Auktion: 342 / Modern Art / Seitenwege am 03.12.2008 in München Lot 230

 
Hanns Bolz - Porträt des Kunsthändlers Alfred Flechtheim


230
Hanns Bolz
Porträt des Kunsthändlers Alfred Flechtheim, 1910.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 18.000
Ergebnis:
€ 76.860

(inkl. Käuferaufgeld)

Porträt des Kunsthändlers Alfred Flechtheim. Um 1910/11.
Öl auf Leinwand.
41 : 33 cm (16,1 : 12,9 in). Hanns Bolz absolviert wohl um 1905/08 ein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie. Im Anschluss geht er nach Paris, wo er bis Kriegsbeginn die meiste Zeit verbringt. Er mietet sich ein Atelier auf dem Montmartre, rue Gabrielle 49, das zuvor von Pablo Picasso genutzt wurde. Im Café du Dôme ist er ständiger Gast und gehört bald zu der kleinen deutschen Künstlerkolonie, die sich dort um Purrmann und Levy etabliert hatte. Spätestens hier lernt er den Kunsthändler Alfred Flechtheim kennen, der den illustren und in seinen Stilrichtungen ganz heterogenen Kreis der "Dômiers" 1914 erstmals in seiner Galerie zeigt. Bolz' Œuvre umfasst neben der Malerei auch Grafiken (insbesondere Karikaturen) und Plastiken, die mit Modigliani oder Lehmbruck verwandt erscheinen. In seinem malerischen Werk zeigt sich deutlich die Auseinandersetzung mit dem französischen Kubismus und Fauvismus, und bereits 1912 experimentiert er mit abstrakten Bildgestaltungen.

In den ersten Pariser Jahren ist offensichtlich auch unser Porträt Alfred Flechtheims entstanden. Typisch für das Werk von Bolz ist hier die kubistisch beeinflusste Behandlung von Licht und Schatten, die ein Gegeneinandersetzen heller und dunkler Bildzonen mit sanften Modulationen und Übergängen zu vereinen versteht. Auch die tonige Farbpalette des Künstlers, die auf der Variierung verwandter Töne basiert, ist charakteristisch für die ersten Pariser Jahre. Vergleiche mit den um 1908-10 entstandenen Gemälden "Frau mit Hut" und "Stillleben" zeigen sowohl in der Bildanlage als auch in der Farbgestaltung weitestgehende Übereinstimmungen mit unserem Werk und sichern die Zuschreibung an Hanns Bolz. Das Porträt des Kunsthändlers Alfred Flechtheim darf als eines der Hauptwerke des Rheinischen Expressionisten Hanns Bolz gelten. Die vom Künstler gewählte Perspektive lässt den Kopf des Dargestellten bildfüllend erscheinen, und die Beleuchtung schräg von hinten verleiht den Gesichtszügen eine besondere Prägnanz. Der Stil unseres Porträts vereint Anregungen der Pariser Malerei mit Tendenzen der Neuen Sachlichkeit und illustriert den ganz eigenen, unverwechselbaren Beitrag, den Hanns Bolz zur Kunst der Klassischen Moderne leistet.

Hanns Bolz ist auf allen wichtigen Ausstellungen seiner Zeit vertreten. Er nimmt an der Sonderbundausstellung 1912 in Köln, der Armory Show in New York und Chicago und an Herwarth Waldens "1. Deutschen Herbstsalon" 1913 in Berlin teil. 1914 wird der Künstler zum Militärdienst eingezogen und an die Front geschickt. Er erleidet eine schwere Gasvergiftung, die ihn teilweise erblinden lässt. Bolz wird vorzeitig entlassen und verstirbt 1918 an den Folgen seiner Vergiftung. Von seinem künstlerischen Werk bleibt nur ein kleiner Teil erhalten, da der Künstler testamentarisch die vollständige Vernichtung aller seiner Werke verfügt hatte. Die von Freunden geretteten Werke zeigt Flechtheim 1922 in einer Gedächtnisausstellung [KR]
EXPERTISE: Mit einer Expertise von Herrn Ernst Cremer, Aachen, vom 10.10.2008.
Die Zuschreibung der vorliegenden Arbeit wurde von Herrn Prof. Dr. Heusinger von Waldegg, Karlsruhe, mündlich bestätigt.
Die Zuschreibung der vorliegenden Arbeit wurde vom Verfasser des Online-Werkverzeichnisses der Werke von Hanns Bolz, Herrn Erich Kukies, Alsdorf, schriftlich (E-Mail) bestätigt
PROVENIENZ: Der Neue Kunstsalon Max Dietzel, München (auf dem Keilrahmen mit dem Stempel).
Neue Kunst Hans Goltz, München (auf dem Keilrahmen mit dem Etikett).
Privatsammlung Süddeutschland.

In guter Erhaltung. Wenige kleine, unbedeutende Retuschen.




230
Hanns Bolz
Porträt des Kunsthändlers Alfred Flechtheim, 1910.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 18.000
Ergebnis:
€ 76.860

(inkl. Käuferaufgeld)