Auktion: 554 / Modern Art Day Sale am 08.06.2024 in München Lot 122000551


122000551
Ernst Ludwig Kirchner
Stafelalp mit Tinzenhorn, 1917.
Holzschnitt
Schätzpreis: € 25.000 - 35.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Stafelalp mit Tinzenhorn. 1917.
Holzschnitt.
Signiert und bezeichnet "Handdruck". Eines von nur 21 bekannten Exemplaren. Auf kaschiertem Blotting-Papier. 34,5 x 55,5 cm (13,5 x 21,8 in). Papier: 39,3 x 58,4 cm (15,4 x 22,9 in).
Das Werk ist unter der Nummer SHG 775a in der Sammlung Hermann Gerlinger registriert. [CH].

• Handdruck des Künstlers.
• Während Kirchners allererstem Aufenthalt auf der Stafelalp (oberhalb von Davos) 1917 entstehen 13 Holzschnitte, die zu den Höhepunkten in Kirchners Œuvre zählen.
• In dem reichen grafischen Schaffen von Ernst Ludwig Kirchner hat der Holzschnitt einen besonders großen Stellenwert.
• Äußerst detailreiche und sehr aufwendig gestaltete Komposition.
• In den letzten 20 Jahren wurden nur drei Exemplare dieses Holzschnitts auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten (Quelle: artprice.com).
• Viele der nur 21 bekannten Exemplare dieses Holzschnitts befinden sich in Museumsbesitz, darunter das Museum of Fine Arts in Boston, das Philadelphia Museum of Art, die New York Public Library, die Albertina in Wien, die Staatlichen Museen zu Berlin, das Kunstmuseum Bern, die Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf, und das Kunstmuseum Winterthur
.

PROVENIENZ: Wohl Sammlung Dr. Christian Adolf Isermeyer, Berlin/Hamburg (verso mit einem handschriftlichen Besitzvermerk).
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (2002 erworben, Galerie Kornfeld, Bern, mit dem Sammlerstempel, Lugt 6032).

AUSSTELLUNG: Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, bis 2022).

LITERATUR: Günther Gercken, Ernst Ludwig Kirchner. Kritisches Werkverzeichnis der Druckgraphik, Bd. 4 (1917-1919), Bern 2015, WVZ-Nr. 854 I (von II, m. Abb.).
Annemarie u. Wolf-Dieter Dube, E. L. Kirchner. Das graphische Werk, München 1967, WVZ-Nr. H 301.
Gustav Schiefler, Die Graphik Ernst Ludwig Kirchners, Bd. 2 (1917-1927), Berlin-Charlottenburg 1931, WVZ-Nr. H 279.
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Galerie Kornfeld, Bern, 229. Auktion (I. Teil), 175 ausgewählte Werke des 19. und 20. Jahrhunderts, 21.6.2002, Los 89 (m. ganzs. Abb.).

Kirchner trifft am 8. Mai 1917 das zweite Mal in Davos ein, um, wie er an den befreundeten Architekten und Designer Henry van de Velde bemerkt, "meine Kur zu vervollständigen". Den Sommer über wohnt Kirchner mit einer Krankenschwester in der "Rüesch-Hütte" auf der Stafelalp oberhalb von Frauenkirch. Obwohl er zeitweise unter Lähmungen leidet und seine Briefe nicht selbst schreiben kann, entstehen Landschaften und Bildnisdarstellungen von seiner neuen Lebensumgebung, geprägt von einer ungebrochenen, elementar kämpferischen Kraft. Und dennoch leidet Kirchner weiter unter alptraumartigen Ängsten; er kommt nicht zur Ruhe. Henry van de Velde kann Kirchner nach einem Besuch auf der Stafelalp überreden, sich dem Psychiater und Psychoanalytiker Ludwig Binswanger anzuvertrauen. Ab Mitte September 1917 verbringt Kirchner zehn Monate im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen am Bodensee. Beeindruckt von der vor ihm sich ausbreitenden Natur, schildert Kirchner die steil ansteigende Alm mit der "Alphütten" seinen Blick auf die sanft hügeligen, von groben Felssteinen durchwebten Wiesen mit den vom Wetter gezeichneten Holzhütten, zeichnet die schmalen Wege entlang des Hangs hinauf auf das nahe Plateau, wo weitere Hütten stehen, gibt den Wäldern und hügeligen Wiesen Kontur. Und Kirchner markiert die Bergkulisse "Altein" auf der anderen Seite des Tales mit dem allpräsenten, markanten Tinzenhorn, ein Berg, der wie ein Wahrzeichnen über den Landschaften Kirchners residiert. Man spürt Kirchners Ringen, die Faszination für die neue Bergwelt in den Holzschnitt umzusetzen, im Detail die Natur neu zu 'erfinden'. Ihm, Kirchner, werden die Bergbewohner zu Freunden, die er fotografiert, deren Lebensraum er in den frühen Davoser Landschaftsbildern ein erlebtes Gedenken setzt. Kirchner fotografiert auch die Stafelalp im Blick von seiner Sommerhütte und übernimmt die Motive für seine Sicht auf das Bergdorf, wie hier ausladend in diesem Holzschnitt aus dem Jahr 1917. Kirchner entwickelt zusehends seinen Davoser Stil und entfernt sich mit den Bergmotiven immer weiter vom ursprünglichen "Großstadtexpressionismus" der Dresdner und Berliner Zeit. [MvL]



122000551
Ernst Ludwig Kirchner
Stafelalp mit Tinzenhorn, 1917.
Holzschnitt
Schätzpreis: € 25.000 - 35.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.