Auktion: 546 / 19th Century Art am 09.12.2023 in München Lot 305


305
Carl Spitzweg
Institutsspaziergang, Um 1866-1870.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 165.100

(inklusive Aufgeld)
Institutsspaziergang. Um 1866-1870.
Öl auf Leinwand.
Links unten mit der Signaturparaphe. Verso auf der Leinwand mit schwer leserlichem Stempel, evtl. Malereibedarf. Verso auf dem Keilrahmen nummeriert, mit Etikett mit Besitzervermerk und nummeriertem Etikett. 32,3 x 53,5 cm (12,7 x 21 in).

• Eine zweite Version des Motivs befindet sich in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek München
• Auf einzigartige Weise zeigen sich hier Spitzwegs kompositorische Qualitäten in der Kombination von atmosphärischer Landschafts- mit anekdotischer Figurendarstellung
• Eine der erzählerisch gelungensten und variationsreichsten Szenen in weitem Landschaftspanorama
• Zauberhafter, sommerlicher Farbklang in den für Spitzwegs Landschaften so besonderen hellen, warmen Gelb- und Blautönen
.

Wir danken Herrn Detlef Rosenberger, der das Werk im Original begutachtet hat, für die freundliche Auskunft.

PROVENIENZ: Privatbesitz, Darmstadt (seit 1934).
Privatsammlung Baden-Württemberg.

LITERATUR: Günther Roennefahrt, Carl Spitzweg. Beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde, Ölstudien und Aquarelle, München 1960, WVZ-Nr. 955 (mit leicht abweichenden Maßangaben).

Vgl. Carl Spitzweg, Handschriftl. Verkaufsverzeichnis, in: Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Kunst, Kosten und Konflikte, S. 341f., Nr. 396: "4 Landschaft Kloster Institutsfräul. / spazierend Carton 80 17 Juni verkauft an H.L.Schmederer in der AU Bräuereibesitzer erhalten d. 19 Juni 1880"
Hermann Uhde-Bernays, Des Meisters Leben und Werk, 10. Auflage, München 1935, Nr. 122 (m. Abb.).
Vgl. Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke. Gemälde und Aquarelle, Stuttgart 2002, WVZ-Nr. 1169, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München.



Meisterhaft gelingt es Spitzweg in seinen Werken, verschiedene Gattungen wie hier die Landschaft und das belebte genrehafte Vielfigurenbild zu vereinen. Vor einer bis in die Tiefe detailliert wiedergegebenen Szenerie erwandert sich eine kleine Gruppe Klosterschülerinnen unter der Aufsicht besorgter Schwestern die sommerliche Landschaft. Ausgestattet mit Sonnenschirmchen, Sonnenhüten und kleinen Proviantkörbchen ist so trotz der züchtigen dunklen Schulumhänge eine beschwingte Stimmung zu verspüren. Die links und rechts vom Wegesrand verteilten Figurengrüppchen lassen erraten, wie schwer es sein mag, die neugierigen und aufgeweckten Mädchen buchstäblich und im metaphorischen Sinne auf dem rechten Weg zu halten. Linkerhand hält eine Bauernfamilie unter einem schattigen Gebüsch Rast, die gelb leuchtenden Blumen laden zum Pflücken ein. Auf der rechten Seite ist ein Liebespaar mit Husar und Mädchen auf dem Weg zu einem lauschigen Bänkchen, um sich dort für ein Schäferstündchen niederzulassen. Müßiggang und Liebesabenteuer werden jedoch kaum auf dem Unterrichtsplan der Nonnen stehen. Die Landschaftsmalerei prägt die Anfänge Spitzwegs, mit seinem Malerfreund Eduard Schleich führen ihn etliche Wanderungen in die bayerischen Alpen. Zeit seines Lebens beschäftigt sich Spitzweg mit der Natur und den unterschiedlichen Landstrichen, die er in den Sommermonaten zu Fuß oder mit der Postkutsche erschließt. Mit der Zeit finden Figuren in seine Landschaftsansichten hinein, die Szenerie im vorliegenden Bild nimmt eine Ansicht von Dinkelsbühl in Franken als Kulisse (Wichmann-Nr. 1168). Es sind dabei oft dem akademischen Kanon nicht entsprechende Landschaftsmotive, die Spitzwegs Interesse wecken, sondern selbst auf Reisen eingefangene regionale Eindrücke. Sie bezeugen die Kenntnis der Gemälde der vorimpressionistischen Schule von Barbizon und ihrer „paysage intime“, die Spitzweg auf seiner Parisreise 1851 kennengelernt haben dürfte. Besonders die Lebendigkeit und Ungekünsteltheit seiner Landschaften fasziniert nicht zuletzt durch die Wiedergabe von Licht und Schatten, Wetter und Atmosphäre der zumeist im Sommer entstandenen Motive. Die Weite des Raums kommt auf dem für ihn so typischen langgezogenen Format zur Geltung, das er geschickt von den Figuren im Vordergrund bis in den Himmel mit den hoch fliegenden kleinen Schwalben harmonisch mit Leben füllt.



305
Carl Spitzweg
Institutsspaziergang, Um 1866-1870.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 165.100

(inklusive Aufgeld)