Auktion: 530 / Evening Sale / Sammlung Hermann Gerlinger am 10.06.2022 in München Lot 10


10
Ernst Ludwig Kirchner
Nacktes Paar auf einem Kanapee, 1909.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 112.500

(inklusive Aufgeld)
Nacktes Paar auf einem Kanapee. 1909.
Holzschnitt.
Gercken 291. Dube 127. Schiefler H.111. Verso mit dem Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570 b) und der handschriftlichen Registriernummer "H 111 I D / Ab 10". Eines von nur fünf bekannten Exemplaren. Auf gräulichem Karton. 65,7 x 48 cm (25,8 x 18,8 in). Papier: 68,6 x 48,7 cm (26,3 x 19,2 in).
[CH].

• Eines von nur fünf bekannten Exemplaren, davon eines Teil der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart.
• In den letzten 30 Jahren wurde nur ein weiteres Exemplar dieses Holzschnitts auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten.
• In ihren druckgrafischen Arbeiten verwirklichen Kirchner und die "Brücke"-Künstler ihre damals unkonventionelle, neuartige Kunstauffassung und hauchen dem damals wenig populären Medium der Druckgrafik neues Leben ein
.

Das vorliegende Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, dokumentiert.

PROVENIENZ:
Nachlass des Künstlers (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946, verso mit dem handschriftlich nummerierten Nachlassstempel).
Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer, Stuttgart (1954).
Galerie Nierendorf, Berlin (ab 1966).
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (mit dem Sammlerstempel Lugt 6032, 1988 vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG:
E. L. Kirchner, Kunsthalle Basel, 2.9.-15.10.1967, Kat.-Nr. 99 (ein anderes Exemplar).
Ernst Ludwig Kirchner, Haus der Kunst, München, 9.2.-13.4.1980; Museum Ludwig, Köln, 26.4.-8.6.1980; Kunsthaus Zürich, 20.6.-10.8.1980; Staatliche Museen zu Berlin, West-Berlin, 29.11.1979-20.1.1980, Kat.-Nr. 50 (m. Abb., ein anderes Exemplar).
Ernst Ludwig Kirchner in der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart, 14.6.-31.8.1980, Kat.-Nr. 99 (m. Abb., S. 75, ein anderes Exemplar).
Ernst Ludwig Kirchner. Meisterwerke der Druckgraphik, Brücke-Museum, Berlin, 10.11.1990-27.1.1991, Museum Folkwang, Essen, 10.2.-28.4.1991, Kunsthalle Bremen, 12.5.-7.7.1991, Kat.-Nr. 26 (ein anderes Exemplar).
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Expressiv! Die Künstler der Brücke. Die Sammlung Hermann Gerlinger, Albertina, Wien, 1.6.-26.8.2007, Kat.-Nr. 126, S. 206 (m. Abb.).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).

LITERATUR:
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 141, SHG-Nr. 119 (m. Abb.).
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Bestandskatalog Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 300, SHG-Nr. 678 (m. Abb.).
Brückenschlag: Gerlinger - Buchheim! Museumsführer durch die "Brücke"-Sammlungen von Hermann Gerlinger und Lothar-Günther Buchheim, Feldafing 2017, S. 86 (m. Abb., S. 87).

"Ihren vielleicht wichtigsten Beitrag zur Kunstgeschichte haben die 'Brücke'-Künstler mit ihrer revolutionären Druckgrafik geleistet."
Prof. Günther Gercken, in: Ausst.-Kat. Brücke. Die Geburt des deutschen Expressionismus, Berlin 2005/06, S. 57.

An erster Stelle in Kirchners künstlerischer Arbeit stehen Szenen mit nackten Menschen in freier Bewegung im Atelier. Das Atelier ist der Ort, an dem der Künstler Leben und Kunst bruchlos miteinander verbindet. Dort lebt Kirchner gemeinsam mit seinen Gefährtinnen, die immer auch Modelle für die künstlerische Arbeit sind, bei aller Armseligkeit der Lebensbedingungen dennoch geborgen vor der Verständnislosigkeit der Außenwelt. Dort im Atelier findet Kirchner die Motive. Das freie Künstlerleben geht in seinem Atelier nahtlos über in die künstlerische Arbeit. Hier ist es die Darstellung eines nackten Paares, das sich auf einem Kanapee unterhält, er sitzend und seinen Kopf stützend, sie entspannt auf dem Rücken liegend im dialogischen Blick. "Ich arbeitete nur zu Hause in freier Weise. Oft stand ich mitten im Coitus auf, um eine Bewegung, einen Ausdruck zu notieren", schreibt Kirchner 1923 in seinem Davoser Tagebuch über den intimen und zugleich künstlerischen Umgang mit den Menschen im Atelier (hrsg. von Lothar Grisebach, Köln 1968, S. 63, Eintrag 1. März 1923). Folgt man der Aussage in diesem Zitat, so erscheint es nicht verwegen anzunehmen, dass Kirchner sich und seine Geliebte sowie Lebensgefährtin Dodo (Doris Grosse) mit der auffallenden Haartracht in den großformatigen Holzstock schneidet. Unerhört sicher kreiert er das Spiel von Linie und Fläche, womit er die ausgewogenen Körper in der Komposition nachzeichnet. [MvL]



10
Ernst Ludwig Kirchner
Nacktes Paar auf einem Kanapee, 1909.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 112.500

(inklusive Aufgeld)