Auktion: 550 / Evening Sale am 07.06.2024 in München Lot 124000337


124000337
Günther Uecker
Nacht, 1986.
Mischtechnik. Nägel und schwarze Farbe über Lei...
Schätzpreis: € 400.000 - 600.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Nacht. 1986.
Mischtechnik. Nägel und schwarze Farbe über Leinwand auf Holz.
Verso signiert, datiert und betitelt sowie mit Richtungspfeil. 150 x 150 x 17 cm (59 x 59 x 6,6 in). [JS].


• "Nacht" – Eines der äußerst seltenen, großformatigen Kraftfelder in Schwarz.
• Mystisches Energiefeld in hochdynamischer Nagelung: Kosmische Entgrenzung in der von der kraftvollen Bewegung des Windes akzentuierten Weite der "Nacht".
• Faszination der Gegensätze: sanfte Bewegung und materielle Härte, Weite und Endlichkeit, Schönheit und Vergänglichkeit.
• "Wo die Sprache versagt, da beginnt das Bild" (Uecker): Der Nagel als anonymes, industrielles Produkt wird zum Träger intensiven geistigen Ausdrucks.
• Von musealer Qualität: 2015 Teil der legendären Ausstellung „Uecker“ im K20, Düsseldorf, anlässlich des 85. Geburtstags des Künstlers
.

PROVENIENZ: Sammlung R. J. Vandevelde (verso mit dem Sammlerstempel).
Privatsammlung Süddeutschland (seit 2006: Lempertz, Köln, 30.11.2006, Los 941).

AUSSTELLUNG: Uecker. Kunstsammlungen Nordrhein-Westfalen, K20 Grabbeplatz, Düsseldorf 7.2.-10.5.2015.

LITERATUR: Lempertz, Köln, Auktion 897, Zeitgenössische Kunst, 30.11.2006, S. 342, Los 941 (m. Abb.).

"Wer ihm [Uecker], wie ich, einmal bei der Arbeit zuschauen durfte, gewann den Eindruck, dass er die Nägel fast blind und blitzschnell in einer einzigen und durchgehenden Aktion in das Feld setzte [..] In der Spontanität der meisten seiner großen Nagelfelder könnte man auch eine Fortsetzung des Action Painting – nur mit anderen Mitteln – sehen [..]."
Dieter Honisch, in: Günther Uecker. Zwanzig Kapitel, 2005, S. 60.
"Die Kunst kann den Menschen nicht retten, aber mit den Mitteln der Kunst wird ein Dialog möglich, welcher zu einem den Menschen bewahrenden Handeln aufruft."
Günther Uecker, 1983, zit. nach: Günther Uecker. Opus liber, Mainz 2007, S. 339.

Unser großformatiges Kraftfeld "Nacht" aus dem Jahr 1986 gehört zu Ueckers berühmtester und begehrtester Werkgruppe der "Felder", die sich an Ueckers frühere, streng lineare "Raster" und "Strukturen" anschließen. Die "Felder" werden zum zentralen, unermüdlich variierten und weiterentwickelten Werkkomplex des international gefeierten "ZERO"-Künstlers. Uecker hat ganz im Sinne der "ZERO"-Bewegung die Kunst mit seinen Nagelbildern neu erfunden, sie von der bis dahin prägenden Bedeutung des malerischen Duktus als künstlerischer Handschrift befreit. Seit den 1960er Jahren setzt sich Uecker, der den Nagel zu seinem unverwechselbaren künstlerischen Ausdrucksmittel erklärt und ihm erstmals eine geistig-poetische Dimension verliehen hat, immer wieder mit dem von ihm erfundenen Sujet des Nagelfeldes auseinander und breitet anfänglich noch in kleinem, dann auch in zunehmend größerem Format ein dichtes Nagelgefüge in wirbelartiger Bewegung über die Leinwand aus. Seit den 1980er Jahren verwendet Uecker größere Nägel, mit langen Nagelhälsen, die er noch kraftvoller auf den Bildträger setzt und die nun zunehmend in stärker ausgreifenden Bewegungen den Bildraum strukturieren, die malerisch akzentuierte Fläche in die dritte Dimension erweitern. Auch lässt er die wogenden Nagelhälse nun teils ungefasst in ihrer dunklen Oberfläche stehen und bezieht auf diese Weise einen stärkeren Farb- und Materialkontrast in seine Kompositionen mit ein, der durch die wechselvolle Licht-Schatten-Wirkung noch verstärkt und verlebendigt wird. In Ueckers Arbeiten der 1980er Jahre tritt die Wucht und individuelle Dynamik ihres Entstehungsprozesses unmittelbarer als in den formal reduzierten Kompositionen der 1960er Jahre zutage. Muss sich der einzelne Nagel im Frühwerk in seiner genauen Ausrichtung noch stärker in die strenge Gesamtchoreografie der Nagelhälse einfügen, so erscheint er nun zunehmend emanzipiert, geht deutliche Gegenbewegungen und spannungsreiche Konfrontationen ein. Ueckers einzigartige künstlerische Schöpfungen rufen Erinnerungen an Landschaftseindrücke wach. Seine Nagelfelder erinnern an vom Sturm gezeichnete Getreide- oder Dünenlandschaften, und damit an kraftvolle Natureindrücke, wie sie für Ueckers Kindheit auf der Halbinsel Wustrow prägend waren. Zentral ist für Uecker der Gedanke der menschlichen Demut vor der Erhabenheit der Natur. Und so erinnert Ueckers faszinierende Schöpfung "Nacht" unweigerlich an Caspar David Friedrichs berühmtes Gemälde "Der Mönch am Meer" (1808/1810, Alte Nationalgalerie, Berlin), in welchem die unscheinbare Rückenfigur des Mönches geradezu eins wird mit dem sie umgebenden, überwältigen Natureindruck, der unendlichen Weite von Himmel und Meer und dem ewigen Zyklus von Werden und Vergehen. Jener romantische Blick, der die Entgrenzung des Menschen in der Natur sucht, zeigt deutliche Parallelen zu Ueckers Schaffen, auch wenn die künstlerische Umsetzung dieser komplexen Gedanken- und Gefühlswelten eine vollkommen andere ist. Das anonyme, industrielle Produkt des Nagels wird bei Uecker zum Träger intensiven geistigen Ausdrucks, bis heute ein künstlerisches Paradoxon, das für die einzigartige Aura von Ueckers gewaltigen Schöpfungen verantwortlich ist. Das Energiefeld "Nacht" ist ein herausragendes Beispiel für die besondere Kraft und Assoziationsdichte, die von Ueckers gewaltigem Schaffen ausgeht, es oszilliert zwischen grenzenloser Weite und Endlichkeit, Schönheit und Vergänglichkeit, Leben und Tod.
Ueckers Nagelbilder befinden sich heute in bedeutenden internationalen Sammlungen, u. a. der Tate Modern, London, dem Guggenheim Museum, New York, der Neuen Nationalgalerie und dem Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwartskunst, Berlin, und dem Centre Pompidou, Paris. [JS]



124000337
Günther Uecker
Nacht, 1986.
Mischtechnik. Nägel und schwarze Farbe über Lei...
Schätzpreis: € 400.000 - 600.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.