Auktion: 545 / Evening Sale am 08.12.2023 in München Lot 44


44
Franz Marc
Blaue Kuh, 1913/14.
Tempera
Schätzpreis: € 400.000 - 600.000
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Blaue Kuh. 1913/14.
Tempera.
Verso von Maria Marc bezeichnet "Nachlaß Franz Marc bestätigt Maria Marc Blaue Kuh 1913". Auf feinem Zeichenpapier. 16,2 x 15,3 cm (6,3 x 6 in), Blattgröße.
Franz Marc hat diese Tempera ursprünglich in einem seiner Skizzenbücher (Skizzenbuch Nr. 30) ausgeführt, wo sie vom Nachlass herausgelöst und – wie große Teile des Nachlasses – über die Galerie Otto Stangel veräußert wurde. [JS].

• "Blaue Kuh": museale Qualität aus der Zeit des "Blauen Reiter".
• Charakteristische Tiermotivik aus der besten Schaffenszeit.
• Bedrohte Harmonie aus Tier- und Pflanzenwelt in stark abstrahierter Formensprache und expressionistisch-befreiter Farbigkeit.
• Bedeutende Ausstellungshistorie: 1927 in der Marc-Ausstellung der Galerie Neue Kunst Fides, Dresden, sowie 1936 in der Franz Marc Gedächtnisausstellung der Kestner-Gesellschaft, Hannover.
• Seit fast 40 Jahren Teil einer deutschen Privatsammlung
.

PROVENIENZ: Maria Marc, Ried (aus dem Nachlass des Künstlers).
Galerie Otto Stangl, München (Marc-Nachlass Nr. 209).
Professor Gustav Stein, Düsseldorf (1956).
Wolfgang Wittrock Kunsthandel, Düsseldorf.
Privatsamnlung Deutschland (um 1984 beim Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Franz Marc. Aquarelle, Zeichnungen, Graphik, Galerie neue Kunst Fides, Dresden 1927, Kat.-Nr. 17.
Kunsthaus Zürich, 13.1.-10.2.1935, Kat.-Nr. 149.
Kunstmuseum Basel, 1935 (o. Kat.).
Franz Marc, Gedächtnis-Ausstellung der Galerie Nierendorf, Berlin 1936, Kat.Nr. 48.
Franz Marc Gedächtnisausstellung, Kestner-Gesellschaft, Hannover, 1936, Kat.-Nr. 106.
Kandinsky and his Friends. Centenary Exhibition, Marlborough Fine Art, London 1966, Kat.-Nr. 97 (m. Abb., hier unter dem Titel "Kuh").
Der Blaue Reiter und sein Kreis, Leonhard Hutton Galleries, New York 1977, Kat.-Nr. 54 (Abb. S. 24).
Franz Marc 1880-1916.Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Graphik, Kunsthandel Wolfgang Wittrock, Düsseldorf 1984, Kat.-Nr. 53 (Abb. S. 44).

LITERATUR: Annegret Hoberg/Isabelle Jansen, Franz Marc. Werkverzeichis. Bd. III Skizzenbücher und Druckgraphik, München 2011, WVZ-S. 265 (m. Abb.).
Klaus Lankheit, Franz Marc. Katalog der Werke, Köln 1970, WVZ-Nr. 666 (m. SW-Abb.).
Christie, Manson & Woods, New York, November 1981, Los 340 (Abb. S. 41).

Aufrufzeit: 08.12.2023 - ca. 18.26 h +/- 20 Min.

Franz Marc ist ein Mythos: seine tragische Biografie, seine außerordentliche künstlerische Begabung, sein visionärer Geist und sein viel zu früher Tod im Ersten Weltkrieg. Marc stirbt 1916 mit gerade 36 Jahren bei Verdun, aber seine herausragende Bedeutung für die Kunst des "Blauen Reiters" und des deutschen Expressionismus ist zu diesem Zeitpunkt bereits festgeschrieben. Als besonders progressiv und charakteristisch gilt das Motiv der blauen sowie gelben oder grünen Pferde im künstlerischen Schaffen Franz Marcs, als dessen bekannteste Umsetzung sein bis heute verschollenes, legendenumwobenes Gemälde "Der Turm der Blauen Pferde" aus dem Jahr 1913 wie auch "Blaues Pferd I" (Lenbachhaus, München) aus dem Jahr 1911 gilt. Es ist in besonderer Weise exemplarisch für Marcs mutige Überwindung der Gegenstandsfarbe hin zu einer expressionistischen Ausdrucksfarbe, die dem Gegenstand vollkommen frei zugeordnet werden kann und allein vom künstlerischen Ausdruckswillen abhängig ist. Für diesen progressiven Schritt, der Marc einen festen Platz in der Kunstgeschichte der Moderne einbringen sollte, sind ebenso seine berühmten farbigen Kühe exemplarisch, wie das Gemälde "Gelbe Kuh" (1911, Solomon R. Guggenheim Museum, New York) oder "Kühe, rot, grün, gelb" (1911, Lenbachhaus, München), welche das Tier in einer zwar farbig befreiten, jedoch formal noch gegenständlich aufgefassten Landschaftsszenerie zeigen.

Marcs berühmte Tierkompositionen gelten als Höhepunkte des Expressionimsus. Bis 1913 lösen sie die umgebende Landschaft wie in unserer schönen Tempera "Blaue Kuh" in ein nahezu abstraktes Spiel aus Form und Farbe auf, das darüber hinaus in faszinierender Weise die Nähe der Malerei des "Blauen Reiters" zur Musik bezeugt. Kandinsky beschreibt das Vorbild der Musik im Hinblick auf die Unmittelbarkeit des emotionalen Ausdruckes in seiner im Dezember 1911 erschienenen Schrift "Über das Geistige in der Kunst" mit den folgenden Worten: "Ein Künstler, welcher in der wenn auch künstlerischen Nachahmung der Naturerscheinungen kein Ziel für sich sieht und ein Schöpfer ist, welcher seine innere Welt zum Ausdruck bringen will und muß, sieht mit Neid, wie solche Ziele in der heute unmateriellsten Kunst – der Musik – natürlich und leicht zu erreichen sind. [..] Daher kommt das heutige Suchen in der Malerei nach Rhythmus, nach mathematischer, abstrakter Konstruktion, das heutige Schätzen der Wiederholung des farbigen Tones, der Art, in welcher die Farbe in Bewegung gebracht wird usw." (W. Kandinsky, Über das Geistige in der Kunst, Aufl. Bern 1952, S. 54f.). Schön sieht man in "Blaue Kuh" diesen farbigen Rhythmus, der aus der Wiederholung der Komplimentärfarben Rot und Grün im Hintergrund aufgebaut wird. Es ist der Rhythmus aus Farbe und Form, mit dem Marc seiner "inneren Welt", seinem geistig-emotionalen Empfinden in der vorliegenden Komposition Ausdruck verleiht. Nach impressionistischen Anfängen vollzieht Marc 1911 im Gründungsjahr des "Blauen Reiters" seine klare Hinwendung zum Expressionismus. In den Folgejahren des "Blauen Reiters", der sich bereits 1914 mit Beginn des Ersten Weltkriegs wieder auflösen sollte, ist Marc auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Von 1911 bis 1914 entstehen seine bekanntesten Werke, wie etwa "Der Tiger" (1912, Lenbachhaus München), "Die Füchse" (1913, ehemals Museum Kunstpalast, Düsseldorf), "Der Turm der Blauen Pferde" (1913, verschollen), "Tierschicksale" (1913, Kunstmuseum Basel) und "Kämpfende Formen" (1914, Pinakothek der Moderne, München). Kurz nach Kriegsausbruch meldet sich Marc im August 1914 als Kriegsfreiwilliger. Wie viele andere Künstler und Intellektuelle versprach er sich vom Krieg anfänglich eine reinigende und heilende Wirkung für "ein krankes Europa". Als Marc im Krieg jedoch eine Postkarte mit der Abbildung seines Gemäldes "Tierschicksale" (1913) geschickt bekommt, das zwei flüchtende grüne Pferde und ein sich aufbäumendes blaues Reh in einer prismenartig aufgelösten Waldszenerie zeigt, schreibt er am 17. März 1915 an seine Frau Maria: "Bei diesem Anblick war ich ganz betroffen und erregt. Es war eine Vorahnung dieses Krieges, schauerlich und ergreifend; ich kann mir kaum vorstellen, daß ich das gemalt habe!" (Susanna Partsch, Marc, S. 76; in: Klaus Lankheit und Uwe Steffen (Hrsg.), Franz Marc: Briefe aus dem Feld, München 1986, S. 50). Für Marc symbolisiert die Tierwelt, die in hamonischer Symbiose mit der Pflanzenwelt lebt, eine ideale Form von Reinheit, Freiheit und Ursprünglichkeit. Seine expressionistischen Tierdarstellungen der Vorkriegszeit werden deshalb auch immer als mystisch-verklärte Suche nach einem Ideal friedvoller Eintracht und absoluter Harmonie gelesen, die Marc bereits in "Tierschicksale" (1913) geradezu visionär als in entscheidender Weise bedroht wahrgenommen hat. Die perfekte Harmonie, die Marc in seinen entrückten Tierdarstellungen feiert, fasziniert immer wieder durch die Fragilität dieser einzigartigen Kompositionen, bei denen, sei es auch nur indirekt, stets eine gewisse Bedrohung mitschwingt.

Auch unsere faszinierende Komposition "Blaue Kuh" lebt von der Spannung aus vordergründig harmonischer Ruhe und der inhärenten Dynamik, die der sich mit großer Körperspannung dem Betrachter zuwendenden, jeden Moment zum Angriff oder auch zur Flucht bereiten gehörnten Kuh innewohnt. 1916 wird Franz Marc für die Liste der bedeutendsten Künstler Deutschlands ausgewählt und vom Kriegsdienst befreit. Am 4. März 1916 stirbt er jedoch an seinem letzten Einsatztag. Er hinterlässt in seinem Nachlass unter anderem unsere kleine "Blaue Kuh", die dann 1927 in der Marc-Ausstellung der Galerie Neue Kunst Fides in Dresden, einer der bedeutendsten Expressionimus-Galerien der 1920er Jahre, sowie 1936 in der Franz Marc Gedächtnisausstellung der Kestner-Gesellschaft, Hannover, ausgestellt wird. [JS]




Aufgeld und Steuern zu Franz Marc "Blaue Kuh"
Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.

Berechnung bei Differenzbesteuerung:
Zuschlagspreis bis 800.000 Euro: hieraus Aufgeld 32 %.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 800.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 27 % berechnet und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 800.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 22 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Das Aufgeld enthält die Umsatzsteuer, diese wird jedoch nicht ausgewiesen.

Berechnung bei Regelbesteuerung:
Zuschlagspreis bis 800.000 Euro: hieraus Aufgeld 27 %.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 800.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 21 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 800.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf die Summe von Zuschlag und Aufgeld wird die gesetzliche Umsatzsteuer, derzeit 19 %, erhoben. Als Ausnahme hiervon wird bei gedruckten Büchern der ermäßigte Umsatzsteuersatz von derzeit 7 % hinzugerechnet.

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