom Vorgenannten erworben, bis 1968). Sammlung Arnold A. Saltzmann, New York (1968-1980).
Galerie Thomas, München (verso auf dem Keilrahmen mit dem Galerieetikett). Privatsammlung Rheinland (1980 vom Vorgenannten erworben).
Seitdem in Familienbesitz.
Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen.
AUSSTELLUNG:
Erste allgemeine deutsche Kunstausstellung, Staatliches Historisches Museum, Moskau, ab 18.10.1924, Saratow, Dezember 1924 bis März 1925, Leningrad, Mai bis Juli 1925, Kat.-Nr. 316 (mit dem Titel "Am Meeresufer", m. SW-Abb.).
Die ersten 15 Jahre. Jubiläumsausstellung, Galerie Thomas, München, 7.2.-27.3.1980, Kat.-Nr. 170 (m. Farbabb.).
LITERATUR:
www.geschkult.fu-berlin.de/e/db_entart_kunst/datenbank (EK-Nr.: 10700).
Alfred Rohde, Kunstsammlungen der Stadt Königsberg Pr. Führer durch die Schausammlungen, II. Teil, Gemäldekatalog, Königsberg 1934, Kat.-Nr. 231 (m. SW-Abb., Tafel 37).
Aya Soika, Max Pechstein. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, Bd. II, München 2011, S. 305, Kat.-Nr. 1923/16 (m. Abb.).
Anja Tiedemann, Die "entartete" Moderne und ihr amerikanischer Markt. Karl Buchholz und Curt Valentin als Händler verfemter Kunst, Schriften der Forschungsstelle "Entartete Kunst", Band IV, Berlin 2013, S. 325, 398.
Andreas Hüneke, Einzug der modernen Kunst in Königsberg und die Beschlagnahme 1937, in: "Entartete Kunst" in Breslau, Stettin und Königsberg, Paderborn 2021, S. 128-142, hier S. 138, 141.
"Habe mich in die Malerei vertieft, und erkannt, daß sie und nur sie, inbrünstig geliebt, einem Alles geben kann. Wenn man bloß nicht gezwungen wäre, die Arbeiten gegen Geld einzutauschen, um zu leben."
Hermann Max Pechstein in einem Brief an Irma Stern, 17. Mai 1924, zit. nach: Aya Soika, Max Pechstein (Werkverzeichnis), Bd. II, S. 14.
Öl auf Leinwand.
Soika 1923/16. Rechts unten signiert und datiert sowie verso auf der Leinwand signiert und betitelt. 70,5 x 96 cm (27,7 x 37,7 in). [CH].
• Kompositorisch ausgewogene, expressive Ostsee-Szenerie in kraftvoller Farbigkeit und von musealer Qualität.
• Seit über 40 Jahren Teil einer deutschen Privatsammlung.
• Die Provenienz des Gemäldes ist Abbild der bewegten deutschen Geschichte.
• Vergleichbare Ansichten von Leba befinden sich u. a. in der Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin und im Stedelijk Museum, Amsterdam.
PROVENIENZ:
Reichsministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Berlin (als Leihgabe in der Städtischen Gemäldesammlung, Königsberg 1932-1937).
Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Berlin (EK-Nr. 10700, 1937 Beschlagnahme der Leihgabe).
Depot "international verwertbarer" Kunstwerke, Schloss Schönhausen, Berlin (ab 1939).
Galerie Karl Buchholz, Berlin (in Kommission, 1939-1941, 1941 Erwerb vom Vorgenannten).
Sammlung Hans H. Ranft, Oslo/Campione d'Italia (1941 vom Vorgenannten erworben, bis 1968). Sammlung Arnold A. Saltzmann, New York (1968-1980).
Galerie Thomas, München (verso auf dem Keilrahmen mit dem Galerieetikett). Privatsammlung Rheinland (1980 vom Vorgenannten erworben).
Seitdem in Familienbesitz.
Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen.
AUSSTELLUNG:
Erste allgemeine deutsche Kunstausstellung, Staatliches Historisches Museum, Moskau, ab 18.10.1924, Saratow, Dezember 1924 bis März 1925, Leningrad, Mai bis Juli 1925, Kat.-Nr. 316 (mit dem Titel "Am Meeresufer", m. SW-Abb.).
Die ersten 15 Jahre. Jubiläumsausstellung, Galerie Thomas, München, 7.2.-27.3.1980, Kat.-Nr. 170 (m. Farbabb.).
LITERATUR:
www.geschkult.fu-berlin.de/e/db_entart_kunst/datenbank (EK-Nr.: 10700).
Alfred Rohde, Kunstsammlungen der Stadt Königsberg Pr. Führer durch die Schausammlungen, II. Teil, Gemäldekatalog, Königsberg 1934, Kat.-Nr. 231 (m. SW-Abb., Tafel 37).
Aya Soika, Max Pechstein. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, Bd. II, München 2011, S. 305, Kat.-Nr. 1923/16 (m. Abb.).
Anja Tiedemann, Die "entartete" Moderne und ihr amerikanischer Markt. Karl Buchholz und Curt Valentin als Händler verfemter Kunst, Schriften der Forschungsstelle "Entartete Kunst", Band IV, Berlin 2013, S. 325, 398.
Andreas Hüneke, Einzug der modernen Kunst in Königsberg und die Beschlagnahme 1937, in: "Entartete Kunst" in Breslau, Stettin und Königsberg, Paderborn 2021, S. 128-142, hier S. 138, 141.
"Habe mich in die Malerei vertieft, und erkannt, daß sie und nur sie, inbrünstig geliebt, einem Alles geben kann. Wenn man bloß nicht gezwungen wäre, die Arbeiten gegen Geld einzutauschen, um zu leben."
Hermann Max Pechstein in einem Brief an Irma Stern, 17. Mai 1924, zit. nach: Aya Soika, Max Pechstein (Werkverzeichnis), Bd. II, S. 14.
Mittelmeer, Pazifik, Nord- und Ostsee. Pechsteins enge Verbundenheit zur See
Obwohl auch E. L. Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und andere "Brücke"-Künstler Inspirationen aus Aufenthalten an der Nord- und insbesondere an der Ostsee ziehen, ist Hermann Max Pechsteins gesamtes künstlerisches Schaffen ganz besonders eng mit der See und dem maritimen Leben verbunden. Zeit seines Lebens verbringt er vor allem die Sommermonate am Meer. Unter anderem besucht Pechstein Dangast am Jadebusen an der Nordsee (1910), den mittelalterlichen Fischerort Monterosso al Mare an der ligurischen Küste in Italien (1913, 1924), die pazifische Inselgruppe Palau in der Südsee (1914), in späteren Jahren die Ostseeinsel Usedom (1949), die Kieler Bucht (1952) sowie die Nordseeinsel Amrum, das Fischerdörfchen Nidden an der Kurischen Nehrung und das Ostseebad Rowe. 1909 reist Pechstein zum ersten Mal an die Ostsee und lernt dort das einfache Leben der Fischer kennen. Fortan erhebt er die noch sehr ursprüngliche dortige Küstenlandschaft zum Hauptmotiv seiner Arbeiten. Die von Touristen und Badegästen noch nicht überlaufende Natur mit den beeindruckenden Gezeiten, dem Rhythmus und Rauschen des Meeres, den oftmals stürmischen, rauen Winden, der schier endlosen Weite des Horizonts und den sanft gewölbten Wanderdünen empfindet der Maler als Kraft spendend. Seine tief empfundenen Eindrücke hält der Künstler 1920 u. a. in dem Gemäldezyklus "Fischerleben" fest, der heute größtenteils als verschollen gilt.
Im selben Jahr enden die Aufenthalte in Nidden jedoch vorerst, nachdem der kleine Ort in Ostpreußen nach dem Versailler Vertrag unter die Verwaltung des neu gegründeten Völkerbunds an Litauen gefallen ist. Auf die jeweils mehrmonatigen Aufenthalte an seiner geliebten Ostsee kann der Künstler jedoch nicht verzichten und so wählt er im darauffolgenden Jahr das Küstenstädtchen Leba im damaligen Pommern als neues Sommerdomizil, gar zweites Zuhause, in das er bis 1945 regelmäßig zurückkehren wird. In seinen "Erinnerungen" schreibt der Künstler rückblickend über Leba: "Im April 1921 machte ich mich allein, nur mit dem nötigsten Material im Rucksack, auf die Suche. Ich hatte der Karte nach in Ostpommern eine ähnliche Nehrung zwischen dem Leba-See und der Ostsee ausfindig gemacht. [..] Ich lernte diese Küste nicht nur schätzen, sondern auch lieben. [..] Alles, was ich sah und um mich erlebte, wurde unerbittlich festgehalten und wie die erbeuteten Forellen, Lachse, Hechte und Aale nach Hause getragen. Ich erhielt dadurch eine Sicherheit, die mich nicht versinken ließ in dem Zusammenbruch nach dem Kriege." (Max Pechstein, Erinnerungen, Stuttgart 1993, S. 107f.).
Pechsteins Paradies am Leba-Strom
Das Örtchen Leba befindet sich auf einer schmalen, nahezu inselähnlichen Nehrung zwischen Leba- und Sarbsko-See und dem offenen Meer. Es ist schon zu Pechsteins Zeiten ein beliebter und dennoch nicht zu überlaufener kleiner Badeort, umgeben von einer noch recht ursprünglichen, eigenwilligen Dünenlandschaft mit einer gewaltigen Wanderdüne. Hier findet der Künstler den so sehnlich gesuchten Rückzugsort, sein persönliches Paradies fern der allzu lauten, hektischen und anonymen Großstadt Berlin: "Daß mich aber die Stadt bedrückt, und gelegentlich auch lähmt, will ich gern zugeben, ich brauche Luft, Himmel, weiten Blick um mich." (Pechstein in einem Brief an Walter Minnich, wohl März 1922, zit. nach: Ausst.-Kat. Hamburg 2017, S. 149).
Das hier angebotene Gemälde entsteht während eines weiteren Leba-Aufenthalts im Jahre 1923. Bereits im Frühjahr reist der Künstler für einige Wochen nach Leba, hält es dann offenbar nur für kurze Zeit in Berlin aus, kehrt Ende Juli zurück an die geliebte Ostsee und bleibt gleich für mehrere Monate. Im September heiratet er dort nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau Lotte in zweiter Ehe Marta Möller, die er bei einem früheren Aufenthalt zwei Jahre zuvor kennenlernt.
Fischerkutter, Himmel und Haff
Seine Ostsee-Aufenthalte lassen Pechstein nicht nur Badeszenen, das harte Arbeitsleben der ansässigen Fischer, Küstenlandschaften, Strandimpressionen, stimmungsvolle Wetterphänomene, Wolkenformationen, wechselnde Lichtstimmungen, Sonnenuntergänge und beeindruckende Meeresstücke auf die Leinwand bannen, sondern auch atmosphärische Kompositionen anlegender Schiffe und bewegte Darstellungen von Fischkuttern, Segelschiffen, Kähnen und Ruderbooten auf hoher See. Mit beeindruckender Fachkenntnis widmet sich der Künstler während dieser Aufenthalte einer auffällig hohen Anzahl an Schiffsdarstellungen. Trotz der künstlerischen Reduktion und Vereinfachung lassen die Werke vom Fischerboot bis zum Ozeandampfer die Charakteristiken des jeweiligen Schiffstypus erkennen. Pechsteins auf Reisen gesammeltes maritimes Wissen fließt in diese Darstellungen mit ein. Schon auf Palau in der Südsee besitzt der Künstler ein Kanu, und auch in Deutschland schafft er sich bald ein eigenes Segelboot an. In unserem Gemälde sind die für diese Region an der Ostsee charakteristischen, je nach Größe sogenannten Kuren- oder Keitelkähne mit ihren hoch aufragenden, bereits für die nächste Ausfahrt in den frühen Morgenstunden gesetzten, verschiedenfarbigen Segeln das dominierende Bildmotiv. Aneinandergereiht führen sie den Blick zusammen mit der deutlichen Diagonale der Uferpromenade in die Tiefe des Bildes. Pechstein folgt einer klaren Komposition, mit der er die Bildfläche in Himmel, Ufer und Haff unterteilt. Die klaren Kanten und Formen der Segel und der Häuserzeile werden durch die asymmetrische Form des malerisch in Szene gesetzten Laubbaumes und die dynamische Pinselführung aufgebrochen. Die am Horizont versiegende Helligkeit deutet auf das baldige Ende eines sicher arbeitsreichen Tages hin und die glatte Wasseroberfläche nutzt Pechstein raffiniert für die Spiegelung des Himmels und der Segel der wartenden Fischkutter.
Die Schaffensphase nach der künstlerischen Wiedergeburt
Die frühen 1920er Jahre kennzeichnen eine recht außergewöhnliche und sehr fruchtbare Schaffensphase, in der Pechstein mit ausdrucksstarker, warmtoniger Farbpalette die Umgebung seiner Wahlheimat auf die Leinwand bannt und so eine gewisse chromatische Ähnlichkeit zu den vielbeachteten Südsee-Bildern von 1914 schafft. Den kräftigen, erdigen Farben – dem hellen Abendrot, in dem er die Häuser erstrahlen lässt, dem tiefdunklen Violett und den warmen Brauntönen – setzt Pechstein in unserer Arbeit eine Farbpalette verschiedener, ebenso kräftiger Grün- und Blautöne entgegen und arbeitet in der Mitte des Bildes – seiner Vorliebe für die Grundfarben entsprechend – auch einige sonnig-gelbe Farbakzente ein. Es entsteht ein sowohl kompositorisch als auch farblich äußerst ausgewogenes, harmonisches Bild, das sicherlich als besonders gelungenes Beispiel dieser Schaffensjahre nach dem Ersten Weltkrieg gelten kann. Mit seinem zugleich flächigen und doch detailreichen Malstil und den auch hier verwendeten kräftigen Farben bringt Pechstein sein intensives Naturerleben wie auch seine inneren Empfindungen zum Ausdruck und gelangt so zu einer ganz eigenen, sehr persönlichen expressionistischen Bildsprache.
Den von Bäumen gesäumten Mühlengraben und über ihn hinüberführende Brücken hält Pechstein zu Beginn der 1920er Jahre auch in weiteren Arbeiten fest. Aus unserem hier gezeigten Blickwinkel malt Pechstein die Hafenansicht im Winter des Vorjahres sogar bereits einmal schneebedeckt – hier erstrahlt sie jedoch in einer eindrucksvollen, harmonisch-ausgewogenen, einzigartigen Farbenpracht.
Wie das hier angebotene Gemälde dokumentieren die Werke aus den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren in Pechsteins Œuvre eine Art künstlerische Wiedergeburt und beweisen seine seelische Überwindung der traumatischen Erlebnisse des Krieges. Insbesondere in den Landschaftsdarstellungen während seiner Ostsee-Aufenthalte in der 1920er Jahren erreicht der Künstler eine solch harmonische, starke Einheit von Form, Inhalt und Kolorit, mit der er ohne dramatische Überzeichnung seine tiefe Verbindung zur Natur und zu dem einfachen Leben an der See meisterhaft zur Anschauung bringt (vgl. Ausst.-Kat. Max Pechstein im Brücke-Museum, München 2001, S. 19).
Ein Bild mit wechselvoller Geschichte
Bereits kurz nach seiner Entstehung wird unser Gemälde "Fischerkutter" 1924/25 in der ersten allgemeinen deutschen Kunstausstellung neben Arbeiten von Albert Birkle, Otto Dix, Conrad Felixmüller, George Grosz, Hannah Höch, Heinrich Hoerle, Käthe Kollwitz, Rudolf Schlichter u. a. im Staatlichen Historischen Museum in Moskau, später dann in Saratow und in Sankt Petersburg (damals Leningrad) der internationalen Öffentlichkeit präsentiert.
Die 1930er Jahre verändern aufgrund der Machtergreifung Hitlers und der Nationalsozialisten nicht nur Pechsteins Lebenssituation, sondern auch die künftige Biografie des Gemäldes "Fischerkutter" nachhaltig. Pechstein ist in diesen Jahren zwar hin und wieder an einzelnen Ausstellungen beteiligt, doch im Zuge der Ächtung und Verfemung durch das nationalsozialistische Regime verkauft er nur noch sehr wenige Werke und hält sich im Großen und Ganzen mit der finanziellen Unterstützung amerikanischer Freunde über Wasser. 1934 schreibt der Künstler an einen Freund: "Viele meiner Kollegen sind nach Amerika ausgewandert und drängen mich, ein Gleiches zu thun, doch kann ich mich nicht trennen von der Landschaft Pommerns und deren einfachen Bewohnern, der Aufenthalt und die Arbeit an den Gewässern und in den Wäldern da oben sind für mich ein Jungbrunnen […]" (Pechstein an seinen Freund Dr. Walter Minnich, 1934, zit. nach: Ausst.-Kat. Max Pechstein im Brücke-Museum, München 2001, S. 19). Berlin kehrt der Künstler in diesen und den darauffolgenden Jahren so oft wie möglich den Rücken, ihn zieht es mehr und mehr in sein abgeschiedenes Paradies Leba an der Ostsee, wo 1923 auch das Werk "Fischerkutter" entstanden ist. 1937 zwingt man ihn zum Austritt aus der Akademie der Künste und die Nationalsozialisten beschlagnahmen rund 330 seiner Arbeiten aus deutschen Museen, u. a. auch das hier angebotene Gemälde, das bis dahin Teil der Kunstsammlung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Berlin und seit 1932 als Leihgabe in der Städtischen Gemäldesammlung in Königsberg ausgestellt gewesen war. Sechs weitere beschlagnahmte Gemälde werden in der Propaganda-Ausstellung "Entartete Kunst" in München gezeigt. "Fischerkutter" befindet sich bis 1939 im Depot des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda in Berlin (unter der Leitung von Propagandaminister Joseph Goebbels), bevor das Gemälde zur Lagerung in das Depot "international verwertbarer" Kunstwerke in das Berliner Schloss Schönhausen gelangt. In noch heute erhaltenen, im Bundesarchiv in Berlin aufbewahrten Akten der Galerie Buchholz ist die weitere Reise des Gemäldes dokumentiert. Im Zuge der von den Nationalsozialisten in Auftrag gegebenen "Verwertung" der beschlagnahmten, "entarteten" Kunstwerke verkauft es der von den Nationalsozialisten als Kommissionär eingesetzte Kunsthändler Karl Buchholz zusammen mit weiteren Arbeiten von Max Pechstein sowie einigen Werken Karl Schmidt-Rottluffs und Karl Hofers 1941 an den zu diesem Zeitpunkt in Norwegen lebenden schweizerischen Uhrenhändler Hans H. Ranft, den es nach dem Krieg zusammen mit seiner Kunstsammlung nach Italien verschlägt. In den späten 1960er Jahren gelangt das Gemälde in die Sammlung des amerikanischen Diplomaten, Geschäftsmanns und Kunstsammlers Arnold A. Saltzmann in New York, bevor unser Gemälde "Fischerkutter" in den 1980er Jahren nach der beschriebenen europäisch-amerikanischen Reise schließlich in seine Heimat Deutschland zurückkehrt und Eingang in eine rheinische Privatsammlung findet. Während die warmtonige, idyllische Darstellung der in den Abendstunden friedlich am Wasser liegenden Fischkutter Pechsteins persönliches Eldorado an seiner geliebten Ostsee verbildlicht, beschreibt die zunächst unsichtbare, bewegte Geschichte des Gemäldes exemplarisch und sehr eindrücklich die kulturpolitische Situation Deutschlands und das Schicksal der Werke eines als "entartet" diffamierten Künstlers in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. [CH]
Obwohl auch E. L. Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und andere "Brücke"-Künstler Inspirationen aus Aufenthalten an der Nord- und insbesondere an der Ostsee ziehen, ist Hermann Max Pechsteins gesamtes künstlerisches Schaffen ganz besonders eng mit der See und dem maritimen Leben verbunden. Zeit seines Lebens verbringt er vor allem die Sommermonate am Meer. Unter anderem besucht Pechstein Dangast am Jadebusen an der Nordsee (1910), den mittelalterlichen Fischerort Monterosso al Mare an der ligurischen Küste in Italien (1913, 1924), die pazifische Inselgruppe Palau in der Südsee (1914), in späteren Jahren die Ostseeinsel Usedom (1949), die Kieler Bucht (1952) sowie die Nordseeinsel Amrum, das Fischerdörfchen Nidden an der Kurischen Nehrung und das Ostseebad Rowe. 1909 reist Pechstein zum ersten Mal an die Ostsee und lernt dort das einfache Leben der Fischer kennen. Fortan erhebt er die noch sehr ursprüngliche dortige Küstenlandschaft zum Hauptmotiv seiner Arbeiten. Die von Touristen und Badegästen noch nicht überlaufende Natur mit den beeindruckenden Gezeiten, dem Rhythmus und Rauschen des Meeres, den oftmals stürmischen, rauen Winden, der schier endlosen Weite des Horizonts und den sanft gewölbten Wanderdünen empfindet der Maler als Kraft spendend. Seine tief empfundenen Eindrücke hält der Künstler 1920 u. a. in dem Gemäldezyklus "Fischerleben" fest, der heute größtenteils als verschollen gilt.
Im selben Jahr enden die Aufenthalte in Nidden jedoch vorerst, nachdem der kleine Ort in Ostpreußen nach dem Versailler Vertrag unter die Verwaltung des neu gegründeten Völkerbunds an Litauen gefallen ist. Auf die jeweils mehrmonatigen Aufenthalte an seiner geliebten Ostsee kann der Künstler jedoch nicht verzichten und so wählt er im darauffolgenden Jahr das Küstenstädtchen Leba im damaligen Pommern als neues Sommerdomizil, gar zweites Zuhause, in das er bis 1945 regelmäßig zurückkehren wird. In seinen "Erinnerungen" schreibt der Künstler rückblickend über Leba: "Im April 1921 machte ich mich allein, nur mit dem nötigsten Material im Rucksack, auf die Suche. Ich hatte der Karte nach in Ostpommern eine ähnliche Nehrung zwischen dem Leba-See und der Ostsee ausfindig gemacht. [..] Ich lernte diese Küste nicht nur schätzen, sondern auch lieben. [..] Alles, was ich sah und um mich erlebte, wurde unerbittlich festgehalten und wie die erbeuteten Forellen, Lachse, Hechte und Aale nach Hause getragen. Ich erhielt dadurch eine Sicherheit, die mich nicht versinken ließ in dem Zusammenbruch nach dem Kriege." (Max Pechstein, Erinnerungen, Stuttgart 1993, S. 107f.).
Pechsteins Paradies am Leba-Strom
Das Örtchen Leba befindet sich auf einer schmalen, nahezu inselähnlichen Nehrung zwischen Leba- und Sarbsko-See und dem offenen Meer. Es ist schon zu Pechsteins Zeiten ein beliebter und dennoch nicht zu überlaufener kleiner Badeort, umgeben von einer noch recht ursprünglichen, eigenwilligen Dünenlandschaft mit einer gewaltigen Wanderdüne. Hier findet der Künstler den so sehnlich gesuchten Rückzugsort, sein persönliches Paradies fern der allzu lauten, hektischen und anonymen Großstadt Berlin: "Daß mich aber die Stadt bedrückt, und gelegentlich auch lähmt, will ich gern zugeben, ich brauche Luft, Himmel, weiten Blick um mich." (Pechstein in einem Brief an Walter Minnich, wohl März 1922, zit. nach: Ausst.-Kat. Hamburg 2017, S. 149).
Das hier angebotene Gemälde entsteht während eines weiteren Leba-Aufenthalts im Jahre 1923. Bereits im Frühjahr reist der Künstler für einige Wochen nach Leba, hält es dann offenbar nur für kurze Zeit in Berlin aus, kehrt Ende Juli zurück an die geliebte Ostsee und bleibt gleich für mehrere Monate. Im September heiratet er dort nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau Lotte in zweiter Ehe Marta Möller, die er bei einem früheren Aufenthalt zwei Jahre zuvor kennenlernt.
Fischerkutter, Himmel und Haff
Seine Ostsee-Aufenthalte lassen Pechstein nicht nur Badeszenen, das harte Arbeitsleben der ansässigen Fischer, Küstenlandschaften, Strandimpressionen, stimmungsvolle Wetterphänomene, Wolkenformationen, wechselnde Lichtstimmungen, Sonnenuntergänge und beeindruckende Meeresstücke auf die Leinwand bannen, sondern auch atmosphärische Kompositionen anlegender Schiffe und bewegte Darstellungen von Fischkuttern, Segelschiffen, Kähnen und Ruderbooten auf hoher See. Mit beeindruckender Fachkenntnis widmet sich der Künstler während dieser Aufenthalte einer auffällig hohen Anzahl an Schiffsdarstellungen. Trotz der künstlerischen Reduktion und Vereinfachung lassen die Werke vom Fischerboot bis zum Ozeandampfer die Charakteristiken des jeweiligen Schiffstypus erkennen. Pechsteins auf Reisen gesammeltes maritimes Wissen fließt in diese Darstellungen mit ein. Schon auf Palau in der Südsee besitzt der Künstler ein Kanu, und auch in Deutschland schafft er sich bald ein eigenes Segelboot an. In unserem Gemälde sind die für diese Region an der Ostsee charakteristischen, je nach Größe sogenannten Kuren- oder Keitelkähne mit ihren hoch aufragenden, bereits für die nächste Ausfahrt in den frühen Morgenstunden gesetzten, verschiedenfarbigen Segeln das dominierende Bildmotiv. Aneinandergereiht führen sie den Blick zusammen mit der deutlichen Diagonale der Uferpromenade in die Tiefe des Bildes. Pechstein folgt einer klaren Komposition, mit der er die Bildfläche in Himmel, Ufer und Haff unterteilt. Die klaren Kanten und Formen der Segel und der Häuserzeile werden durch die asymmetrische Form des malerisch in Szene gesetzten Laubbaumes und die dynamische Pinselführung aufgebrochen. Die am Horizont versiegende Helligkeit deutet auf das baldige Ende eines sicher arbeitsreichen Tages hin und die glatte Wasseroberfläche nutzt Pechstein raffiniert für die Spiegelung des Himmels und der Segel der wartenden Fischkutter.
Die Schaffensphase nach der künstlerischen Wiedergeburt
Die frühen 1920er Jahre kennzeichnen eine recht außergewöhnliche und sehr fruchtbare Schaffensphase, in der Pechstein mit ausdrucksstarker, warmtoniger Farbpalette die Umgebung seiner Wahlheimat auf die Leinwand bannt und so eine gewisse chromatische Ähnlichkeit zu den vielbeachteten Südsee-Bildern von 1914 schafft. Den kräftigen, erdigen Farben – dem hellen Abendrot, in dem er die Häuser erstrahlen lässt, dem tiefdunklen Violett und den warmen Brauntönen – setzt Pechstein in unserer Arbeit eine Farbpalette verschiedener, ebenso kräftiger Grün- und Blautöne entgegen und arbeitet in der Mitte des Bildes – seiner Vorliebe für die Grundfarben entsprechend – auch einige sonnig-gelbe Farbakzente ein. Es entsteht ein sowohl kompositorisch als auch farblich äußerst ausgewogenes, harmonisches Bild, das sicherlich als besonders gelungenes Beispiel dieser Schaffensjahre nach dem Ersten Weltkrieg gelten kann. Mit seinem zugleich flächigen und doch detailreichen Malstil und den auch hier verwendeten kräftigen Farben bringt Pechstein sein intensives Naturerleben wie auch seine inneren Empfindungen zum Ausdruck und gelangt so zu einer ganz eigenen, sehr persönlichen expressionistischen Bildsprache.
Den von Bäumen gesäumten Mühlengraben und über ihn hinüberführende Brücken hält Pechstein zu Beginn der 1920er Jahre auch in weiteren Arbeiten fest. Aus unserem hier gezeigten Blickwinkel malt Pechstein die Hafenansicht im Winter des Vorjahres sogar bereits einmal schneebedeckt – hier erstrahlt sie jedoch in einer eindrucksvollen, harmonisch-ausgewogenen, einzigartigen Farbenpracht.
Wie das hier angebotene Gemälde dokumentieren die Werke aus den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren in Pechsteins Œuvre eine Art künstlerische Wiedergeburt und beweisen seine seelische Überwindung der traumatischen Erlebnisse des Krieges. Insbesondere in den Landschaftsdarstellungen während seiner Ostsee-Aufenthalte in der 1920er Jahren erreicht der Künstler eine solch harmonische, starke Einheit von Form, Inhalt und Kolorit, mit der er ohne dramatische Überzeichnung seine tiefe Verbindung zur Natur und zu dem einfachen Leben an der See meisterhaft zur Anschauung bringt (vgl. Ausst.-Kat. Max Pechstein im Brücke-Museum, München 2001, S. 19).
Ein Bild mit wechselvoller Geschichte
Bereits kurz nach seiner Entstehung wird unser Gemälde "Fischerkutter" 1924/25 in der ersten allgemeinen deutschen Kunstausstellung neben Arbeiten von Albert Birkle, Otto Dix, Conrad Felixmüller, George Grosz, Hannah Höch, Heinrich Hoerle, Käthe Kollwitz, Rudolf Schlichter u. a. im Staatlichen Historischen Museum in Moskau, später dann in Saratow und in Sankt Petersburg (damals Leningrad) der internationalen Öffentlichkeit präsentiert.
Die 1930er Jahre verändern aufgrund der Machtergreifung Hitlers und der Nationalsozialisten nicht nur Pechsteins Lebenssituation, sondern auch die künftige Biografie des Gemäldes "Fischerkutter" nachhaltig. Pechstein ist in diesen Jahren zwar hin und wieder an einzelnen Ausstellungen beteiligt, doch im Zuge der Ächtung und Verfemung durch das nationalsozialistische Regime verkauft er nur noch sehr wenige Werke und hält sich im Großen und Ganzen mit der finanziellen Unterstützung amerikanischer Freunde über Wasser. 1934 schreibt der Künstler an einen Freund: "Viele meiner Kollegen sind nach Amerika ausgewandert und drängen mich, ein Gleiches zu thun, doch kann ich mich nicht trennen von der Landschaft Pommerns und deren einfachen Bewohnern, der Aufenthalt und die Arbeit an den Gewässern und in den Wäldern da oben sind für mich ein Jungbrunnen […]" (Pechstein an seinen Freund Dr. Walter Minnich, 1934, zit. nach: Ausst.-Kat. Max Pechstein im Brücke-Museum, München 2001, S. 19). Berlin kehrt der Künstler in diesen und den darauffolgenden Jahren so oft wie möglich den Rücken, ihn zieht es mehr und mehr in sein abgeschiedenes Paradies Leba an der Ostsee, wo 1923 auch das Werk "Fischerkutter" entstanden ist. 1937 zwingt man ihn zum Austritt aus der Akademie der Künste und die Nationalsozialisten beschlagnahmen rund 330 seiner Arbeiten aus deutschen Museen, u. a. auch das hier angebotene Gemälde, das bis dahin Teil der Kunstsammlung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Berlin und seit 1932 als Leihgabe in der Städtischen Gemäldesammlung in Königsberg ausgestellt gewesen war. Sechs weitere beschlagnahmte Gemälde werden in der Propaganda-Ausstellung "Entartete Kunst" in München gezeigt. "Fischerkutter" befindet sich bis 1939 im Depot des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda in Berlin (unter der Leitung von Propagandaminister Joseph Goebbels), bevor das Gemälde zur Lagerung in das Depot "international verwertbarer" Kunstwerke in das Berliner Schloss Schönhausen gelangt. In noch heute erhaltenen, im Bundesarchiv in Berlin aufbewahrten Akten der Galerie Buchholz ist die weitere Reise des Gemäldes dokumentiert. Im Zuge der von den Nationalsozialisten in Auftrag gegebenen "Verwertung" der beschlagnahmten, "entarteten" Kunstwerke verkauft es der von den Nationalsozialisten als Kommissionär eingesetzte Kunsthändler Karl Buchholz zusammen mit weiteren Arbeiten von Max Pechstein sowie einigen Werken Karl Schmidt-Rottluffs und Karl Hofers 1941 an den zu diesem Zeitpunkt in Norwegen lebenden schweizerischen Uhrenhändler Hans H. Ranft, den es nach dem Krieg zusammen mit seiner Kunstsammlung nach Italien verschlägt. In den späten 1960er Jahren gelangt das Gemälde in die Sammlung des amerikanischen Diplomaten, Geschäftsmanns und Kunstsammlers Arnold A. Saltzmann in New York, bevor unser Gemälde "Fischerkutter" in den 1980er Jahren nach der beschriebenen europäisch-amerikanischen Reise schließlich in seine Heimat Deutschland zurückkehrt und Eingang in eine rheinische Privatsammlung findet. Während die warmtonige, idyllische Darstellung der in den Abendstunden friedlich am Wasser liegenden Fischkutter Pechsteins persönliches Eldorado an seiner geliebten Ostsee verbildlicht, beschreibt die zunächst unsichtbare, bewegte Geschichte des Gemäldes exemplarisch und sehr eindrücklich die kulturpolitische Situation Deutschlands und das Schicksal der Werke eines als "entartet" diffamierten Künstlers in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. [CH]
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