Auktion: 545 / Evening Sale am 08.12.2023 in München Lot 38


38
Emil Nolde
Palmen, 1915.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 600.000
Ergebnis:
€ 635.000

(inklusive Aufgeld)
Palmen. 1915.
Öl auf Leinwand.
Links unten signiert. Auf dem Keilrahmen signiert und betitelt. 74 x 88 cm (29,1 x 34,6 in).

• Seltenes Südseebild in kraftvollem Kolorit.
• Nolde sieht 1905 Paul Gauguins Südseebilder und verwirklicht 1913 seinen Traum einer Südseereise.
Palmen im tropischen Farbenrausch – hier entwickelt Nolde die Kernidee seiner späteren farbenprächtigen Aquarelle.
• Seit über 60 Jahren in Privatbesitz.
• Aus der legendären Moderne-Sammlung von Dr. Ismar Littmann.
• Frei von Restitutionsansprüchen.
• Nach 1935 Teil der bedeutenden Dresdner Sammlung von Ida Bienert
.

Wir danken Dor Levi, Ramat Gan, John F. Littman, Houston, Cornelia Muggenthaler, München, und Anna Rubin, New York, für die freundliche Unterstützung und gute Zusammenarbeit.

PROVENIENZ: Sammlung Dr. Ismar Littmann, Breslau (in den 1920er Jahren erworben, bis 23. September 1934).
Aus dem Nachlass von Dr. Ismar Littmann, Breslau (am 23. September 1934 durch Erbschaft von Dr. Ismar Littmann, bis 26./27. Februar 1935: Auktion Max Perl, Berlin).
Sammlung Ida Bienert, Dresden (wohl seit 1935).
Sammlung Friedrich Bienert, Berlin (von Vorgenannter, bis 1962: Auktion Stuttgarter Kunstkabinett).
Sammlung Leo Brand, Neuss (seit 1962: Auktion Stuttgarter Kunstkabinett).
Seither in Familienbesitz.
Gütliche Einigung mit den Erben nach Dr. Ismar Littmann, Breslau (2023).

Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen. Das Angebot erfolgt in freundlichem Einvernehmen und bester Übereinstimmung mit den Erben nach Dr. Ismar Littmann.

AUSSTELLUNG: Kunstausstellung Alfred Heller, Berlin (verso mit dem Etikett, wohl Mai 1923).

LITERATUR: Martin Urban, Werkverzeichnis der Gemälde, Band 2, 1915-1951, München 1990, WVZ-Nr. 718, S. 103
Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer, 37. Kunst-Auktion (Teil 1), 3.5.-4.5.1962, Lot 335 mit Abb.
Max Perl, Bücher des 15.-20. Jahrhundert (.), Gemälde, Aquarelle, Handzeichnungen, Graphik, Kunstgewerbe, Plastik, Versteigerung am 26.-28. Februar 1935 (Katalog-Nr. 188), Los 2557.
Ferdinand Möller an Antonie Kirchhoff, Typoskript, 7.2.1935 (Nachlass Ferdinand Möller, Berlinische Galerie, BG-GFM-C,II 1,485).
Helcia Täubler an Hans Littmann, Typoskript, 16.1.1935 (Getty Research Institute - Special Collections, Wilhelm Arntz papers, box 17, folder 26-28).
Bernhard Stephan, Inventar der Sammlung Littmann ("Großes Buch"): "Palmen (Südsee)", Inv.-Nr. 243.
"Diese Südseebilder sind […] in ihrer Herbheit, der frischen Natürlichkeit und im Charakter kaum mit irgendwelchen Bildern anderer Maler vergleichbar."
Emil Nolde, 1936

Reise in die Südsee
Die kleine Reisegruppe im Auftrag des Reichskolonialamtes verlässt am 2. Oktober 1913 Berlin und reist über Moskau durch Sibirien und die Mandschurei nach Mukden, von dort durch Korea nach Seoul. Sie fahren drei Wochen durch Japan, dann über das chinesische Meer nach Peking. Emil und Ada Nolde reisen allein weiter durch das Innere des Landes bis Hankau und, auf einem kleinen Dampfboot den Jangtsekiang abwärts, über Nanking nach Schanghai; von dort geht es über das offene Meer nach Hongkong. Nolde zeichnet in Sibirien die russischen Menschen, die, aus der weiten Steppe kommend, warten, bis sie weiterfahren können; er hält in seinen Skizzenbüchern die japanischen Schauspieler fest; auf der Schiffsreise den Gelben Fluss hinab entstehen die berühmten Tuschzeichnungen und Aquarelle der Dschunken.
Von Hongkong aus schickt Nolde alle bis dahin entstandenen Zeichnungen nach Hause, zusammen mit den von Russland bis China gesammelten Gegenständen, Geräten und Figuren, die sich heute noch in der Stiftung Ada und Emil Nolde in Seebüll befinden. Nach langer stürmischer Seefahrt über die Philippinen und die Palaugruppe erreichen Emil und Ada Nolde Neuguinea. Ein halbes Jahr bleibt Nolde in dem Inselreich der Südsee.

Die erste Station ist Rabaul auf Neu-Pommern, von dort fährt Nolde nach Käwieng auf Neu-Mecklenburg, nach Manus, der größten der Admiralitätsinseln, und zuletzt nach der Hauptinsel Neuguinea. Nolde sucht und findet "urtümliches" Leben und die "wilden Urmenschen" auf gefahrvollen Wegen zu den im Urwald gelegenen Dörfern und auf Fahrten zu den kleinen Inseln, wo die Bewohner sich noch nicht durch die europäische Zivilisation verändert haben. Nolde ist vom Zauber der fremden Landschaft ergriffen.

In Käwieng (Kavieng) entstehen die ersten großen Ölbilder, ein polizeiliches Arresthaus dient Nolde als Atelier. "Meine kleinen Skizzen hatte ich zur Hand, aber besonders doch waren es die mächtigen Erlebnisse und die zutiefst gehüteten Beobachtungen, aus denen ich schöpfte." (Emil Nolde, Welt und Heimat, Köln 1965, S. 98) Auch bemerkt Nolde: "Ich hatte und habe jetzt noch den Eindruck, daß die Tropen gar nicht so vollfarbig sind, als allgemein angenommen wird, farbig nur waren die Menschen, die Vögel, die Fische, die roten Hibiskus und das Laub der Bougainvillea. Auch die Sonnenuntergänge konnten mit ihren Brechungen herrliche Farborgien sein, doch nur während ganz weniger Minuten." (Ebd., S. 146)

Das farbige Schauspiel des Sonnenunterganges ist ein immer wiederkehrendes Thema nicht nur seiner Südseeskizzen und Bilder. Skizzen wie "Palmen am Ufer" auf dünnem, bräunlich-gelbem Papier mit Farbstiften und farbigen Kreiden gezeichnet, vermitteln Noldes erste Eindrücke unmittelbar vor der Natur. Die Ölbilder entstehen nachträglich im Atelier, ein Teil auch erst in der Heimat.

Im Mai 1914 verlassen Ada und Emil Nolde Neuguinea, um über Celebes, Java und nach einem Umweg ins Innere von Birma heimwärts zu fahren. Die Landschaft Javas erscheint Nolde wie ein gepflegter, reicher, tropischer Garten. Er bewundert den Tempel von Borobodur; den überreichen Schmuck der Ornamente und der sinnlich-schönen plastischen Figuren empfindet er als den größten Gegensatz zur Kunst des Nordens - und zu der leidenschaftlichen, ausdrucksstarken Gestik seiner eigenen Bilder - und dennoch als "das Herrlichste von allem", so Emil Nolde.
Ihn berührt die geheimnisvolle Aura des Mythisch-Legendären, welche die Kunst der alten Kulturen Südasiens umgibt, und es kommt zu einer 'geheimen', über die Jahre bleibenden Verbindung. Die östlichen Vajangfiguren und Masken kehren auf manchen Stillleben wieder, wo sie mit den blühenden Blumen aus dem Garten von Ada vereint sind; die fernen und die nahen Dinge verbinden sich zu einer seltsamen, stillen Schönheit.

Die weitere Heimfahrt ist vom Ausbruch des Krieges überschattet, der sie in Port Said in Ägypten überrascht. Sie gelangen auf Umwegen nach Deutschland, aber das Gepäck mit den Ölbildern bleibt zurück und scheint zunächst verloren. Nur die Skizzenbücher und die Aquarelle können sie mitnehmen und den ganzen Reichtum dessen, was Nolde als Maler während der Reise sehend erlebt hatte.
Etwa 19 Ölbilder, die während Noldes Aufenthalt in der Südsee vom Dezember 1913 bis Mai 1914 unter oftmals abenteuerlichen Umständen entstehen, scheinen verloren. Aber nach sieben Jahren, der fieberhaften Suche nach den verschollenen Werken, reisen Emil und Ada Nolde im Januar 1921 von Berlin über Heidelberg und Paris bis nach London. Ein letzter Hinweis weist schließlich nach Plymouth, wo ein Warenhausbesitzer namens Popplestone ihnen die Bilder in zwei Rollen gelagert zugänglich macht: "Zwischen vielem Gerümpel standen die beiden Rollen und als der Kaufmann fort war und wir mit einem Arbeiter allein waren, dann wurden die Stricke durchgeschnitten. Nur wenig beschädigt fanden wir die Gemälde. Jetzt sind sie unterwegs nach Utenwarf", berichtet Nolde seinem Freund Hans Fehr, dem Juristen und Förderer Noldes, nach Heidelberg (Hans Fehr, Emil Nolde. Ein Buch der Freundschaft, Köln 1957, S. 91).


Vom Wind verbogene Palmen
Zurück aber in das Jahr 1915. Nolde schildert den Alltag und die Naturschönheit im damaligen Neu-Mecklenburg (heute New Ireland) eindrücklich in zahlreichen Aquarellen, farbigen Zeichnungen und Skizzen auf Papier, die ihm jetzt, zurück in Utenwarf an der Wiedau auf Alsen als Vorlagen für großformatige Gemälde dienen: gemalte Erinnerung an die Südsee. Noch in der Sehnsucht nach den in Neuguinea entstandenen und verloren geglaubten Bildern entsteht diese Südseelandschaft mit vom Wind zum krummen Wachsen gezwungen Palmen, die Nolde wie einen Scherenschnitt im Gegenlicht erscheinen lässt, vor diesem dramatisch inszenierten Naturschauspiel des Sonnenuntergangs, der den ganzen Himmel rot und gelb einfärbt. Kräftiges Blau vermischt sich mit dem Grün der Palmenfächer, gehalten von verbogenen Stämmen, die sich wie ein choreografiertes Ballett in die gleiche Richtung aufmachen. "Auch die Sonnenuntergänge konnten mit ihren Brechungen herrliche Farbenorgien sein, doch nur während ganz weniger Minuten; dann war es dunkel", so der Künstler über das ihn bewegende Schauspiel (Emil Nolde, Welt und Heimat, Köln 1965, S. 146).

Dieses Werk markiert zweifellos einen Wendepunkt in Noldes Schaffen zu Beginn des Ersten Weltkriegs: Diese Südseebilder bestärken Nolde auf seinem eingeschlagenen künstlerischen Weg und steigern sein Selbstbewusstsein als freier, innovativer Vertreter einer modernen, reinen Malerei. Diese Landschaft zeigt Noldes Bestreben, ja Können, die Qualität der Südsee mithilfe einer winzigen Farbskizze malerisch neu zu erfinden, als wäre er nach wie vor vor Ort, eine großartige Begegnung in Gestalt der Elemente Wind und Erde: "Alles Ur- und urwesenhafte immer fesselt meine Sinne. Das große, tosende Meer ist noch im Urzustand, der Wind, die Sonne, ja, der Sternenhimmel wohl fast auch so, wie er vor fünfzigtausend Jahren war", so Emil Nolde (Emil Nolde, Jahre der Kämpfe, Berlin 1934, S. 177).
Mit dem aufwühlenden Gemälde "Palmen" sucht Nolde nach einem Ausweg aus dem historischen Dilemma, die in Neuguinea gemalten Bilder für die Präsentation bei den befreundeten Museen von Karl Ernst Osthaus in Hagen oder Max Sauerlandt in Halle nicht zur Verfügung zu haben. Und so besinnt sich Nolde auf seine große Begabung, um mit dieser Südseelandschaft aus dem Jahr 1915 die zeitlose und ewige Vorstellung des Ursprünglichen zum Ausdruck zu bringen. Er wiederholt eine zweifellos elementare Landschaft als Beschwörung der zyklischen Rhythmen der Südseenatur. [MvL]


Dr. Ismar Littmann. Der Sammler
"Bez. links unten: Emil Nolde; vor orangerotem Himmel, der sich nach oben gelbgrün wandelt, schwingen sich vom tiefgrünem Bodengrunde Palmstämme mit ihren dunkelgrünen Kronen auf. Im Hintergrunde links Buschwerk" - so ist Noldes Gemälde im "Großen Buch" beschrieben, dem 1930 erstellten Inventar einer der größten und wichtigsten Moderne-Sammlungen der Vorkriegszeit. Es ist das Inventar der Sammlung Ismar Littmann.

Der Breslauer Rechtsanwalt und Notar Dr. Ismar Littmann gehört zu den aktivsten und bedeutendsten Sammlern der Kunst des deutschen Expressionismus. Als Kaufmannssohn am 2. Juli 1878 im oberschlesischen Groß Strehlitz geboren, lässt er sich 1906 als promovierter Rechtswissenschaftler in Breslau nieder, wo er wenig später Käthe Fränkel zur Frau nimmt. Als Rechtsanwalt wird Ismar Littmann beim Landgericht zugelassen. Er führt schon bald seine eigene Kanzlei, später gemeinsam mit seinem Kompagnon Max Loewe, und wird 1921 zum Notar erhoben.

Der wohlhabende Jurist Dr. Ismar Littmann ist ein großzügiger Mäzen und Förderer der modernen, progressiven Kunst. Sein großes Engagement gilt insbesondere zeitgenössischen Künstlern aus dem Umfeld der Akademie der Bildenden Künste in Breslau, wie etwa dem "Brücke"-Maler und Akademieprofessor Otto Mueller. Sprichwörtlich ist heute die "Breslauer Künstlerbohème", die Ismar Littmann als Sammler und Mäzen prägt, fördert und begleitet.

Ab den späten 1910er Jahren beginnt Dr. Ismar Littmann, seine bald berühmt gewordene Kunstsammlung aufzubauen. Seine Sammlung umfasst Werke namhafter deutscher Künstler des Impressionismus und Expressionismus, darunter Otto Mueller, Käthe Kollwitz, Max Pechstein, Alexander Kanoldt, Lovis Corinth und natürlich auch Emil Nolde. Zu einigen der Genannten hat Littmann auch eine persönliche Verbindung. Fast 6.000 bedeutende Kunstwerke hat Littmann bis in die späten 1920er Jahre zusammengetragen.

Die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten bringt den jähen Wandel. Früh und mit ganzer Härte setzt die Verfolgung des jüdischen Rechtsanwaltes Dr. Ismar Littmann ein. Seine Berufsgruppe zählt zu den ersten, die die Nationalsozialisten wirtschaftlich und gesellschaftlich vernichten wollen. Bereits ab dem Frühjahr 1933 ist es weder Dr. Ismar Littmann selbst noch seinen Kindern mehr möglich, ihren Berufen nachzugehen. Seiner Lebensgrundlage und Lebensfreude beraubt, steht Ismar Littmann vor den Trümmern einer glanzvollen Existenz. Tiefe Verzweiflung treibt ihn am 23. September 1934 in den Selbstmord. Ismar Littmann lässt seine Witwe Käthe sowie vier gemeinsame Kinder zurück. Mit Glück können die Überlebenden später aus der nationalsozialistischen Diktatur fliehen.

Um die Flucht finanzieren und den Lebensunterhalt bestreiten zu können, muss die Familie Teile der bedeutenden Kunstsammlung verkaufen. Im Berliner Auktionshaus Max Perl werden am 26. und 27. Februar 1935 zahlreiche Werke der Sammlung Littmann angeboten. Darunter finden sich auch zwei Gemälde von Emil Nolde: der "Buchsbaumgarten", 2021 unter großer internationaler Aufmerksamkeit aus dem Wilhelm Lehmbruck Museum in Duisburg restituiert, und unser Werk "Palmen", das heute auf Grundlage einer "gerechten und fairen Lösung" der gegenwärtigen Eigentümer mit den Erben nach Dr. Ismar Littmann angeboten wird.


Die Perl-Auktion von 1935
Die Auktion 1935 bei Perl steht unter keinem guten Stern. Die Diskussion um die sogenannte "entartete Kunst" flammt bereits auf. 64 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen, darunter auch 18 Kunstwerke aus der Sammlung Littmann, werden noch vor der Auktion von der Gestapo als Beispiele "kulturbolschewistischer Tendenz" beschlagnahmt und im Jahr darauf der Berliner Nationalgalerie zugesandt. Deren damaliger Direktor Eberhard Hanfstaengl nimmt einige Werke als "Zeitdokumente" in Aufbewahrung und lässt den Rest auf Anordnung der Gestapo am 23. März 1936 in der Heizung des Kronprinzenpalais verbrennen. (Vgl. Annegret Janda, Das Schicksal einer Sammlung, 1986, S. 69) 1937 werden die von Hanfstaengl "geretteten" Werke ein weiteres Mal beschlagnahmt und mit der Ausstellung "Entartete Kunst" in München als Besitz "Nationalgalerie Berlin" diffamiert.
Beide Gemälde von Emil Nolde, "Palmen" ebenso wie "Buchsbaumgarten", bleiben von diesem Schicksal verschont. Die Gestapo beschlagnahmt die Bilder nicht, sie kommen bei Max Perl zum Aufruf.
Das Angebot der beiden Nolde-Gemälde, die mit den günstigen Schätzpreisen von 800 und 700 Reichsmark angesetzt sind, findet in der Kunstwelt einige Beachtung. Der Kunsthändler Ferdinand Möller informiert das berühmte Sammlerehepaar Heinrich und Tony Kirchhoff über die anstehende Auktion beider Werke. Zu "Palmen" schreibt er an Frau Kirchhoff am 7. Februar 1935: "dieses letzte Bild ist auf der Südseereise entstanden, ist also besonders wertvoll" (Nachlass Ferdinand Möller, BG-GFM-C,II, 1,485).
Den "Buchsbaumgarten" erwirbt der Dresdner Bankier Dr. Heinrich Arnhold für günstige 350 Reichsmark, die "Palmen", etwas teurer, erbringen 360 Reichsmark - in beiden Fällen handelt es sich um Schleuderpreise, die, wie es Ferdinand Möller bereits in seinem Brief an Tony Kirchhoff ahnt, den Marktwert der Kunstwerke nicht annähernd erreichen.
Für das Palmenbild erhält mutmaßlich eine Freundin von Heinrich Arnhold den Zuschlag, in deren Sammlung das Werk später nachzuweisen ist: Ida Bienert.


In der Sammlung Ida Bienert
Auf der Rückseite des Keilrahmens, klein und unscheinbar, steht der Name der bedeutenden Sammlerin Ida Bienert (Vgl. Heike Biedermann, Avantgarde als Lebensgefühl. Die Sammlerin Ida Bienert, in: Dorothee Wimmer (u.a. Hrsg.), Kunstsammlerinnen, Berlin 2009, S. 99-113).
Geboren 1870 als Tochter eines schlesischen Textilfabrikanten, gehört Ida mit ihrem Ehemann Erwin zu den reichsten Dresdner Bürgern in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Sie ist durch und durch eine moderne, mutige, reformatorisch gesinnte Frau, eine Feministin neuen Typs, und baut mit sicherem Geschmack eine der wichtigsten Dresdner Moderne-Sammlungen auf. In der Familienvilla in der Würzburger Straße - Piet Mondrian gestaltet hier 1925 das "Damenzimmer" - präsentiert sie ihre Meisterwerke ihren avantgardistischen Gästen. Künstler und Intellektuelle gehen im Hause Bienert ein und aus. Neben einigen französischen Kunstwerken von Cézanne oder van Gogh hängen bedeutende Arbeiten unter anderem von Paul Klee und Wassily Kandinsky, Edvard Munch und Franz Marc, Lyonel Feininger und Emil Nolde an den Wänden.

Der umfangreiche, auch üppig bebilderte Sammlungskatalog, den Will Grohmann 1933 herausgibt, gibt noch heute einen flirrenden, lebendigen Einblick in diese besondere Kunstsammlung. Der Band führt auch vor Augen, was Ida Bienert an Nolde schätzt: das Exotische. 1933 besitzt sie die beiden Aquarelle "Südseeinsulaner" und "Südseefrau" sowie das Gemälde "Südseelandschaft" von 1914. Stellt man nun diese letztgenannte Malerei heute in Gedanken neben "Palmen", so wird deutlich, warum Ida Bienert für genau dieses Bild noch einen späten Ankauf tätigt (nach 1933 erweitert sie die Sammlung nur mehr sporadisch). Die Gemälde, annähernd gleich hoch, funktionieren gewissermaßen als Gegenstücke: Die stille Geschlossenheit der Waldlandschaft steht der winddurchpeitschten Offenheit der "Palmen" gegenüber, das "Grün in Grün" des dichten Tropenwalds wirkt wie ein Gegenbild zu den kraftvollen Farbakkorden des Palmenbildes - und doch scheinen beide Gemälde auf geradezu magische Weise in eine Harmonie zu treten.

Noldes "Tropenwald" befindet sich seit 1951 in der Kunsthalle Bielefeld - ein Museumsbild also wie viele andere Gemälde aus der ehemaligen Sammlung Bienert, die heute beispielsweise auch im Metropolitan Museum of Art in New York oder der National Gallery of Canada in Ottawa zu besichtigen sind. Umso bemerkenswerter ist es, das Gemälde "Palmen" mit seiner vielfältigen und außergewöhnlichen Geschichte heute frei von Restitutionsansprüchen anbieten zu können. [MvL/AT]



38
Emil Nolde
Palmen, 1915.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 600.000
Ergebnis:
€ 635.000

(inklusive Aufgeld)