Lexikon
Die Schule von Pont-Aven

In dem bretonischen Dorf Pont-Aven und im benachbarten Le Pouldu entstand Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts eine Künstlerkolonie um den Maler Paul Gauguin. Die dem Post-Impressionismus zuzurechnende Kunstauffassung dieses Kreises ist allerdings vom Werk des jüngeren Émile Bernard geprägt, dessen Malweise Gauguin seit ihrer Begegnung in Pont-Aven großteils übernahm.
Die Abwendung vom Impressionismus suchten beide Künstler in der Durchdringung der äußeren Erscheinungen. Sie lehnten das Malen vor der Natur ab - ein Grundprinzip des Impressionismus -, um unabhängig vom oberflächigen Augenblick zu sein. Somit fand die direkte Auseinandersetzung mit der Natur im Bereich des Denkens statt. Daraus entstand eine künstlerische Vision, die es darzustellen galt.
Diese Ideen über die Wesensschau der Kunst teilten die Maler von Pont-Aven mit vielen anderen Avantgardisten, vor allem mit den Expressionisten. Damit verbunden ist die Suche nach Einfachheit und Ursprünglichkeit, die sie im Leben der bretonischen Bauern zu entdecken glaubten. Vor allem die Bäuerinnen in der traditionellen Tracht verkörperten für die Großstädter eine vorindustrielle Lebensweise und eine Religiosität im Einklang mit der Natur, die sie nicht nur in ihrer Kunst, sondern auch in ihrem Alltag verfolgten. Diese Werte drückten die Künstler durch die allgemeine und typisierte Darstellung der Figuren, die alle individuellen Züge transzendierte, aus. Dementsprechend erzeugten sie durch die Negation jeglicher Perspektive und den ausgewogenen Rhythmus der Kompositionsfläche eine raum- und zeitlos wirkende Atmosphäre. Keine Schattierungen, sondern dicke, schwarze Umrisslinien begrenzen die Figuren, die aus ungemischten Farbfeldern bestehen. Diese formalen Merkmale der Bilder verdeutlichen eine jedem Realismus entgegengesetzte Kunstauffassung und eine für ihre Zeit typische Abwendung vom Positivismus.
Gauguin wurde bald der bretonischen Idylle müde und entfloh 1891 nach Tahiti. Doch die Schule von Pont-Aven blieb bis circa 1896 bestehen. Dazu zählten unter anderen Louis Anquetin, Mogens Ballin, Henri Delavallée, Charles Filiger, Charles Laval, Maxime Maufra, Meyer de Haan, Emile Schuffenecker, Armand Séguin, Paul Sérusier und Jan Verkade.