Auktion: 429 / Kunst nach 1945 / Zeitgenössische Kunst am 04./05.12.2015 in München Lot 556.10

 

556.10
Alfred Hrdlicka
Gefesselter Haarmann, 1968.
Marmor
Schätzung:
€ 7.000
Ergebnis:
€ 37.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Gefesselter Haarmann. 1968.
Carrara-Marmor.
Lewin 98. Verso auf dem Sockel mit dem Monogramm und der Datierung. Höhe: 45,8 cm (18 in).
Die Skulptur des "Gefesselten Haarmanns" ist die letzte bildhauerische Auseinandersetzung Hrdlickas mit dem Thema des Triebtäters und Massenmörders Fritz Haarmann, der am 19. Dezember 1924 in Hannover zum Tode verurteilt worden ist.

Wir danken dem Alfred Hrdlicka-Archiv/The Estate of Alfred Hrdlicka, Wien, für die freundliche Auskunft.

PROVENIENZ: Galerie Valentien, Stuttgart.
Privatbesitz Stuttgart (wohl Ende der 1970er Jahre vom Vorgenannten erworben).
Sammlung Hildegard Auer, Oberpfalz (vom Vorgenannten als Geschenk erhalten).



Mitte der 1960er Jahre hat sich der bedeutende österreichische Bildhauer Alfred Hrdlicka im Rahmen eines Radierzyklusses mit dem historischen Stoff des hannoverschen Massenmörders Fritz Haarmann auseinandergesetzt. Der Gerichtsprozess, der 1924/25 mit Verurteilung und Hinrichtung endete, gilt als eines der wohl größten Medienereignisse der Weimarerer Republik. Ab 1965 beginnt Hrdlicka sich auch skulptural mit der Persönlichkeit Haarmanns auseinanderzusetzen. Ein in Kalkstein ausgeführter, sogenannter "Haarmann-Fries" befindet sich heute in der Sammlung des Sprengel-Museums in Hannover. Haarmann tötete seine jungen Opfer durch einen Biss in den Hals und zerstückelte sie auf grausamste Weise, soll die menschlichen Überreste dann im Flussbett der Leine versenkt haben. Vor allem das Operettenlied von Walter Kollo "Warte, warte nur ein Weilchen / Dann kommt auch das Glück zu dir" (1923), das im Volksmund bald auf folgenden Text umgedichtet wurde: "Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Schabefleisch aus dir", hat zu einem breiten nachträglichen Interesse an dem "Fall Haarmann" geführt. Dieses wurde zudem durch nachträgliche Gehirnuntersuchungen am Schädel des Hingerichteten, die hirnografische Schäden aufgrund früherer Krankheiten und damit eine nachträgliche Schuldunfähigkeit des Serienmörders nachgewiesen haben, bis zur Einäscherung des Schädels im Jahr 2014 wachgehalten. Hrdlickas"Gefesselter Haarmann" betont die kraftvoll-grobe Physiognomie des Serientäters und führt uns den triebhaften Menschen als gefesselte Kreatur vor Augen, die gebändigt und bedrohlich zugleich erscheint. Ab Ende der 1960er Jahre beherrscht die Welt psychisch Kranker, die durch Bedrohung, Angst, Schmerz, Leid und psychische Grenzsituationen gefährdete menschliche Figur, Alfred Hrdlickas beeindruckendes bildhauerisches Werk.



556.10
Alfred Hrdlicka
Gefesselter Haarmann, 1968.
Marmor
Schätzung:
€ 7.000
Ergebnis:
€ 37.500

(inkl. Käuferaufgeld)