Auktion: 409 / Klassische Moderne und Seitenwege der dt.Avantgard am 06.12.2013 in München Lot 317

 

317
Ernst Barlach
Der Rächer, 1914.
Bronze
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 58.560

(inkl. Käuferaufgeld)
Der Rächer. 1914.
Bronze mit dunkelbrauner Patina.
Laur 229. Schult 167. Auf der Plinthe mit dem Namenszug sowie verso mit dem Gießerstempel "H. Noack Berlin". Aus einer Gesamtauflage von 30 Güssen. Ca. 43,5 x 58,3 x 21 cm (17,1 x 22,9 x 8,2 in).
Hervorragender Guss mit gleichmäßiger Patina. Wohl in den 1960/1970er Jahren von der Bildgießerei Noack, Berlin, gegossen.
Weitere Exemplare befinden sich u.a. in folgenden Museen:
Busch-Reisinger Museum, Harvard University Art Museums, Cambridge/Mass.
Kunsthaus, Zürich.
Folkwang Museum, Essen.
Ernst Barlach Haus, Hamburg.
Israel Museum, Jerusalem.
Museum Ludwig, Köln.

Wir danken der Ernst Barlach Lizensverwaltung, Ratzeburg, für die wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Privatsammlung Norddeutschland.

LITERATUR: (jeweils wohl anderes Exemplar)
Bronzen von Ernst Barlach, Galerie Flechtheim, Berlin 1930, Kat.Nr. 10.
Ernst Barlach, Ausst.Kat. Kunsthalle Bremen, Bremen 1959, Kat.Nr. 498.
Ernst Barlach. Denkzeichen, Ausst.Kat. Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Schloß Gottorf, Schleswig 1989, Nr. 17.
Heinz Spielmann, Stiftung und Sammlung Rolf Horn, Schleswig 1995, Nr. 115.
Anita Beloubek-Hammer, Ernst Barlach. Plastische Meisterwerke, Leipzig 1996, S. 14, 66f.
Elisabeth Laur, Der Bildhauer als Buchkünstler, in: Ernst Barlach. Kaviar statt Brot. Kurt Reutti. Sammler und Stifter, Ausst.Kat. Kunsthalle Bremen, Bremen 2001, S. 29f.
Ernst Barlach, Mystiker der Moderne, Ausst.Kat. Ernst Barlach Gesellschaft, Hamburg 2003, S. 240.
Ernst Barlach Retrospektive, The National Museum of Modern Art Kyoto; The University Art Museum, Tokyo National University of Fine Arts and Music, Yamanashi Prefectural Museum of Art, Kofu, Kyoto 2006, Nr. 85.

Die Ausbildung des norddeutschen Bildhauers und Grafikers Ernst Barlach beginnt in Hamburg. Hier besucht er ab 1888 die Gewerbeschule. 1891 führt ihn sein Weg an die Dresdner Akademie, wo er seine Studien im Fach Bildhauerei fortsetzt und Meisterschüler von Robert Diez wird. Gefestigt wird Barlachs gründliche akademische Ausbildung durch zwei Studienaufenthalte in Paris 1895 und 1897. Eine 1906 unternommene Russlandreise beeinflusst sein künstlerisches Schaffen nachhaltig. Die Eindrücke des urwüchsigen Bauerntums und der russischen Volkskunst schlagen sich fortan in der kraftvollen und volksnahen Gestaltungsweise seiner Skulpturen nieder. Daneben entstehen in diesen Jahren grafische Illustrationszyklen zu eigenen Dramen. 1910 lässt Barlach sich in Güstrow (Mecklenburg) nieder. 1917 findet Barlachs erste Ausstellung bei Paul Cassirer in Berlin statt, 1919 wird er als Ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin aufgenommen. In den folgenden Jahren entstehen zahlreiche Holzschnitte, u.a. zu Goethes "Walpurgisnacht". 1928 erscheint Barlachs Autobiografie "Ein selbsterzähltes Leben". Eine umfangreiche Ausstellung seiner plastischen und grafischen Arbeiten ist 1930 in der Preußischen Akademie der Künste in Berlin zu sehen.

In einer Federskizze aus den Jahren 1911/12 formt Ernst Barlach die Grundidee zu dieser Plastik, die er 1914 zunächst in Gips und 1930 schließlich in Bronze ausführt. Das Motiv des Rächers findet sich jedoch auch in der Lithografie "Der heilige Krieg" von 1914 für die Zeitschrift "Kriegszeit". Anders als in der Plastik ist die Figur des Rächers hier frontal gesehen. Das martialische Element des Zuschlagens wird betont. Die plastische Gestaltung entwickelt jedoch eine eigene Dynamik in ihrer horizontalen Bewegung. Das Moment des Vorwärtsstürmens entwickelt Ernst Barlach durch eine ungewöhnliche Beinhaltung des Rächers und die auf den Scheitelpunkt der Plastik zulaufenden Mantelfalten. Die nach vorn geneigte Plinthe, verleiht der Skulptur in ihrer Gesamtheit einen zusätzlichen Schub einer nicht aufzuhaltenden Bewegung. Die grimmige Entschlossenheit in den Gesichtszügen des Rächers und das kampfbereite Schwert in den Händen, lassen keinen Zweifel an der Aussagekraft dieser ungewöhnlichen Komposition aufkommen. Alle Details dieser Plastik dienen der Versinnbildlichung einer entschlossenen Bereitschaft zum Kampf um die gerechte Sache. Hier dürfte der Kern der Aussage liegen, die Ernst Barlach am Herzen lag.

1933 wird dem Künstler der Orden Pour le Mérite verliehen. Noch 1935 vollendet Barlach den "Fries der Lauschenden" im Auftrag von Hermann F. Reemtsma und entwirft ein Grabmal für Theodor Däubler. In den kommenden Jahren wird er von den Nationalsozialisten verfemt. 1937 werden seine Werke aus Museen, Kirchen und von öffentlichen Plätzen systematisch entfernt. Heute gilt Ernst Barlach als einer der bedeutendsten Bildhauer der Klassischen Moderne. Hervorragende Beispiele seiner expressionistischen Holz- und Bronzefiguren sind im Güstrower Dom, in der Marburger Elisabethkirche und in der Nationalgalerie Berlin zu sehen. Sein Wohn- und Atelierhaus in Güstrow ist heute als Museum zugänglich. [KD].




317
Ernst Barlach
Der Rächer, 1914.
Bronze
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 58.560

(inkl. Käuferaufgeld)