Auktion: 548 / Contemporary Art Day Sale am 08.12.2023 in München Lot 115


115
Fritz Winter
Kaltes Rot, 1956.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 80.010

(inklusive Aufgeld)
Kaltes Rot. 1956.
Öl auf Leinwand.
Rechts unten monogrammiert und datiert. Verso signiert, datiert und betitelt. 114 x 146 cm (44,8 x 57,4 in).

• Facettenreiche und expressive Darstellung in starken Farbkontrasten.
• Winter gilt seit seiner Beteiligung an der documenta I (1955) als einer der führenden Vertreter des deutschen Informel und der abstrakten Nachkriegsmoderne.
• Bereits seit den 1950er Jahren stellt Winter in den USA aus und ist dort u. a. in zwei Ausstellungen des Museum of Modern Art, New York, vertreten
.

PROVENIENZ: Fritz-Winter-Stiftung an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München (verso auf dem Keilrahmen mit der Inv.-Nr. 192).
Galerie Otto Stangl, München.
Privatsammlung Süddeutschland (1983 vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Große Kunstausstellung München 1956, Haus der Kunst, München, 22.6.-7.10.1956, Kat.-Nr. 418 (verso auf dem Keilrahmen mit dem Ausstellungsetikett).

LITERATUR: Gabriele Lohberg, Fritz Winter. Leben und Werk mit Werkverzeichnis der Gemälde und einem Anhang der sonstigen Techniken, München 1986, WVZ-Nr. 2088 (m. Abb.).

In harmonisch aufeinander abgestimmten Form- und Farbklängen erscheint uns Fritz Winters "Kaltes Rot" aus dem Jahr 1956. Hier ist der Titel Programm: Obwohl die Farbe Rot ein mit Wärme konnotierter Farbton ist, strahlt Winters roter Mond doch eine gewisse Kühle aus. Dieses fast frostige Erscheinungsbild wird durch die einerseits kühlen Farbtöne Grau, Blau und Schwarz unterstützt sowie andererseits von der kühnen Formgebung herbeigeführt. Es scheint, als rufe Winter hier eine dreidimensionale Nachtlandschaft auf, die einen Zwischenraum aus Figuration und Abstraktion eröffnet. Dieses Gegenspiel ist Grundlage einer der größten Debatten in der deutschen Nachkriegskunst, deren Plattform die documenta I in Kassel bildet. Diese sollte einen Rückblick auf die Vorkriegsmoderne bieten, an die man nach dem Krieg, nach der Zensur durch die nationalsozialistische Kulturpolitik, wieder anknüpfen wollte. Prominent wurde ein Werk Pablo Picassos, stellvertretend für die Vorkriegsmoderne, einem Werk von Fritz Winter als zeitgenössische Antwort gegenübergestellt. Winter ist einer der exemplarischen Vertreter der jüngeren Generation der deutschen Nachkriegskunst. Insbesondere da er noch vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges seine Ausbildung absolviert hatte. Und dies am Dessauer Bauhaus, das wie keine andere Institution für die deutsche Avantgarde stand. Dort besucht er Wassily Kandinskys Kurs der "Abstrakten Formenlehre", der hier seine Ideen zu "Isolierter Form" und "Isolierter Farbe" aufruft. Offenkundig sind dies Prinzipien, die Winter in seinem darauffolgenden Kunstschaffen prägen sollten. Von der Isolation von Form und Farbe am Bauhaus wird Winter dann in der Realität von Nationalsozialismus und Krieg in seine eigene Isolation geführt, wo er zu seiner eigenen Bestimmung von Form und Farbe gelangt. Während seine Kunst 1937 diffamiert und er wie viele seiner Weggefährten mit einem Mal- und Ausstellungsverbot belegt wird, erfolgt 1939 die Einberufung zum Kriegsdienst. Doch lässt sich Winter nicht beirren von diesen Erlebnissen, direkt im Jahr seiner Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1949 ist er u. a. neben Willi Baumeister und Rupprecht Geiger Gründungsmitglied von "ZEN 49". "Kaltes Rot" entsteht daher in einer sowohl für Winter als auch für die gesamte deutsche Nachkriegskunst so wichtigen Zeit und zeigt exemplarisch, wie dieser Neuanfang auszusehen hatte. In dreidimensionalen Räumen befinden sich Formen und Farben in der Schwebe, eröffnen einen neuen Raum, in dem sich die Malerei in harmonisch aufeinander abgestimmten Klängen aus sich selbst heraus entwickelt. [AW]



115
Fritz Winter
Kaltes Rot, 1956.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 80.010

(inklusive Aufgeld)