Auktion: 524 / Kunst nach 1945 / Zeitgenössische Kunst II am 10.12.2021 in München Lot 85


85
Rainer Fetting
und Luciano Castelli (1951). Bordell II, 1982.
Dispersion auf Leinwand
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 137.500

(inklusive Aufgeld)
und Luciano Castelli (1951). Bordell II. 1982.
Dispersion auf Leinwand.
284 x 400 cm (111,8 x 157,4 in).

• Von den Künstlerfreunden Luciano Castelli und Rainer Fetting gemeinschaftlich erarbeitetes Hauptwerk der gemeinsamen Werkreihe der "Bordellbilder".
• Monumentale Darstellung einer erotisch aufgeladenen, mehrfigurigen, orgienähnlichen Szenerie in der farbstarken, zeitlos-expressiven Ästhetik der 1980er Jahre.
• Seit über 20 Jahren in rheinischem Privatbesitz.
• 1982 Teil der umfassenden Werkschau der Gemeinschaftsarbeiten von Rainer Fetting, Luciano Castelli und Salomé im Musée d'Art Contemporain in Bordeaux
.

PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland (2000 erworben).

AUSSTELLUNG: Salomé, Luciano Castelli, Rainer Fetting (1979-1982), Musée d'art Contemporain de Bordeaux (CAPC), Bordeaux, 31.1.-5.3.1983, S. 35 (mit ganzseitiger Farbabb.).

LITERATUR: Salomé, Luciano Castelli und Rainer Fetting. Bild Erotismen, Kunstforum, Zwischenbilanz I: Gemeinschaftsbilder, Bd. 67, S. 70 ff.
Matthias Liebel, Luciano Castelli, 30 Jahre Malerei. Das malerische Œuvre des Künstlers von seinen Anfängen bis Ende der 90er Jahre (Diss.), Bamberg 2004, S. 20, 160, 165 u. 186 ff. (mit Farbabb.).
Rainer Fetting und Jan Hoet, Fetting, Köln 2009, S. 172, 176f. (dort mit doppelseitiger Abb.).

"Castellis und meine Gemeinschaftsbilder umfassten auch gigantische Indianerbilder, und die Bordellbilder, in denen er die Frauen, ich die Männer malte. Und dann haben wir es richtig ins Extreme getrieben und aus Pornoheften so Schwanzlutscher-Szenen und was nicht alles gemalt. Riesenbilder! Das ging unsererseits mit viel Bier und Kiffen beim Malen einher und hat viel Spaß gemacht. Jeff Koons hat dann später mit ähnlich drastischen Motiven seinen Durchbruch gehabt."
Rainer Fetting, in: Fetting, Köln 2009, S. 172.

1977 gründen Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé und Bernd Zimmer in der damals isolierten, subkulturellen Berliner Kunstwelt die kollektiv betriebene "Galerie am Moritzplatz", zu der wenig später auch der schweizerische Künstler Luciano Castelli hinzustößt. Fortan machen sich die Berliner Künstler als "Neue Wilde" oder "Junge Wilde" und auch als "Moritzboys" einen Namen: "Wir wollten Gefühl, Rhythmus, Spontaneität in Farbe umsetzen." (zit. nach: Ausst.-Kat. Rainer Fetting. Berlin, Berlinische Galerie, Berlin 2011, S. 65). Das gemeinsame kreative Schaffen als Befreiung aus der zum Teil noch verfestigten Kunstauffassung, das Malen und Auftreten in Konzerten und Filmen entspricht der damaligen Haltung und dem Lebensgefühl der jungen Maler. Gemeinschaftsarbeiten wirken da wie eine logische, ganz natürliche Konsequenz. Im Œuvre Rainer Fettings und Luciano Castellis finden sie sich bereits ab den späten 1970er Jahren. So schafft Fetting 1980 zusammen mit Helmut Middendorf und Bernd Zimmer bspw. einige monumentale Wandmalereien für den Musik-Club "SO36", während Castelli zusammen mit Salomé u. a. an großformatigen Diptychen wie "Rote Liebe" oder "Seiltänzer" (1979) arbeitet. Im selben Jahr gründen Castelli und Salomé außerdem die Punkband "Geile Tiere" (mit Rainer Fetting am Schlagzeug). 1982 finden sich Luciano Castelli und Rainer Fetting schließlich zu der Werkserie der großformatigen "Bordellbilder" zusammen, der auch die hier angebotene Arbeit entstammt.

Die Werke der "Moritzboys" zeugen von einer Vorliebe für große Formate, und auch in der hier angebotenen Arbeit füllen Rainer Fetting und Luciano Castelli eine monumentale Leinwand mit breiten, expressiven Pinselstrichen. Sie erschaffen eine von pornografischen Magazinen inspirierte, obszön-erotische Szene. Wie die im Hintergrund platzierten, eindeutig erregten männlichen Akte wird auch der Betrachter zum Voyeur der groß angelegten Geschlechtsakte dreier Paare im Vordergrund. An den vielschichtigen Aufbau eines Historienbilds erinnernd, lassen Fetting und Castelli hier gleich auf mehreren Bildebenen das ungezügelte, wilde Lustspiel regieren, dessen ungehemmte Energie sich zusätzlich auch in der Dynamik und Expressivität der breiten Pinselstriche sowie in den unscharfen, groben Konturen widerspiegelt. Auf besonders charakteristische Weise vermittelt das Werk die Essenz der damals so innovativen, figurativen Kunst der "Neuen-"/"Jungen Wilden", die bis heute nichts an ungestümer, impulsiver Kraft, zeitübergreifender Relevanz und damit kunsthistorischer Bedeutung verloren hat. [CH]



85
Rainer Fetting
und Luciano Castelli (1951). Bordell II, 1982.
Dispersion auf Leinwand
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 137.500

(inklusive Aufgeld)