Auktion: 540 / Evening Sale am 09.06.2023 in München Lot 52

 

52
Martin Kippenberger
Gruga-Bad, 1982.
Mischtechnik auf Leinwand mit Plastikhaken und ...
Schätzpreis: € 300.000 - 500.000
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Gruga-Bad. 1982.
Mischtechnik auf Leinwand mit Plastikhaken und Waschlappen, 3-teilig.
Jeweils 120 x 100 cm (47,2 x 39,3 in).
[JS].
• Herausragendes Beispiel für Kippenbergers sprunghaft-assoziatives Schaffen aus der besten Entstehungszeit Anfang der 1980er Jahre.
• Programmatisch-humorvolle Hommage an Kippenbergers Ruhrgebiets-Kindheit, das legendäre "Gruga-Bad" in Essen sowie den Wörthersee, das beliebteste deutsche Urlaubsziel der 1960er Jahre.
• Beste Provenienz: von der Galerie Max Hetzler, Kippenbergers erstem Galeristen, in die bedeutende Kippenberger-Sammlung von Hans-Jürgen Müller, Stuttgart.
• Bereits 1985 auf der programmatischen Ausstellung "Tiefe Blicke. Kunst der achtziger Jahre" vertreten.
• An der Humorlosigkeit des nationalen Kunstbetriebes gescheitert, wird Kippenbergers Werk zu Lebzeiten vorrangig international mit großen Einzelausstellungen gewürdigt.
• Das Museum of Modern Art, New York, zeigt 2009 eine Kippenberger-Retrospektive, 2013 folgt das Museum Hamburger Bahnhof, Berlin
.

Dieses Werk wird Teil des in Vorbereitung befindlichen Werkverzeichnisses der Gemälde Band I 1976-1982 sein, das vom Nachlass von Martin Kippenberger zusammengestellt wird.
Mit einem Foto-Zertifikat des Estate Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Köln, vom Mai 2023.

PROVENIENZ: Galerie Max-Ulrich Hetzler, Stuttgart (auf dem Keilrahmen jeweils mit dem Etikett).
Sammlung Hans-Jürgen Müller, Stuttgart (vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Süddeutschland (1992 vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Kippenberger zum Thema ‘Fiffen, Faufen und Ferfaufen’, Studio f, Ulm, 31.10.-5.12.1982 (nur eine Leinwand).
Tiefe Blicke, Kunst der achtziger Jahre aus der Bundesrepublik Deutschland, der DDR, Österreich und der Schweiz, Hessisches Landesmuseum, Darmstadt, 1985, Abb. 54 (auf zwei Keilrahmen mit dem Etikett).
Hessisches Landesmuseum, Damstadt (seit 1985, Dauerleihgabe aus der Sammlung Hans-Jürgen Müller).
Schlachtpunk. Malerei der achtziger Jahre, hrsg. v. Peter Joch und Klaus-D. Pohl, Kunsthalle Darmstadt, 31.1.-29.4.2012, Abb. 47 (nur eine Leinwand).
Zwei Alter: Jung, Crone Galerie, Berlin, Oktober 2019.

"Ob wir wollten oder nicht, unser Vater schleppte uns so regelmäßig ins Folkwangmuseum wie ins Grugabad."
Susanne Kippenberger, das alte Ruhrgebiet ist bald Geschichte, Tagesspiegel, 17.5.2018.

"Kunst wird sowieso ja erst im Nachhinein betrachtet [..]. Was dann die Leute von mir ERZÄHLEN werden, entscheidet. Ob ich gute Laune verbreitet habe oder nicht. Und ich arbeite daran, dass die Leute sagen können: Kippenberger war gute Laune!"
Martin Kippenberger, zit. nach: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, München 1994, S. 14.

Aufrufzeit: 09.06.2023 - ca. 18.42 h +/- 20 Min.

"Kippenberger war gute Laune!" und seiner Zeit voraus – Zur internationalen Würdigung eines Ausnahmekünstlers
Gerade einmal 44 Jahre wurde Martin Kippenberger, der gerne als das Enfant terrible des Berliner Kunstbetriebes beschrieben wird, weil er rastlos, emotional, unangepasst und in jeder Hinsicht intensiv lebte, sich der Mensch kaum vom Künstler trennen ließ. Kippenberger hat fast sein ganzes Leben zur Kunst gemacht. Kunst aber war für ihn auch immer Provokation. Kippenbergers Kunst will sich der Maßgabe ästhetisch, schön oder auch nur dekorativ zu sein nicht unterordnen und so schreibt seine Schwester Susanne treffend: "Nicht vor der weißen Leinwand hatter er Angst, sondern davor schöne Bilder zu malen." (Susanne Kippenberger, Kippenberger. Der Künstler und seine Familie, Berlin 2007, S. 13). Provokant, frei und hemmungslos könnte man Kippenbergers Werk auch als Anti- oder Nonsens-Kunst beschreiben, die regelmäßig die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet. Kippenberger, der in Berlin Kippenbergers Büro und den legendären Kreuzberger Club SO 36 betreibt, hat mit einem Werk, das in einer spielerischen Nonchalance zwischen Malerei, Skulptur, Installation und Happening wechselte, provoziert und überfordert. Er war seiner Zeit voraus und hat auf diese Weise die Humorlosigkeit deutscher Museumsdirektoren entlarvt, die laut Zdenek Felix, dem früheren Direktor der Hamburger Deichtorhallen, mit dafür verantwortlich war, dass Kippenberger zu Lebzeiten zwar im Centre Pompidou in Paris, im Hirshhorn Museum in Washington, im San Fancisco Museum of Modern Art und im Boijmans van Beuningen in Rotterdam Einzelausstellungen hatte, aber in kaum einem deutschen Museum. Und so schreibt der Berliner Tagesspiegel 2013 zur Eröffnung der großen Kippenberger-Retrospektive im Hamburger Bahnhof: "Es hat verdammt lang gedauert. Jetzt hat er es in die Hauptstadt geschafft. [..] Oder ist es nicht vielmehr umgekehrt? Berlin hat es endlich vollbracht, Martin Kippenberger in den Kanon der Kunstgeschichte aufzunehmen – 16 Jahre nach dem frühen Tod des damals 44-Jährigen. Der Ausstellungstitel 'sehr gut/very good' spielt mit dieser Ambivalenz. Die ironische Bestnote gilt für beide Seiten: für den Künstler wie den Hamburger Bahnhof mit seiner Werkschau zu Kippenbergers Sechzigstem [..]." (Martin-Kippenberger-Retrospektive. Jeder Künstler ist ein Mensch, Tagesspiegel 22.2.2013). Das Museum of Modern Art in New York ist 2009 dem Hamburger Bahnhof allerdings noch mit der großen amerikanischen Retrospektiv-Schau "Martin Kippenberger: The Problem Perspective" zuvorgekommen.

"Gruga-Bad" –
Humorvolle Hommage an Kippenbergers Ruhrgebiets-Kindheit der 1960er Jahre
Mit seinen vier Schwestern Barbara, Sabine, Susanne und Bettina ist Martin Kippenberger in Essen-Frillendorf im Ruhrgebiet aufgewachsen, das in den 1960er Jahren für seinen rauhen Arbeitercharme und seine schlechte Luft bekannt war. Seine Schwester Susanne hat den wenig idyllischen Charakter mit den folgenden Worten beschrieben: "Die großen Ferien haben wir immer in Holland verbracht: frische Luft schnappen. Auf dem Rückweg wussten wir genau, wann es nicht mehr weit bis nach Hause war. Wir haben es gerochen. Spätestens in Oberhausen stieg uns 'Rußland', wie das selbstironische Motto einer Imagekampagne hieß, beißend in die Nase, es qualmte überall. Unser Zuhause lag in Essen-Frillendorf, gleich neben dem Schacht, die ganze Nachbarschaft hat auf der Zeche gearbeitet, unser Vater auch." (Susanne Kippenberger, das alte Ruhrgebiet ist bald Geschichte, Tagesspiegel, 17.5.2018). Essen war aber in Kippenbergers 60er-Jahre-Kindheit neben dem Bergbau auch untrennbar mit dem 1964 auf einem riesigen parkänlichen Areal errichteten und heute unter Denkmalschutz stehenden "Gruga-Bad" verbunden, das eine willkommene Auszeit vom Alltag versprach. Auch für Kippenberger, der schon als Kind den Sonntag hasste, weil er nichts mehr fürchtete als Langeweile, müssen die Schwimmbadbesuche mit seinen vier Schwestern eine willkommene Abwechslung gewesen sein. Kippenbergers "Gruga-Bad" transportiert dieses verheißungsvolle Feriengefühl, jene zeit- und pflichtvergessene Leichtigkeit der Sommermonate, indem es auf drei Leinwänden eine Vielzahl von Sinneseindrücken ausbreitet, die der Künstler als Kind aufgesogen und fortan in seiner Erinnerung konserviert hat: der rote Bodenbelag mit dem weißen Streifenmuster, der die Wärme der Sonnenstrahlen speichert, die netzartige Struktur des hellen Sprungturms, das leuchtende Blau des Sommerhimmels, Sonne auf der Haut, Wassertropfen und das glitzernde Blau. Kippenbergers "Gruga-Bad" vereint all das zu einem synästhetischen Erlebnis, es ist das Bild gewordene Gefühl von Sommer, Unbeschwertheit und absoluter Freiheit. Es ist ein herausragendes Beispiel für Kippenbergers konventionsbefreite, rein assoziative Malerei, die zudem durch die humorvolle, assemblageartige Integration des Waschlappens darüber hinaus die klassischen Grenzen des Tafelbildes sprengt. "Gesundheitszentrum am Wörthersee" lautet die Aufschrift im Frotteegewebe des Waschlappens, der vor einer der Leinwände locker von einem der drei Plastikhaken mit Blümchenmotiv baumelt und nicht nur formal, sondern auch inhaltlich den entscheidenden Verfremdungseffekt in dieser Arbeit liefert, obwohl er sich dem ersten Anschein nach zunächst stimmig in den 1960er-Jahre-Schwimmbadkontext einzufügen scheint. Durch diesen spielerisch anmutenden Kunstgriff schafft Kippenberger neue inhaltliche Verknüpfungen: Ruhrgebiet und Wörthersee, Heimweh und Fernweh, Erinnerung und Vorfreude, denn der Wörtherseee war in den 1960er Jahren das beliebteste Urlaubsziel der Deutschen. Kippenberger war auch ein Sprachkünstler, hat sich auch hier über sämtliche Konventionen hinweggesetzt, hat die Buchstaben beim Schreiben verdreht, die Gedanken in großen, frei assoziativen Sprüngen miteinander verknüpft und damit immer wieder neue Sinnzusammenhänge und erfrischend-humorvolle Mehrdeutigkeiten geschaffen. Auch seine Malerei hat dadurch einen entscheidenden Anstoß erhalten, den Kippenberger selbst als entscheidenden Wendepunkt in seinem Werk bezeichnet hat. Sein Freund, der Düsseldorfer Bildhauer Meuser habe in der legendären Paris Bar zu ihm gesagt: "Kippenberger, so wie du redest – du solltest mal anfangen, genau so Bilder zu malen, wie du erzählst, und dann hab ich richtig losgelegt. Das war irgendwie ein klares Argument." (zit. nach: S. Kippenberger, Kippenberger. Der Künstler und seine Familien, Berlin 2010, S. 211).

Von Max Hetzler zu Hans-Jürgen Müller – Kippenbergers "Gruga-Bad" ist ein erfrischendes Meisterwerk der frühen 1980er Jahre

Kippenberger war eine bekannte Berliner Szenefigur, aber im Kunst- und Ausstellungsbetrieb der Stadt ist er damals nie wirklich angekommen. 1981 geht er deshalb zunächst nach Stuttgart, wo ihn der junge Galerist Max Hetzler unter Vertrag nimmt. "Er hatte es geschafft: Hatte einen kommerziellen Galeristen und damit ein Zuhause im Kunstbetrieb und gleich eine ganze Künstlerfamilie. Auch Albert und Markus Oehlen, Werner Büttner, Günther Förg [..] wurden von Hetzler vertreten [..]. Zum ersten Mal wurde Martin als Künstler und nicht nur als Berliner Szenefigur wahrgenommen, zum ersten Mal ließ sich ein Publikum nicht nur von ihm unterhalten, sondern kaufte auch seine Arbeiten. 'Investieren Sie in Oel!' hatte er ihnen auf der Einladungskarte zugerufen." (S. Kippenberger, ebd., S. 221). Über die frühen Ausstellungen bei Hetzler findet Kippenberger seine wichtigsten Sammler, wie die Familie Grässlin im Schwarzwald, den Stuttgarter Uli Knecht und Hans-Jürgen Müller, der gerade vom Galeristen zum Sammler wurde. Müller, aus dessen Sammlung auch das Gemälde "Gruga-Bad" stammt, begann damals sich eine bedeutende Sammlung junger Kunst der 1980er Jahre aufzubauen, die 1985 in der legendären Ausstellung "Tiefe Blicke. Kunst der achtziger Jahre" im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt zu sehen war. Kippenbergers "Gruga-Bad" war auch Teil dieser bedeutenden Schau, eine der ersten musealen Würdigungen dieser jungen, unangepassten künstlerischen Positionen.

Kippenberger ist gute Laune! – Zur anhaltenden Faszination jugendlicher Unangepasstheit und Lebensfreunde
Für Kippenberger sollten noch zahlreiche Einzelausstellungen im Aus- und später auch Inland folgen, aber die Rezeption dieses äußerst vielseitigen und komplexen Œuvres ist trotz großer Retrospektiven im Museum of Modern Art, New York (2009), und im Hamburger Bahnhof, Berlin (2013), noch längst nicht abgeschlossen. Es fordert und überfordert noch heute unsere überkommenen Sehgewohnheiten und beweist damit immer wieder aufs Neue, wie weit Kippenbergers faszinierendes, von einer kindlichen Freude und Unangepasstheit getragenes Werk seiner Zeit voraus war.
Kippenberger, der stets ein exzessiv Lebender war, hat seinen großen musealen Durchbruch nicht mehr feiern können: "Der frühe Tod hat ihn, vor allem bei Jüngeren, zum Mythos gemacht, eine Art James Dean der zeitgenössischen deutschen Kunst. [..] Er wollte ihn erleben und genießen, den Erfolg, den er verdiente, wie er fand. Er hat ja geglaubt an sich, von Anfang an, an sich und die Kunst." (S. Kippenberger, ebd., S. 10). [JS]



 

Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung zu Martin Kippenberger "Gruga-Bad"
Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten, Folgerechtsvergütung fällt an.

Berechnung bei Differenzbesteuerung:
Zuschlagspreis bis 800.000 Euro: hieraus Aufgeld 32 %.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 800.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 27 % berechnet und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 800.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 22 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Das Aufgeld enthält die Umsatzsteuer, diese wird jedoch nicht ausgewiesen.

Berechnung bei Regelbesteuerung:
Zuschlagspreis bis 800.000 Euro: hieraus Aufgeld 27 %.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 800.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 21 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 800.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf die Summe von Zuschlag und Aufgeld wird die gesetzliche Umsatzsteuer, derzeit 19 %, erhoben. Als Ausnahme hiervon wird bei gedruckten Büchern der ermäßigte Umsatzsteuersatz von derzeit 7 % hinzugerechnet.

Wir bitten um schriftliche Mitteilung vor Rechnungsstellung, sollten Sie Regelbesteuerung wünschen.

Berechnung der Folgerechtsvergütung:
Für Werke lebender Künstler oder von Künstlern, die vor weniger als 70 Jahren verstorben sind, fällt gemäß § 26 UrhG eine Folgerechtsvergütung in folgender Höhe an:
4% des Zuschlags ab 400,00 Euro bis zu 50.000 Euro,
weitere 3 % Prozent für den Teil des Zuschlags von 50.000,01 bis 200.000 Euro,
weitere 1 % für den Teil des Zuschlags von 200.000,01 bis 350.000 Euro,
weitere 0,5 Prozent für den Teil des Zuschlags von 350.000,01 bis 500.000 Euro und
weitere 0,25 Prozent für den Teil Zuschlags über 500.000 Euro.
Der Gesamtbetrag der Folgerechtsvergütung aus einer Weiterveräußerung beträgt höchstens 12.500 Euro.

Die Folgerechtsvergütung ist umsatzsteuerfrei.