Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 379

 

379
Rolf Nesch
The madwoman of Chaillot (3-teilig), 1951/52.
Metall
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 50.000

(inkl. Käuferaufgeld)
The madwoman of Chaillot (3-teilig). 1951/52.
Metalldruck in Farben mit Reliefprägung.
Helliesen/Sørensen 657. Alle drei Teile signiert und bezeichnet: "III tilstand (Zustand)". Eines von ca. 9 Exemplaren der kompletten Serie. Auf kartonstarkem Velin. Jeweils 41 x 57 cm (16,1 x 22,4 in). Papier jeweils: 48 x 65 cm (19 x 25,6 in).
[KD].
Prachtvoller Handdruck des Künstlers in wenigen Exemplaren.

PROVENIENZ: Privatsammlung USA.

Nach einer Lehre als Dekorationsmaler in Hildesheim, besucht Nesch 1909-1912 die Stuttgarter Kunstgewerbeschule und kommt 1912 als Malergeselle nach Dresden, wo er bald an der Akademie aufgenommen wird. Der Erste Weltkrieg unterbricht das Studium, das Nesch erst 1919 nach seiner Rückkehr aus englischer Kriegsgefangenschaft fortsetzt. Zurück in Dresden, erhält Nesch ein Meisteratelier. Drei Jahre später verbringt der Künstler mehrere Wochen bei Ernst Ludwig Kirchner in Frauenkirch bei Davos, um druckgrafische Techniken zu erlernen. Ab 1922 weilt Nesch jedes Jahr bei Freunden in Hamburg, wo er unter anderem engen Kontakt zu Gustav Schiefler pflegt und sich 1929 niederlässt. Dort wird Nesch Mitglied der "Freien Sezession". In den folgenden Jahren entstehen zahlreiche druckgrafische Arbeiten, die von einer starken Experimentierfreude geprägt sind, wie die Folgen "Karl Muck und sein Orchester", "St. Pauli" und die "Hamburger Brücken" zeigen. Nesch entwickelt für sich die Technik des Metalldrucks. Nach der zwangsweisen Auflösung der Hamburger Sezessionsbewegung emigriert Nesch 1933 nach Norwegen. Es entstehen zahlreiche großformatige Metalldrucke, darunter die Serie "Schnee". 1935 reist Nesch auf die Lofoten und verarbeitet die dort gewonnenen Eindrücke in der "Hudtwalcker-Mappe". Von 1939 bis 1943 zieht der Künstler nach Helvik auf Nesodden im Oslo-Fjord, dort schafft er zahlreiche Serien mit landschaftlichen und christlichen Motiven. 50-jährig erhält Nesch im Herbst 1943 einen Einberufungsbefehl der Wehrmacht. Doch bevor Nesch eingezogen werden kann, erleidet er einen schweren selbstverschuldeten Verkehrsunfall, verbringt vier Monate im Krankenhaus und wird mit einer leichten linksseitigen Lähmung entlassen. Nach der deutschen Kapitulation lernt Nesch in Oslo seine spätere Frau Ranghild Hald kennen und nimmt 1946/47 seine grafische Arbeit wieder auf.

Beeindruckende Theaterabende wurden oft von bildenden Künstlern in ihrer Weise interpretiert. Rolf Nesch hat sich durch eine Aufführung des Schauspiels "Die Irre von Chaillot" von Jean Giraudoux inspirieren lassen, das in den frühen 1950er Jahren auf den europäischen Bühnen viel gespielt wurde. Die technische Meisterschaft des von ihm selbst erarbeiteten Metalldrucks, der unterschiedliche Materialien in den Druck einbezieht und in seiner reliefartigen Struktur singulär in der Grafik der Moderne ist, hat Rolf Nesch den Ruf eines experimentellen Außenseiters eingebracht. Analog zur Textvorlage von Giraudoux sieht Nesch eine Welt voller Skurrilitäten, die er in den Gestalten seiner Arbeiten visualisiert. Die unterschiedliche Oberflächenstruktur verbunden mit einem individuellen Farbauftrag geben seinen Metalldrucken den Charakter eines Unikates, trotz der oft geringen Auflage der Arbeiten. Ähnlich den dekorativen Arbeiten von Gustav Klimt bestimmen auch in unserem Metalldruck dekorative Elemente die Komposition, hinter denen die Körperlichkeit der agierenden Personen zurücktritt. Rolf Nesch hat mit seinen Metalldrucken grafisches Neuland betreten und es ganz für sich und seine eigene Interpretation reservieren können.

Nach Ausstellungen in Oslo, Kopenhagen und 1949 in New York folgen zahlreiche Ausstellungen in Deutschland und Europa. Die Hansestadt Hamburg verleiht ihm 1958 den "Lichtwarck-Preis". Der Künstler arbeitet jetzt wieder verstärkt an verschiedenen Materialbildern, die parallel zu seinem grafischen Œuvre entstehen, wie z.B. "Heringsfang". Das Jahr 1961 verbringt Nesch größtenteils in Venedig. Zahlreiche Skizzen für eine Grafikfolge der Lagunenstadt entstehen, die Nesch 1962, im gleichen Jahr, in dem er Ehrenmitglied der Hamburger Akademie der Künste wird, auf der Biennale ausstellt. Zehn Jahre später widmet die Nationalgalerie Oslo Rolf Nesch anlässlich seines 80. Geburtstags eine umfangreiche Retrospektive. Rolf Nesch stirbt am 27. Oktober 1975 in Oslo.




379
Rolf Nesch
The madwoman of Chaillot (3-teilig), 1951/52.
Metall
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 50.000

(inkl. Käuferaufgeld)