Auktion: 518 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 17.06.2021 in München Lot 40

 

40
Hans Thoma
Flora, 1882.
Öl auf Papier, aufgelegt auf Leinwand
Schätzung:
€ 25.000
Ergebnis:
€ 50.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Flora. 1882.
Öl auf Papier, aufgelegt auf Leinwand.
Unten rechts monogrammiert und datiert. Verso auf dem Keilrahmen mit einem alten, nummerierten Etikett. 113 x 62 cm (44,4 x 24,4 in).

• Eine Hommage des Künstlers an seine Frau, die Blumenmalerin Bonicella "Cella" Thoma.
• Außergewöhnliche Provenienz, zu den Vorbesitzern zählt Henry Thode, Direktor des Städelschen Kunstinstitutes Frankfurt 1889 und Förderer von Hans Thoma und Arnold Böcklin.
• Wichtiges persönliches Motiv, welches der Künstler in verschiedenen Versionen angefertigt hat
• Kompositorisch gelungenste Version, auf der die Ähnlichkeit mit Cella am deutlichsten zu tragen kommt
.

Wir danken Dr. Mathias Listl, Kunsthalle Mannheim, und Dr. Tessa Rosebrock, Kunstmuseum Basel, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Sammlung Henry Thode, Heidelberg (1909, bis spätestens 1920).
Sammlung Hermann Weiß, Landau (spätestens August 1933– mindestens September 1937).
Sammlung Karl Georg Wambsganß, Mannheim (mindestens Mai 1939–1943).
Privatsammlung Mannheim (drei Generationen in Familienbesitz).
Gütliche Einigung mit den Erben nach Hermann Weiß (2021).
Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen. Das Angebot erfolgt in freundlichem Einvernehmen mit den Erben nach Hermann Weiß auf Grundlage einer fairen und gerechten Lösung.

AUSSTELLUNG: Hans Thoma 1839–1939, Gedächtnisausstellung zum 100. Geburtstag, Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe, 1939, Nr. 122.
Hans Thoma. Lebensbilder, Augustinermuseum Freiburg im Breisgau, 2.10.–3.12.1989, S. 232, Nr. 69 (mit Farbabb.).

LITERATUR: Henry Thode, Klassiker der Kunst: Hans Thoma, Stuttgart/Leipzig 1909, S. 179 (mit Farbabb.), S. 528.
Karl Robert Langewiesche, Hans Thoma. Der liebe Friede, Königstein im Taunus/Leipzig 1927, S. 21 (mit Farbabb.).
Galerie Heinemann, München, Angebot von Hermann Weiß, 1933 und 1937 (Manuskript, Galerienachlass Heinemann - Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, Kartei angebotene Bilder, KA-T-147, Dokument-ID: 26956).
Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe, Versicherungsnachweis für K. G. Wambsganß, 4.5.1939, Nr. 1 (Typoskript, Archiv der Kunsthalle Karlsruhe).
Kunsthalle Mannheim, Verzeichnis der im Schlosskeller Heidelberg untergebrachten Kunstwerke aus Privatbesitz, wohl Herbst 1943, Nr. 10 (Typoskript, Stadtarchiv Mannheim, Bestand Kunsthalle, Ordner „Aufbewahrung von Kunstwerken, Leihgaben von Privaten, Aufbewahrung von Kunstwerken zur Begutachtung, 2012, Ordner 325, S. 6–8).

Der Göttin des Frühlings und der Blüte kommt im Werk von Hans Thoma eine besondere Bedeutung zu. Diese reift heran in der Beziehung zu seiner Frau Bonicella, genannt Cella, die Thoma als Modell bei seinem Malerkollegen Victor Müller kennenlernt, der sie damals schon als Blumenmädchen inszeniert. Bald posiert sie auch für Thoma, der sie ebenfalls beim Blumenpflücken malt und den sie 1877 heiratet. Zwei Jahre später entsteht eine erste Version des Themas, die „Schwarzwaldflora“ (Hessisches Landesmuseum, Darmstadt). Bei Thoma nimmt Cella Unterricht im Malen und begeistert sich vor allem für Blumenstillleben, für deren Motive sie selbst im Sommer für Material sorgt. Thoma begründet die Entstehung des Themas in seinem Werk als eine liebevolle Hommage an die Gattin, „weil meine Frau sich im Heimschleppen von Feldblumen nie genug thun konnte“ (Hans Thoma: Offener Brief, in: Deutsche Kunst und Dekoration, 37, 1915/16, S. 39), und er als „geduldiger Ehemann“ sie anschließend natürlich beim Heimtragen unterstützt. Während seiner vorherigen Italienreisen hatte sich Thoma intensiv mit der italienischen Frührenaissance beschäftigt. Besonders Sandro Botticellis „Primavera“, in dem die Flora als zentrale Figur des Erwachens der Natur über eine blumenübersäte Wiese einherschreitet, in ihrem Schoß die Blumen tragend und auf dem Kopf eine Blütenkrone, ist dabei emblematisches Vorbild. Thomas Flora ist mit einer Krone aus Rosen, den Blumen der Liebe, geschmückt, in ihrem Korb befinden sich die von Cella so geliebten Feldblumen wie Margueriten. Ihr Gesicht trägt die Züge Cellas, deren Blick sich auf die mit romantischen Schmetterlingsflügeln versehenen kleinen Putti richtet. Diese kleinen, kindlichen Liebesboten sind für Thoma der naiv-natürliche Inbegriff des Lebens. Der sanfte Hain mit dem Plätschern der Quelle, dem Rauschen der Bäume vermittelt das lyrische Naturgefühl Thomas, das sich hier im Motiv des paradiesischen Liebesgartens, in dem ewiger Frühling herrscht, ausdrückt. Die ganz eigene, entrückte und so vollkommen aus der Zeit gefallene Bildwelt Thomas fasziniert auch Henry Thode, einer der ersten Besitzer des Bildes und großer Bewunderer Thomas. 1889 wird Thode zum Direktor des Städelschen Kunstinstitutes in Frankfurt berufen, wo er Thoma kennenlernt, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird. Neben seiner Begeisterung für die italienische Renaissance wird er zum Verfechter eines Kunstideals, welches sich im Gegensatz zum Impressionismus – für ihn lediglich „Raffinement einer zur Schau getragenen Technik“, reine Optik ohne seelischen Gehalt – mit dem „innigen Seelenausdruck“ und dichterisch-musikalischen Vorstellungen und Inhalten beschäftige; für ihn vollendet in den Werken Arnold Böcklins und Hans Thomas (vgl. Henry Thode, Hans Thoma: Betrachtungen über die Gesetzmäßigkeiten seines Stils, in: Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, Heft 13, 1904, S. 297f.).
Wie Thode ist auch der Ledergroßhändler Hermann Weiß aus Landau, einer der wohlhabendsten und angesehensten Bürger seiner Heimatstadt, ein ausgesprochener Liebhaber der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts. In seiner Sammlung finden sich Werke von Künstlern wie Carl Spitzweg, Wilhelm Trübner oder Eduard von Grützner. Die herrschaftliche Sieben-Zimmer-Wohnung in der Landauer Martin-Luther-Straße 28, die Hermann Weiß gemeinsam mit seiner Frau bewohnt, beherbergt neben der Kunstsammlung auch wertvollste Teppiche und Möbel. Als Jude hat Hermann Weiß in der NS-Zeit jedoch zunehmend unter Repressionen zu leiden. 1937/38 versucht er bereits, sich von einem Teil seiner Gemäldesammlung zu trennen. Was er nicht verkaufen kann, ist ihm dennoch verloren: Während der Novemberpogrome von 1938 wird die Wohnung des Ehepaars Weiß vollständig geplündert und zerstört. Nichts als Verwüstung bleibt zurück. Hermann und seine Frau Helene müssen in einer Pension in Wiesbaden unterkommen, bis ihnen im September 1939 endlich die Flucht nach Tel Aviv gelingt.
Das Gemälde „Flora“ hatte Weiß bereits im Jahr 1937 zu verkaufen versucht. Das eindrucksvolle Kunstwerk gelangte schließlich, wohl auf privaten Wegen, in die Hände des bekannten Mannheimer Sammlers Karl Georg Wambsganß. Hier konnte es, zwischenzeitlich im Kellergewölbe des Heidelberger Schlosses vor den Bomben in Sicherheit gebracht, die Kriegsjahre unbeschadet überstehen.
Heute kann dieses so zarte und liebreizende Gemälde mit seiner so bewegten wie bewegenden Geschichte auf Grundlage einer „fairen und gerechten Lösung“ in bestem Einvernehmen mit den Erben nach Hermann Weiß angeboten werden. [KT/AT]



40
Hans Thoma
Flora, 1882.
Öl auf Papier, aufgelegt auf Leinwand
Schätzung:
€ 25.000
Ergebnis:
€ 50.000

(inkl. Käuferaufgeld)