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Theodor Fontane
Brief an F. Witte. März 1851
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€ 4.000 Ergebnis:
€ 3.360 (inkl. Käuferaufgeld)
Fontane, Theodor (1819-1898)
Eigenhändiger Brief mit Unterschrift. Berlin, 19. März 1851. 8 Seiten. 23 : 14 cm.
Bedeutender und inhaltsreicher Brief des 31jährigen Fontane an den Apotheker, Unternehmer und späteren Reichstagsabgeordneten Friedrich Witte (1829-1893).
Fontane hatte Witte 1845 während seiner Zeit als Apotheker in der Polnischen Apotheke kennengelernt und blieb mit ihm und seiner Familie zeitlebens freundschaftlich verbunden. Als Fontane den vorliegenden Brief schrieb, stand er noch ganz am Anfang seiner literarischen Laufbahn. Knapp zwei Jahre zuvor hatte er seinen Apothekerberuf aufgegeben und konnte sich mit politischen Texten für die radikal-demokratische Dresdner Zeitung so eben über Wasser halten. Das noch frischvermählte Ehepaar Fontane wohnte in Berlin und hatte – wie im Brief berichtet – inzwischen eine größere Wohnung gefunden, die durch gelegentliche Untervermietung finanziert werden sollte.
"Wie wär' es, wenn Sie bei Ihrer Rückkehr nach Berlin bei uns Quartier nähmen? Wir beziehen zu Michaeli eine bei weitem geräumigere Wohnung, und würden bei Wahl derselben auf Friedrich Witte gebührende Rücksicht nehmen (..) Sie würden, je nachdem Sie sich für ein einziges Zimmer oder für Stube und Kammer erklärten, fünf bis sieben Taler zu zahlen haben. Mittagbrot würde mit höchstens fünf Silbergroschen, Abendbrot ohngefähr mit der Hälfte berechnet werden (..) Zweierlei könnte Sie vielleicht stutzig machen. Zunächst die Furcht, durch die unmittelbare und andauernde Nähe eines Stücks Poetentum, geheißen 'Theodor Fontane', in in Ihren wissenschaftlichen Arbeiten gestört zu werden (..) Sie werden mir überhaupt das Zeugnis ausstellen müssen, daß ich Sie zu allen Zeiten vor der Kirke 'Poesie' mehr gewarnt, als Ihnen zauberhafte Schilderungen von dem Leben bei ihr entworfen habe. Ein zweiter Punkt ist der Geldpunkt. Sie wissen, daß ich über Krösusschätze nicht eben verfüge, und es wäre sehr leicht möglich, daß ich eines schönen Tages vor Fritz Witte erschiene und dem Unglücklichen entgegendonnerte: la bourse ou la vie!"
Es folgt ein wütender und detaillierter Verriß des Epos Amaranth von Oskar von Redwitz. "Das Buch ist im höchsten Grade widerwärtig und in der Poesie dasselbe, was die Leitartikel der Kreuzzeitung in der Prosa sind – herzloses, gemachtes, kokettes Christentum. Ich wüßte nicht, was mich seit lange unter literarischen Arbeiten in dem Maße angewidert hätte, wie diese Christentumsfratze mit Namen Amaranth."
Zum Schluß geht Fontane in einer längeren Passage auf seine Ballade Der Tag von Hemmingstedt ein. "Ich bin teils mit der Arbeit, teils mit ihrem Erfolg zufrieden. Der König z. B. hat sich mit außergewöhnlich warmer Anerkennung darüber geäußert. Paul Heyse, zum Teil auch Kugler, bilden eine schwache Tunnelminorität, die, bei Überschätzung des Machwerks (des Technischen, Formellen), den Kern und Inhalt unter schätzen. Sie meine, es sei kein eigentliches Kunstwerk, sondern nur die meisterhafte Behandlung eines Stücks alter Chronik .. Daß dies Versmaß für derartige Stoffe trefflich ist, werden Sie mir zugeben, namentlich beseitigt meine Art der Behandlung jede Spur von Monotonie. Ich wollte ein Epos 'Barbarossa' in solchen Strophen schreiben, bin aber von dem Stoff ganz zurückgekommen. Es ist mir durchaus nicht möglich, mich für den alten Rotbart zu begeistern."
LITERATUR: Gedruckt in: Theodor Fontane. Werke, Schriften und Briefe. Hrsg. von W. Keitel und H. Nürnberger. Abt. IV. Briefe. Bd. 1 (München 1976), Nr. 84.
Meaningful letter from the 31-year-old Fontane to the pharmacist, businessman and later Member of the Reichstag Friedrich Witte (1829-1893).
Dated Berlin, 19 March 1851. 8 pages, written two years after Fontane had given up his profession as a pharmacist, in order to become a writer. He had become acquainted with the addressee in 1845. In this piece of writing Fontane touches many private, political and literary issues.
Eigenhändiger Brief mit Unterschrift. Berlin, 19. März 1851. 8 Seiten. 23 : 14 cm.
Bedeutender und inhaltsreicher Brief des 31jährigen Fontane an den Apotheker, Unternehmer und späteren Reichstagsabgeordneten Friedrich Witte (1829-1893).
Fontane hatte Witte 1845 während seiner Zeit als Apotheker in der Polnischen Apotheke kennengelernt und blieb mit ihm und seiner Familie zeitlebens freundschaftlich verbunden. Als Fontane den vorliegenden Brief schrieb, stand er noch ganz am Anfang seiner literarischen Laufbahn. Knapp zwei Jahre zuvor hatte er seinen Apothekerberuf aufgegeben und konnte sich mit politischen Texten für die radikal-demokratische Dresdner Zeitung so eben über Wasser halten. Das noch frischvermählte Ehepaar Fontane wohnte in Berlin und hatte – wie im Brief berichtet – inzwischen eine größere Wohnung gefunden, die durch gelegentliche Untervermietung finanziert werden sollte.
"Wie wär' es, wenn Sie bei Ihrer Rückkehr nach Berlin bei uns Quartier nähmen? Wir beziehen zu Michaeli eine bei weitem geräumigere Wohnung, und würden bei Wahl derselben auf Friedrich Witte gebührende Rücksicht nehmen (..) Sie würden, je nachdem Sie sich für ein einziges Zimmer oder für Stube und Kammer erklärten, fünf bis sieben Taler zu zahlen haben. Mittagbrot würde mit höchstens fünf Silbergroschen, Abendbrot ohngefähr mit der Hälfte berechnet werden (..) Zweierlei könnte Sie vielleicht stutzig machen. Zunächst die Furcht, durch die unmittelbare und andauernde Nähe eines Stücks Poetentum, geheißen 'Theodor Fontane', in in Ihren wissenschaftlichen Arbeiten gestört zu werden (..) Sie werden mir überhaupt das Zeugnis ausstellen müssen, daß ich Sie zu allen Zeiten vor der Kirke 'Poesie' mehr gewarnt, als Ihnen zauberhafte Schilderungen von dem Leben bei ihr entworfen habe. Ein zweiter Punkt ist der Geldpunkt. Sie wissen, daß ich über Krösusschätze nicht eben verfüge, und es wäre sehr leicht möglich, daß ich eines schönen Tages vor Fritz Witte erschiene und dem Unglücklichen entgegendonnerte: la bourse ou la vie!"
Es folgt ein wütender und detaillierter Verriß des Epos Amaranth von Oskar von Redwitz. "Das Buch ist im höchsten Grade widerwärtig und in der Poesie dasselbe, was die Leitartikel der Kreuzzeitung in der Prosa sind – herzloses, gemachtes, kokettes Christentum. Ich wüßte nicht, was mich seit lange unter literarischen Arbeiten in dem Maße angewidert hätte, wie diese Christentumsfratze mit Namen Amaranth."
Zum Schluß geht Fontane in einer längeren Passage auf seine Ballade Der Tag von Hemmingstedt ein. "Ich bin teils mit der Arbeit, teils mit ihrem Erfolg zufrieden. Der König z. B. hat sich mit außergewöhnlich warmer Anerkennung darüber geäußert. Paul Heyse, zum Teil auch Kugler, bilden eine schwache Tunnelminorität, die, bei Überschätzung des Machwerks (des Technischen, Formellen), den Kern und Inhalt unter schätzen. Sie meine, es sei kein eigentliches Kunstwerk, sondern nur die meisterhafte Behandlung eines Stücks alter Chronik .. Daß dies Versmaß für derartige Stoffe trefflich ist, werden Sie mir zugeben, namentlich beseitigt meine Art der Behandlung jede Spur von Monotonie. Ich wollte ein Epos 'Barbarossa' in solchen Strophen schreiben, bin aber von dem Stoff ganz zurückgekommen. Es ist mir durchaus nicht möglich, mich für den alten Rotbart zu begeistern."
LITERATUR: Gedruckt in: Theodor Fontane. Werke, Schriften und Briefe. Hrsg. von W. Keitel und H. Nürnberger. Abt. IV. Briefe. Bd. 1 (München 1976), Nr. 84.
Meaningful letter from the 31-year-old Fontane to the pharmacist, businessman and later Member of the Reichstag Friedrich Witte (1829-1893).
Dated Berlin, 19 March 1851. 8 pages, written two years after Fontane had given up his profession as a pharmacist, in order to become a writer. He had become acquainted with the addressee in 1845. In this piece of writing Fontane touches many private, political and literary issues.
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