Auktion: 550 / Evening Sale am 07.06.2024 in München Lot 124000250

 

124000250
James Rosenquist
Playmate, 1966.
Öl auf Leinwand in vier Teilen, Holz, Metalldraht
Schätzpreis: € 1.000.000 - 1.500.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Playmate. 1966.
Öl auf Leinwand in vier Teilen, Holz, Metalldraht.
244 x 535 cm (96 x 210,6 in).


• Meisterwerk aus der Hochphase der amerikanischen Pop-Art.
• Plakative Erotik in überdimensionalem Format.
• 1967 Teil der legendären "Playboy"-Aktion "Playmate as Fine Art", an der sich auch Andy Warhol, Tom Wesselmann, George Segal und weitere beteiligen.
• Rosenquist verbildlicht in seiner vierteiligen Arbeit ein sehr spezielles Verlangen, die Essensgelüste eines schwangeren Playmates.
• Im Entstehungsjahr 1966 zählt ihn die Kunstkritikerin Lucy Lippard zu den "New York Five", den wichtigsten Vertretern der amerikanischen Pop-Art (Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Tom Wesselmann, James Rosenquist und Claes Oldenburg).
• Zweitgrößte, jemals auf dem internationalen Auktionsmarkt angebotene Arbeit (Quelle: artprice.com), die größte befindet sich heute im Museum of Modern Art, New York
.

Mit einem vom Künstler signierten Fotozertifikat aus dem Jahr 1966.
Die Arbeit ist unter der Nummer "66.10" im Archiv des Estate of James Rosenquist, New York, registriert.

PROVENIENZ: Playboy Enterprises, Inc., Chicago.
Peter Raczeck Fine Art, New York.
Privatsammlung Süddeutschland.

AUSSTELLUNG: Beyond Illustration: The Art of Playboy, Wanderausstellung, Central Museum of Art, Tokio, 13.2.-11.3.1973; Umeda Kindai Museum, Osaka, 15.3.-8.4.1973; Bunda Kaikan, Fukuoka, 15.-26.5.1973; Lowe Museum of Art, University of Miami, Coral Gables, 25.7.-9.9.1973; Florida State University, Tallahassee, 8.10.-11.11.1973; Morgan State College, Murphy Fine Arts Center, Baltimore, 2.-22.12.1973; Philadelphia Art Alliance, Philadelphia, 8.2.-3.3.1974; Municipal Art Gallery, Los Angeles, 26.3.-28.4.1974; Syntex Art Gallery, Palo Alto, 19.5.-15.7.1974; New York Cultural Center, New York, 10.8.-20.9.1974.
The Art of Playboy: From the First 25 Years, Wanderausstellung, Alberta College of Art Gallery, Calgary, 12.-28.11.1976; Saskatoon Gallery and Conservatory Corporation, Mendel Art Gallery, Saskatoon, Saskatchewan, 9.2.-6.3.1977; Priebe Gallery, University of Wisconsin, Oshkosh, 2.-28.3.1978; Art Institute of Atlanta, Atlanta, Aug. 1978; Chicago Cultural Center, Chicago, 19.12.1978-20.1.1979; Auburn University, Auburn, 12.2.-12.3.1979; Colorado Institute of Art, Denver, Juni 1979; Art Institute of Ft. Lauderdale, Ft. Lauderdale, Nov. 1979; University of Michigan-Flint, Flint, Jan. 1980; Mulvane Art Center, Washburn University, Topeka, Jan. 1980; Daytona Beach Community College, Daytona Beach, Sept. 1980; Oklahoma Arts Center, Oklahoma City, 24.10.-28.11.1980; University of Wisconsin, Plattsville, 16.2.-14.3.1981; Museum at Sao Paulo, Sao Paulo, 22.3.-13.5.1981; Rio Palace Hotel Gallery, Rio de Janeiro, 20.5.-3.6.1981.
Image World: Art and Media Culture, Whitney Museum of American Art, New York, 8.11.1989-18.2.1990, S. 211 (hier unter dem Titel "Playmate", verso m. Ausstellungsetikett).
The Figure and Dr. Freud, Haunch of Venison, New York, 8.7.-22.8.2009.

LITERATUR: The Playmate as Fine Art, Playboy Magazine, vol. 14, no. 1, Jan. 1967, S. 141-149 (m. Farbabb. S. 146f.).
Gene Swenson, The Figure a Man Makes (Part I), Art and Artists 3, no. 1, April 1968, S. 26-29, hier S. 29.
Michael Compton, Pop Art. Movements of Modern Art, London, New York, Sydney, Toronto, 1970, S. 110 (m. Abb.).
Beyond Illustration: The Art of Playboy, mit einem Vorwort von Arthur Paul, Chicago 1971 (m. Abb.).
Evelyn Weiss, James Rosenquist: Gemälde-Räume-Graphik, Köln 1972, S. 128.
The Art of Playboy: From the First 25 Years, mit einem Vorwort von Ted Hearne, Chicago 1978 (m. Abb.).
Ray Bradbury, The Art of Playboy, Alfred van der Marck Editions, New York 1985 (m. Abb. S. 76f.).
Walter Hopps, Sarah Bancroft, James Rosenquist: A Retrospective, The Solomon R. Guggenheim Foundation, New York 2003, S. 375.
Ingrid Sischy, Rosenquist's Big Picture, Vanity Fair, no. 513, Mai 2003, S. 229.
Karen Rosenberg, Art in Review: The Figure and Dr. Freud, The New York Times, 14.8.2009.
James Rosenquist, David Dalton, Painting Below Zero: Notes on a Life in Art, New York 2009, S. 174.
Dave Hickey, The Playmate as Pop Art, Playboy Magazine, vol. 59, no. 5. Juni 2012, S. 76-79 (m. Abb S. 79).

"I painted Playmate, a pregnant girl suffering from food cravings."
James Rosenquist, Painting Below Zero, New York 2009, S. 174.

"Ich empfinde mich als amerikanischen Künstler: Ich bin in Amerika aufgewachsen, habe mir über Amerika Gedanken gemacht .. Ich wäre nicht der, der ich bin, würde nicht das tun, was ich mache, wenn ich in Frankreich oder Italien gelebt hätte."
James Rosenquist, zit. nach: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausg. 48, Heft 32, 1999.


James Rosenquist in New York – Hotspot der amerikanischen Pop-Art

In den 1960er Jahren boomt in Nordamerika die Pop-Art. Ihr Hotspot ist New York, wo sich rund um die Galerien von Leo Castelli, Richard Bellamy und der Sidney Jannis Gallery eine Szene zusammenfindet, die einen neuen, den Massenmedien nachempfundenen Stil etabliert. Zu ihren Hauptcharakteren zählt unter anderem James Rosenquist.

Mitte der 1950er Jahre kommt der in North Dakota geborene Kunststudent mit einem Stipendium der Art Students League nach New York. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich als Plakatmaler, was ihm den Spitznamen "Billboard Michelangelo" einbringen wird. Als zwei seiner Kollegen vom Gerüst stürzen und tödlich verunglücken, kündigt er und entscheidet sich für eine künstlerische Laufbahn. 1960 bezieht er ein Atelier im Süden von Manhattan in direkter Nachbarschaft von Künstlern wie Ellsworth Kelly, Robert Indiana und Jack Youngerman. Schon bald sorgt er in der dortigen Kunstszene mit seinen ungewohnt großformatigen Arbeiten und Darstellungen von riesenhaft vergrößerten Details für Aufsehen, die von seinen Erfahrungen als Plakatmaler geprägt sind. Richard Bellamys Green Gallery zeigt 1962 seine erste Einzelausstellung, wenig später nimmt ihn der einflussreiche Galerist Leo Castelli unter Vertrag. In dessen Galerieräumen wird 1965 eine seiner Arbeiten ausgestellt, die ihn schlagartig berühmt macht. "F 111" hat die Maße 3 x 26 Meter und erstreckt sich im vorderen Raum der Galerie über die gesamte Ausstellungsfläche. Zunächst war geplant die 51 Teile separat zu verkaufen, doch Robert Scull, Kunstsammler und Besitzer der größten Taxiflotte in New York, erwirbt letzlich das gesamte Werk. In der New York Times wird Scull mit den folgenden Worten zitiert: "Wir überlegen, das Werk an Institutionen auszuleihen, denn es ist die wichtigste Stellungnahme in der Kunst seit 50 Jahren." (Robert Scull, in: Richard F. Shepard, "To What Lengths Can Art Go?", New York Times, 13.5.1965, zit. nach: James Rosenquist Studio, online: www.jamesrosenquiststudio.com/artist/chronology) 1978 wird das Gemälde auf der 38. Biennale in Venedig gezeigt und befindet sich heute im Museum of Modern Art in New York. Innerhalb weniger Jahre hatte sich James Rosenquist somit vom mittellosen Plakatmaler zu einem der gefragtesten Pop-Art-Künstler seiner Zeit entwickelt.

1966, im Entstehungsjahr von James Rosenquists "Playmate", veröffentlicht die Kunstkritikerin Lucy R. Lippard die erste Monografie über die neue Kunstrichtung. Darin benennt sie die wichtigsten Vertreter des aktuellen Geschehens, die sie als "The New York Five" zusammenfasst: Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Tom Wesselmann, James Rosenquist und Claes Oldenburg (vgl. Lucy R. Lippard, Pop Art, London 1966, S. 69). Das Cover der Publikation gestaltet James Rosenquist. Zeitgleich mit der Veröffentlichung und auch in den Jahren zuvor finden zahlreiche Podiumsdiskussionen und Interviews statt, Zeitungsartikel werden publiziert, die Künstler erhalten Preise und werden international in Ausstellungen großer Museen gezeigt. Die Pop-Art verbreitet sich ausgehend von New York innerhalb weniger Jahre in rasender Geschwindigkeit, löst erfolgreich den abstrakten Expressionimus ab und dominiert in den 1960er Jahren das Kunstgeschehen.

Die künstlerischen Ausprägungen der einzelnen Vertreter der Pop-Art unterscheiden sich zum Teil deutlich voneinander. Ihr wichtigstes gemeinsames Merkmal bleibt jedoch die Hinwendung zur Alltagskultur und die Integration von massenmedialen Phänomenen in die Bildsprache der Hochkultur, die sich bislang von populären Trends abzugrenzen versuchte. 1965 formuliert der amerikanische Kritiker Gene R. Swenson die Notwendigkeit dieses Wandels: "Wir müssen uns mit den verbreitetsten Klischees und den stereotypischsten Reaktionen beschäftigen, wenn wir zu einem Verständnis der neuen Möglichkeiten gelangen wollen, die uns in dieser schönen und nicht ganz hoffnungslosen neuen Welt zur Verfügung stehen." (zit. nach: Hubertus Butin (Hrsg.), Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst, Köln 2002, S. 245)
Mit seinem Hintergrund als Plakatmaler von Werbeanzeigen ist James Rosenquist geradezu prädestiniert für die Ausprägung dieses neuen, am Massengeschmack orientieren Stils. Seine Formate sind von Beginn an groß, die Formen reduziert und plakativ, die Farben grell und leuchtend, die Themen aus Magazinen und Medien bekannt. Er experimentiert mit unterschiedlichen Materialien, integriert Alltagsgegenstände in seine Malerei oder wählt als Bildträger Kunststofflamellen, die er als freistehende, dreidimensionale Objekte im Raum installiert. 1966 beteiligt er sich mit einer Arbeit am "Peace Tower", einem 18 Meter hohen Turm aus Kunstwerken, der als Protest gegen den Vietnamkrieg in Hollywood aufgestellt wird. Im selben Jahr lässt er sich vom Modedesigner Horst einen Anzug aus Packpapier der Firma Kleenex anfertigen, den er auf Ausstellungseröffnungen trägt. Im Rückblick bezeichnet James Rosenquist die 1960er Jahre einmal als "nonstop party", die darauf folgenden 70er als "terrible hangover" (vgl. Thomas Zacharias über James Rosenquist, in: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausg. 48, Heft 32, 1999, S. 10).

Der männliche Blick? James Rosenquists "Playmate" von 1966

In diesem kulturellen und pulsierenden Umfeld ruft das in Chicago ansässige Männermagazin "Playboy" im Jahr 1966 die Aktion "Playmate as Fine Art" ins Leben. Insgesamt 11 Künstler werden dazu eingeladen, die "Idee" des Playmates in Kunst zu transferieren. Die eigens für die Aktion geschaffenen Werke werden im Januar 1967 im Playboy abgedruckt. Neben James Rosenquist beteiligen sich unter anderem Andy Warhol, Tom Wesselmann, George Segal und Larry Rivers an der Aktion. Mit Ellen Lanyon ist neben den ansonsten ausschließlich männlichen Teilnehmern nur eine Künstlerin vertreten. In der Bildunterschrift ihres Werks ist zu lesen: "..our only female contributor, Miss Lanyon saw the Playmate..poetically in cahoots with the moon, away from men.." (alle Playboy-Zitate siehe: The Playmate as Fine Art, Playboy Magazine, vol. 14, no. 1, Jan. 1967, S. 141–149). Andy Warhol wird vom Männermagazin als Amerikas Prinz des Pop betitelt. Seine eingereichte Arbeit zeigt den nackten Doppeltorso eines Playmates, der erst unter ultraviolettem Licht sichtbar wird, "to keep the cops away", wie Warhol gesagt haben soll. Von Tom Wesselman stammt ein großer Frauenmund mit weißen Zähnen und knallrotem Lippenstift. Zu Larry Rivers heißt es mit leisem Unteron, "had taken the commission very seriously". Er reicht eine nahezu lebensgroße, halb entblößte Frauenfigur aus Plexiglas und Metall ein, die dominierenden Farben sind Rot und Pink.
Wie die übrigen Beiträge scheint auch James Rosenquists "Playmate" schnell skizziert. In überdimensionalem Format zeigt er auf 244 x 535 Zentimetern in der Bildmitte einen entblößten Frauentorso, rechts davon eine Essiggurke, links einen Erdbeerkuchen, davor die Gitterstruktur eines Papierkorbs. Sexuelle Konnotationen und Symboliken sind bei dieser, für den Künstler so typischen plakativen Inszenierung nur schwer zu bestreiten. Doch in seiner Autobiografie schreibt er selbst über die Arbeit: "I painted Playmate, a pregnant girl suffering from food cravings." (James Rosenquist, Painting Below Zero, New York 2009, S. 174). Mit nur einem kurzen Satz stellt er damit ganz unvermittelt die gesamte Rezeption des Werks und stereotype Sehgewohnheiten in Frage. Der zunächst ausschließlich männlich erscheinende Blick auf die "Idee" des Playmates wird ins Gegenteil verkehrt. Denn was er zeigt, oder sagt, zeigen zu wollen, ist ein sehr weibliches Verlangen, kein männliches.

In der Arbeit eine Kritik am Frauenbild des Playboys erkennen zu wollen, würde jedoch zu weit führen. Rosenquists Beteiligung an dem Projekt fällt in eine Phase des großen Erfolgs und ist mehr als ein humorvoll aufgefasstes Event zu verstehen. Im Gegensatz zu Warhol oder Wesselmann, die sich zumeist auf ein einzelnes Motiv konzentrieren, ermöglicht Rosenquist die Zusammenstellung verschiedener Elemente, von Ingrid Sischy einmal so treffend als "alchemy with images" bezeichnet (Ingrid Sischy, Rosenquist's Big Picture, Vanity Fair, Nov. 2015), lässt jedoch einen gewissen Spielraum für Zwischentöne. So bleibt beispielsweise die Anwesenheit des silbernen Papierkorbs nach wie vor ungeklärt und auch die Erweiterung der Leinwand durch Elemente aus Holz und Draht ist nicht einfach zu deuten. Fast scheint es, als würde das Playmate nicht ganz in die rechteckige, stereotype Form der Leinwand passen wollen. Wie so oft bei Rosenquist ist auch sein Playmate nur oberflächlich plakativ und mehr als die reine Wiedergabe eines medialen Abbilds.
Im Einleitungstext des "Playboys" ist in einer Aussage des Herausgebers Hugh M. Hefner über "Playmate as Fine Art" zu lesen: "[..] there is no doubt that the girls have become a fact in this generation's consciousness, an embodiment of a new feeling toward the female, an American phenomenon". Auch bei Rosenquist geht es somit um die Auseinandersetzung mit der amerikanischen Ästhetik und einem weiblichen Schönheitsideal, das sich erst in den folgenden Jahrzehnten international durchsetzen wird. Auch wenn aus heutiger Sicht dieses Frauenbild hinterfragt wird, so spiegelt die Aktion des "Playboys" vor allem den Zeitgeist der 1960er Jahre wider, in der die Pop-Art ihren internationalen Siegeszug antrat. Von James Rosenquist ist die Aussage bekannt: "Ich empfinde mich als amerikanischen Künstler: Ich bin in Amerika aufgewachsen, habe mir über Amerika Gedanken gemacht .. Ich wäre nicht der, der ich bin, würde nicht das tun, was ich mache, wenn ich in Frankreich oder Italien gelebt hätte." (James Rosenquist, zit. nach: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausg. 48, Heft 32, 1999) Sein Playmate mit Essensgelüsten ist ein Produkt dieser Zeit, ein humorvolles, erotisch prickelndes Gebilde mit leisen Zwischentönen und gleichzeitig Zeugnis einer der wichtigsten Kunstströmungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. [AR]



124000250
James Rosenquist
Playmate, 1966.
Öl auf Leinwand in vier Teilen, Holz, Metalldraht
Schätzpreis: € 1.000.000 - 1.500.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.