Auktion: 550 / Evening Sale am 07.06.2024 in München Lot 69


69
Karin Kneffel
Ohne Titel, 2016.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 120.000
Ergebnis:
€ 177.800

(inklusive Aufgeld)
Ohne Titel. 2016.
Öl auf Leinwand.
Verso signiert und mit der Werknummer "2016/3" bezeichnet. 180 x 180 cm (70,8 x 70,8 in).
[SM/JS].

• Kneffel ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Künstlerinnen und Meisterin der raffinierten optischen Illusion.
• Herausragendes Beispiel für Kneffels virtuose Verbindung von Schärfe und Unschärfe, Realität und Fiktion.
• Geheimnisvolles Kunstwerk im Kunstwerk - voyeuristischer Blick auf Marc Chagalls "Heiliger Droschkenkutscher".
• 2016 in der Ausstellung "Karin Kneffel. New Works" der Gagosian Gallery gezeigt.
• Kneffels Gemälde befinden sich in bedeutenden öffentlichen Sammlungen, u. a. der Pinakothek der Moderne, München, dem Museum Frieder Burda, Baden-Baden, und der Olbricht Collection, Essen
.

Auf der offiziellen Website der Künstlerin aufgeführt.

PROVENIENZ: Gagosian Gallery, New York.
Privatsammlung New York (vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Karin Kneffel, New Works, Gagosian Gallery, Beverly Hills, 28.4.-11.6.2016 (auf dem Keilrahmen mit dem Galerieetikett).

"So ist der erste Eindruck, den ein Betrachter von Karin Kneffels Gemälden gewinnt, bis heute der einer virtuos inszenierten Künstlichkeit und einer nicht zu überwindenden Unsicherheit und Brüchigkeit unseres bildhaften Zugangs zur Welt [..]."
Thomas Wagner, in: Karin Kneffel. Haus am Stadtrand, Krefeld 2009, S. 71.

Karin Kneffel ist die Meisterin der raffinierten optischen Illusion. Kneffels gegenständliche Malerei beherrscht das virtuose Spiel mit Verfremdungseffekten, mit ungewöhnlichen Blickpunkten, extremer Ausschnitthaftigkeit, Spiegelung und Unschärfe. Gerade der vielseitige Einsatz von Unschärfe in Kneffels Werk zeugt noch von ihrem Studium bei Gerhard Richter, dessen Meisterschülerin sie in den 1980er Jahren an der Düsseldorfer Kunstakademie gewesen ist. Kneffels Gemälde sind minutiös durchkonzipierte Inszenierungen, in geradezu altmeisterlich perfektionierter Manier auf die Leinwand gesetzt. Ihre Malerei irritiert und begeistert, sie stellt unsere überkommenen Sehgewohnheiten in Frage, sie ist nah an der Realität und eröffnet uns doch zugleich eine ganz neue, eigene Welt. Der erste Eindruck, den ein Betrachter von Karin Kneffels Gemälden gewinnt, ist der einer virtuos inszenierten Künstlichkeit und einer nicht zu überwindenden Brüchigkeit unseres optischen Zugangs zur Welt. Die vorliegende Arbeit gehört zu Kneffels berühmter Werkgruppe von großformatigen Leinwänden, die 2009, ausgehend von der Serie "Haus am Stadtrand" mit Gemälden mit Bildzitaten nach Werken der bedeutenden Moderne-Sammlung des Krefelder Sammlers Hermann Lange, ihren Anfang nimmt. Zunächst zeigt Kneffel die anhand von Schwarz-Weiß-Fotografien aus dem Jahr 1930 in Langes Besitz befindlichen Kunstwerke in den fotografisch dokumentierten Innenräumen seiner Krefelder Villa. Kneffel begibt sich davon ausgehend auf die Suche nach den aktuellen Standorten dieser Meisterwerke von Ernst Ludwig Kirchner, August Macke oder Marc Chagall und inszeniert diese fortan malerisch auch in ihrem aktuellen Museumskontext. Virtuos verschmilzt Kneffel historische Fakten und künstlerische Fiktion, Fotografie und Malerei, Klarheit und Unschärfe. Durch die kreisförmige Fingerspur auf der beschlagenen Glasscheibe und die sich dort bildenden Wassertropfen wird das dahinter verborgene Motiv partiell sichtbar: Marc Chagalls "Heiliger Droschkenkutscher" von 1911, der sich heute – allerdings in einer um 180 Grad gedrehten Hängung – neben der im Vordergrund gezeigten Bronze "Ascension (Aufstieg)" von Otto Freundlich in der Sammlung des Städel Museums in Frankfurt befindet. Meisterlich ist die Komposition, in der Kneffel Realität und Verfremdung zu einer einzigartigen malerischen Illusion über mehrere Bildebenen hinweg spielerisch zusammenführt. Kneffel inszeniert Chagalls sich nach unten schwingenden "Droschkenkutscher" zwar in der historischen Hängung aus der Villa Lange, aber an seinem heutigen Standort in den Ausstellungsräumen des Städel Museums, hinter einer parallel zum Bildgrund verlaufenden Glasscheibe als virtuosem Verfremdungseffekt. Die beschlagene Scheibe steigert die verwirrende optische Illusion, indem sie im Betrachter geradezu intuitiv den Wunsch aufkommen lässt, an das gemalte Glas heranzutreten, um mit der Hand das Beschlagene wegzuwischen und endlich ein vermeintliches Gefühl von Nähe und optischer Klarheit herzustellen. Kneffels virtuos inszeniertes malerisches Verwirrspiel aber verneint dieses Bedürfnis nach objektiver Klarheit und zwingt uns, unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit zu hinterfragen. Es ist also gewiss kein Zufall, dass Kneffel Otto Freundlichs aus Kugelformen zusammengesetzte Bronze "Ascension", die in rein abstrakter Formensprache bewusst mit figurativen Assoziationen spielt, groß im Vordergrund zu erkennen gibt: "Ich […] kämpfe für die Befreiung der Menschen und Dinge von den Gewohnheiten [..] und gegen alles sie Begrenzende [..]", hat Otto Freundlich gesagt, – ein Satz, der für Kneffels Malerei einer illusionierten Wirklichkeit kaum treffender sein könnte. [JS]



69
Karin Kneffel
Ohne Titel, 2016.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 120.000
Ergebnis:
€ 177.800

(inklusive Aufgeld)