Auktion: 386 / Moderne Kunst am 10.12.2011 in München Lot 67

 
Lyonel Feininger - Das Bild der drei Klexe


67
Lyonel Feininger
Das Bild der drei Klexe, 1922.
Aquarell
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 95.160

(inkl. Käuferaufgeld)
Aquarell und Tuschfederzeichnung.
Links unten signiert, unten mittig betitelt und rechts unten datiert. Auf bräunlichem Bütten. 31,2 x 40,7 cm (12,2 x 16 in), Blattgröße.
Links unten mit einem handschriftlich gesetzten Kreuz, es handelt sich hierbei um einen Vermerk von Feininger für Werke, die er nicht zum Verkauf bestimmte. Außergewöhnliches Blatt aus der Bauhaus-Zeit.

Mit einer Fotoexpertise von Dr. Ulrich Luckhardt, Kurator der Kunsthalle Hamburg, vom 30. Januar 1999.

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers.
Julia Feininger.
Galerie Gmurzynska, Zug.
Privatsammlung Schweiz.

AUSSTELLUNG: Lyonel Feininger, Galerie Gmurzynska, Köln 1997 (mit Abb.).

Lyonel Feininger wird 1871 in New York als Sohn eines aus Deutschland stammenden Konzertgeigers geboren, seine Mutter ist Sängerin und Pianistin. 1887 folgt Feininger seinen Eltern nach Europa, wo er zunächst an der Gewerbeschule in Hamburg die Zeichen- und Malklasse besucht, dann von 1888 bis 1892 an der Königlichen Kunst-Akademie in Berlin studiert. Ein einjähriger Besuch der privaten Kunstschule des italienischen Bildhauers Filippo Colarossi in Paris folgt. 1893 kehrt Feininger nach Berlin zurück, wo er bis 1906 u.a. als Illustrator arbeitet. Die folgenden zwei Jahre hält sich Feininger in Paris auf und macht dort die Bekanntschaft mit dem "Café du Dôme"-Kreis der deutschen Matisse-Schüler, zudem lernt er Robert Delaunay kennen. 1909 wird Lyonel Feininger Mitglied der Berliner Sezession, an deren Ausstellung er ein Jahr später erstmals teilnimmt. Anlässlich seiner Ausstellung im "Salon des Indépendants" reist der Künstler 1911 nach Paris, wo er mit dem Kubismus in Berührung kommt. Durch die Bekanntschaft mit Alfred Kubin und den "Brücke"-Malern Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel 1912 eröffnen sich für sein Werk neue Dimensionen. Erste Architekturkompositionen mit der für Feininger typischen kubistischen Zersplitterung entstehen. Auf Einladung von Franz Marc nimmt Feininger 1913 am "Ersten Deutschen Herbstsalon" in der "Sturm"-Galerie von Herwarth Walden in Berlin teil, wo auch 1917 seine erste Einzelausstellung stattfindet. 1919 wird er von Walter Gropius ans Bauhaus in Weimar berufen, wo er bis 1926 Grafik und Malerei unterrichtet.

Ob Missgeschick oder Zufall, drei punktförmige Tuschekleckse markieren eine Meereslandschaft mit zwei großen Segelschiffen. Der spielerische Umgang mit Zufälligkeiten hat in der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts eine gewisse Tradition. Ursprünglich auf eine perfekte Ausarbeitung angelegt, wird das Kunstwerk, vor allem in der Periode des Expressionismus, zur Aussage eines augenblicklichen Zustandes. Das schließt Unregelmäßigkeiten mit ein. Später in der Dada-Bewegung wird die Unregelmäßigkeit, der Zufall zum literarisch geadelten Bildgegenstand. Feiningers Kleckse, auch in ihrer sprachlichen Feiningerversion "Klexe", erinnern an die Frühzeit des Künstlers, als er noch Illustrator und Comiczeichner war. Sie stehen im bewussten Gegensatz zu einer groß angelegten Landschaft in der Tradition eines Caspar David Friedrich und werden doch auf geheime Weise von ihr integriert. Die bewusste Hereinnahme der drei Kleckse in die Komposition lässt sich besonders an dem mittleren Klecks erkennen, verfolgt man die Linienkonstruktion, die genau vor dem Klecks aufhört. Feininger wird seine spielerische Freude an dieser optischen Herausforderung gehabt haben. Dies erklärt wohl auch, warum das Blatt von ihm als unverkäuflich markiert wurde.

Mit Wassily Kandinsky, Paul Klee und Alexej von Jawlensky gründet Feininger 1924 die Gruppe "Die Blauen Vier". Eine erste umfangreiche Retrospektive findet 1931 im Kronprinzen-Palais in Berlin statt, wohin er 1933 übersiedelt. 1937 emigriert Lyonel Feininger nach New York. Im selben Jahr werden in Deutschland über 400 seiner Arbeiten von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Der künstlerische Durchbruch in den USA gelingt Feininger erst 1944 durch eine Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art. 1945 leitet er einen Sommerkurs am Black Mountain College in North Carolina, wo er mit Gropius und Einstein zusammentrifft. Feiningers Unterricht, seine Schriften und seine späten Aquarelle werden in den Vereinigten Staaten richtungsweisend für die Entstehung der Malerei des Abstrakten Expressionismus. 1956 verstirbt der Künstler in New York. [KD].




67
Lyonel Feininger
Das Bild der drei Klexe, 1922.
Aquarell
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 95.160

(inkl. Käuferaufgeld)