Lexikon
Der "Erste Neoexpressionismus"

Der Begriff "Neoexpressionismus" wird zumeist mit einer Strömung der 1980er Jahre in Verbindung gebracht, doch wurzelt er schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Neoexpressionismus entwickelte sich dabei nicht nur in der Nachfolge und Fortführung des Expressionismus, sondern auch in Auseinandersetzung mit den informellen Tendenzen der Abstraktion und der wilden Impulsivität des Action Painting, wenngleich er sich in seiner oft emotional aufgeladenen, subjektiven Gegenständlichkeit von diesen Strömungen abzugrenzen suchte.
Besonders im Deutschland der 1960er Jahre fand der Neoexpressionismus der ersten Stunde weite Verbreitung: Georg Baselitz (geb. 1938) und A. R. Penck (geb. 1939) gelten als bedeutendste Pioniere auf dem Feld der neuen expressiven Gegenständlichkeit. Auch Maler wie Willi Sitte (geb. 1921) und Bernhard Heisig (geb. 1925) knüpften nach 1945 an expressionistische Traditionen an, die dank Künstlern wie Lea und Hans Grundig, Wilhelm Lachnit und Wilhelm Rudolph auch in der Nachkriegszeit nicht in Vergessenheit gerieten.
In Berlin konnte die neoexpressive Figuration in den 1960er Jahren in besonderem Maße Fuß fassen: Im Werk des jungen Markus Lüpertz, bei Bernd Koberling und Karl Horst Hödicke. Die Künstler des "Ersten Neoexpressionismus" wurden zu wichtigen Stichwortgebern der zweiten Blüte dieser Strömung mit den "Neuen Wilden" der 1980er Jahre.
Außerhalb Deutschlands sind Künstler wie der "Sonderling" Francis Bacon (1909-92) mit seiner expressiv-surrealen Figuration als Vertreter eines "Ersten Neoexpressionismus" anzuführen, teilweise auch der Franzose Jean Dubuffet (1901-85).