Auktion: 500 / Evening Sale am 17.07.2020 in München Lot 275

 

275
Robert Longo
Ohne Titel (In the Garden, et in arcadia ego), 2009.
Kohlezeichnung
Schätzung:
€ 150.000
Ergebnis:
€ 225.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Ohne Titel (In the Garden, et in arcadia ego). 2009.
Kohlezeichnung.
Rechts unten signiert und datiert. Auf Velin, vom Künstler auf mit aluminiumverkleideter Holzplatte aufgezogen. 173,5 x 306 cm (68,3 x 120.4 in), blattgroß. [SM].

• Robert Longo fasziniert uns mit perfektionierter Technik.
• Sein Prinzip von Zeichnung ist die Wirkung von Fotografie.
• Monumentales Format von verzaubernder Wirkung
.

PROVENIENZ: Metro Pictures Gallery, New York (verso mit Galerieetikett).
Privatsammlung Rheinland.

Zeichnungen von Robert Longo faszinieren uns. Wir sind gefangen von der Kraft des Ausdrucks, die den Künstler auszeichnet, die perfektionierte Technik, mit der er seine Wahl der täglichen Bilderflut vorstellt und sich darin eine widergespiegelte Realität schafft. Neben den 'Fundstücken', die Longo etwa in dem "Magellan-Zyklus" verarbeitet und über das Jahr 1996 und jeden Tag jede nur erdenkliche Bildquelle seinem eigenwilligen Zeichenduktus unterzieht. Es fesseln ihn Dokumente der Geschichte wie die fotografische Dokumentation der Wohnung Sigmund Freuds, die der Fotograf Edmund Engelmann 1938 erstellt und die Longo dann in den Jahren 2002 bis 2003 in beeindruckender und zugleich beklemmender Weise wiedergibt. Er kann sich dem Faszinosum von überschlagenden Ozeanwellen, dem imposanten Schauspiel der Explosion einer Atombombe kaum entziehen. So stellt er auch Szenen nach, inszeniert sie und fotografiert sie, eine Machart, die wir von den Selbstinszenierungen Cindy Shermans kennen, mit der er befreundet ist. "Das Zeichnen war für mich etwas, dessen ich mich zu bedienen wusste, ein Mittel, mit dem ich eine Vision realisieren konnte. Die Reaktion auf die Kunstfertigkeit der Zeichnungen hatte ich nicht vorhergesehen. [..] Ich wollte nicht, dass man wegen der Perfektion der Zeichnungen auf die Arbeiten reagierte. Die Zeichnungen wirken gezeichneter, als sie es tatsächlich sind, für mich funktionieren sie wie große schwarzweiße Abstraktionen. [..] Ich wollte monumentale Zeichnungen schaffen, die so groß waren wie Action Paintings und sich wie Skulpturen anfühlten. [..] Meine Zeichnungen sind wie Skulpturen, wenn ich mit Graphit und Kohle arbeite, verschmiere ich sie mit den Fingern, bewege sie physisch, sie sind wie Ton. Ich hatte nie große Lust zur Malerei. Sie schien mir immer zu schmutzig, zu langsam, zu sehr ein Verdecken der Oberfläche zu sein. Beim Zeichnen arbeitet man das Bild in die Oberfläche ein wie eine Photographie", so Robert Longo in einem Interview mit dem US-amerikanischen Schriftsteller und Drehbuchautor Richard Price 1987. (In: Robert Longo, Men in The City, Photographs 1976-1982, München 2009, S. 126 f.) In seinen Arbeiten fasziniert die Wirkung von weichen Übergängen, in dem er das Granulat der Kohle nur leicht fixiert und die im Prinzip schutzlose Fläche hinter Glas sichert. Mit der gewünschten Spiegelung erreicht der Künstler einen weiteren Effekt: Das Motiv erfährt zusätzliche Distanz und simuliert sein Prinzip von Zeichnung: die Wirkung von Fotografie. Das pechrabenschwarze Schwarz in den Zeichnungen Robert Longos ist vergleichbar mit dem 'Autre Noir' von Pierre Soulages, zeigt vielleicht auch die finstere Stimmung, mit der Giovanni Piranesi einst seine "Carceri d´invenzione: Das große Rad" erzeugt. Longos Verarbeitung seiner Motive ist eine raffiniert inszenierte Vermischung vom Sehen der Vorlage und seiner persönlichen Beobachtung. Die Motive werden nicht jeweils direkt der Realität entnommen, sondern der Künstler verwirklicht seine Idee von Wirklichkeit. Insofern bindet Longo wie Gerhard Richter das fotografierte Ereignis, das er darstellen möchte, an ein Stilmittel wie der Unschärfe, zu der Gerhard Richter greift, um das Thema in seine Malerei zu übertragen. Dem setzt Longo sein nicht weniger symbolisches Schwarz entgegen und kreiert zusätzlich geheimnisvollen Zauber mit dem Titel wie hier: "In the Garden - Et in Arcadia Ego". Die lateinische Phrase "Et in Arcadia Ego" (Auch ich (war) in Arkadien) geht auf Vergil zurück und wird in der Renaissance und im Barock zum Symbol für das Goldene Zeitalter, in dem die Menschen als glückliche Hirten leben und sich im Einklang mit der Natur ganz der Muße, der Liebe, der Dichtung und Musik hingeben. Bildhaft inszeniert der italienische Barockmaler Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino, in dem gleichnamigen Gemälde diesen Topos: Hirten in Arkadien betrachten staunend ein Stillleben mit Totenkopf, der anzeigt, das auch der Tod in Arcadien zu Hause ist. Viel bekannter wird das Vanitas -Thema durch den französischen Barockmaler Nicolas Poussin und dessen umstrittene Umdeutung. Mit dem kolossalen Ausschnitt eines Waldstücks und der beeindruckenden Inszenierung des Sonnenlichtes, das im Gegenlicht in der Ferne eine Lichtung überstrahlt und zwischen den Bäumen uns gleichsam blendet, schafft Longo eine Art von Sehnsuchtsort, der uns im Dunkel des Waldes in der Geschichte unseres Daseins Verheißung verspricht. Nicht ohne Bedacht lässt der Künstler schemenhafte Gestalten ganz links im Zauberwald zum ewigen Licht streben. [MvL]



275
Robert Longo
Ohne Titel (In the Garden, et in arcadia ego), 2009.
Kohlezeichnung
Schätzung:
€ 150.000
Ergebnis:
€ 225.000

(inkl. Käuferaufgeld)