Auktion: 550 / Evening Sale am 07.06.2024 in München Lot 124000040

 

124000040
Andy Warhol
Flowers (10 Blatt), 1970.
10 Blatt Farbserigrafien
Schätzpreis: € 800.000 - 1.200.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Flowers (10 Blatt). 1970.
10 Blatt Farbserigrafien.
Jeweils signiert und verso mit der gestempelten Nummerierung, vier Blätter datiert. Der komplette Satz von 10 Blättern, jeweils Exemplar 86/250. Auf dünnem Karton. Jeweils 91,5 x 91,5 cm (36 x 36 in).
Gedruckt bei Aetna Silkscreen Products, Inc., New York. Herausgegeben von Factory Additions, New York. [EH].

• Eines der wenigen, vollständig erhaltenen ‚Matching Sets‘.
• Die Blume wird zum Kultmotiv der Pop Art
• Andy Warhols berühmte Serigrafien "Flowers" sind neben "Marilyn" und "Mao" Ikonen der amerikanischen Pop Art
.

PROVENIENZ: Galerie Fetzer, Sontheim a.d. Brenz (seit 1992 über Christie's).
Privatsammlung Baden-Württemberg (2002 vom Vorgenanntem erworben).

LITERATUR: Frayda Feldman, Jörg Schellmann, Claudia Defendi, Andy Warhol Prints. A catalogue raisonné 1962-1987, New York 2003, WVZ-Nr. II.64-73.
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Christie's, London, Modern and Contemporary Prints, 3.7.1992, Los 631.



1970 wird die Mappe "Flowers" mit zehn großformatigen und farbstarken Serigrafien von Andy Warhol veröffentlicht. Die "Flowers" beschäftigen den Künstler schon seit 1964. In diesem, für ihn so wichtigen Jahr entdeckte er das Motiv, das ihn seitdem nicht mehr losgelassen hat. Im Sommer 1964 ergibt sich für Andy Warhol der Wechsel zu Leo Castelli, der damals ohne Zweifel eine der wichtigsten Galerien für die zeitgenössische Kunst in den USA betreibt. Jasper Johns, Robert Rauschenberg und Claes Oldenburg sind hier neben Größen des abstrakten Expressionismus wie De Kooning und Jackson Pollock vertreten. Bei Castelli stellt Andy Warhol erstmals vom 26. September bis 22. Oktober 1964 gemeinsam mit Richard Artschwager, Roy Lichtenstein, James Rosenquist und Frank Stella aus. Schon im November folgt dort seine erste Einzelausstellung "Andy Warhol. Flower Paintings" (21.11.-28.12.1964), die ein voller Erfolg wird.
Andy Warhol, Sohn osteuropäischer Einwanderer und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, ist eigentlich Werbegrafiker. Er gestaltet Schaufenster, Anzeigen und Grußkarten für New Yorker Kaufhäuser wie etwa für Tiffany. Das so verdiente Geld ermöglicht es ihm, sich seinem Kunstschaffen zu widmen. Mit seinen "Brillo Boxes" und "Campbell Soup"-Bildern führt er einen neuen Kunstbegriff in die zeitgenössische Kunst ein. Darstellung und Kopie von Konsumartikeln werden zum Kunstobjekt. Dies ist nicht nur eine neue Ästhetik, es ist auch ein hinterfragender, neuer Blick auf den Konsum und die Schönheit des Alltäglichen, ein neuer Blick auf die Gesellschaft der USA. Mit Serien wie "Electric Chair" oder "Most Wanted Men" greift Warhol auch gesellschaftlich relevante Themen auf. Bald schon wird er damals auch zum gefragten Porträtist, denn nicht zuletzt durch seine Serien "Marilyn Monroe" und "Jackie" wollen viele von ihm porträtiert werden. Zugrunde liegen diesen Porträts Fotos, die er mit der von ihm innovativ verwendeten Technik der Serigrafie in Verbindung mit Malerei verfremdet.
Auch den "Flowers" liegt ein Foto zugrunde. Eine Aufnahme von sieben Hibiskusblüten, die Warhol in der Zeitschrift "Modern Photography" entdeckt. Die Aufnahme stammt von Patricia Caulfield, in dem zugehörigen Artikel geht es um neue Möglichkeiten der Entwicklung von Dias in einem bestimmten, von Kodak entwickelten Verfahren. Andy Warhol reduziert dieses Foto auf einen quadratischen Ausschnitt von vier Blüten, verschärft die Kontraste und spielt mit den Farbstellungen.
Die quadratische Form ermöglicht ihm auch noch etwas anderes: das Ausfüllen der Wandfläche. Die Bilder werden in dichter Hängung über ganze Wände verteilt. In den Jahren 1964/65 finden in New York bei Castelli und bei Ileana Sonnabend in Paris mehrere Shows mit "Flowers"-Serien in verschiedenen Größen statt. Wie vielfältig die "Flowers" präsentiert werden können, zeigt eine Ausstellungsansicht der Galerie Sonnabend in Paris von 1965: Diagonal übereinander oder auch als flächiger, rechteckig orientierter Block übereinander ist die Serie der hier 5 Inch großen Bilder gehängt.
Dieses serielle Arbeiten ist ein wesentliches Merkmal seines Kunstverständnisses. In kleinen Variationen etwa durch das Drehen eines Motives oder farbliche Veränderungen gibt Warhol in der Reproduktion und Wiederholung den Objekten neue Individualität.
Ein Jahr nach der Adaption des "Flowers"-Fotos beschließt Andy Warhol, fortan nicht mehr zu malen. Er möchte nur noch filmen. Das Medium des Videos hat ihn erobert. Zudem beschäftigt er sich intensiv mit den Möglichkeiten der Druckgrafik. Andy Warhol zählt auf diesem Feld zu den innovativsten Köpfen und führt neue technische Varianten ein. Seinen wichtigsten Projekten widmet er druckgrafische Mappenwerke. 1967 erscheint "Marilyn Monroe", 1968/69 "Campbell’s Soup" und schließlich 1970 das zehn Blätter umfassende Set "Flowers". In "Flowers" versammelt Andy Warhol die verschiedenen Merkmale seines in den früheren Jahren entwickelten seriellen Arbeitens. Die zehn Blumen-Darstellungen variieren untereinander in Ausrichtung und Farbstellung. Auch sind Verschiebungen der Farbschablonen integriert. Somit zeigt sich dieses Portfolio als eine Zusammenfassung seiner künstlerischen Grundideen.
Nur noch selten sind komplette matching Sets, also die Folge der zehn Blätter mit einer gleichen Exemplarnummer, auf dem Markt zu finden. Unser Exemplar ist seit über 30 Jahren in einer deutschen Privatsammlung.
Patrica Caulfield, die Urheberin des Fotos, zieht 1966 gegen Warhol wegen Verletzung der Urheberrechte vor Gericht. Die beiden Kontrahenten einigen sich auf einen Vergleich: Warhol schafft zwei neue "Flowers"-Gemälde für sie und "erklärte sich bereit, ihr einen 25-prozentigen Anteil an den Tantiemen zu zahlen, die aus einem Portfolio von 'Flowers'-Abzügen stammen" (zit. nach: https://www.nytimes.com/2023/09/07/arts/patricia-caulfield-dead.html)



124000040
Andy Warhol
Flowers (10 Blatt), 1970.
10 Blatt Farbserigrafien
Schätzpreis: € 800.000 - 1.200.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.