Auktion: 560 / Evening Sale am 06.12.2024 in München Lot 42


42
Oskar Schlemmer
Geneigte Halbfigur mit rötlichen Tönen, 1933.
Pastell auf Zeichenpapier von P. M. Fabriano (m...
Schätzpreis: € 180.000 - 240.000
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Geneigte Halbfigur mit rötlichen Tönen. 1933.
Pastell auf Zeichenpapier von P. M. Fabriano (mehrfach mit dem angeschnittenen Wasserzeichen), auf Untersatzkarton montiert.
Rechts unten datiert "30.1.33". 55 x 41,5 cm (21,6 x 16,3 in), blattgroß. Untersatzkarton: 64,4 x 46,8 cm (25,3 x 18,4 in).
Verso auf dem Untersatzkarton mit eigenhändigen Beschriftungen des Künstlers, die sich jedoch nicht auf das vorliegende Blatt, sondern auf ein früheres Aquarell des Künstlers beziehen (vgl. Maur A448): "Aquarell / "Die Drei mit dem Krug" / 1931 / OSchlemmer / tu 1", sowie mit einem roten Stempel "Professor Oskar Schlemmer / Staatl. Akademie Breslau / Kaiserin Augusta-Platz 3." und mit einem Etikett, bezeichnet mit "45". [AR].

• Detailreich ausgearbeitetes Pastell des für Schlemmer so wichtigen Kopfprofils in gemäldehafter Qualität.
• Strenge formale Gliederung trifft auf Leichtigkeit des Pastells: Ausdruck von Schlemmers Streben nach der idealen Symbiose von Figur und Raum.
• Die hellblauen Pastellstriche stehen in Kontrast zur Komposition und transportieren die nervöse Aufgewühltheit des Künstlers an diesem Tag.
• 30.1.1933: Der Tag der Entstehung dieses Pastells verändert die moderne Kunstwelt wie kein anderer. Die Nationalsozialisten kommen an die Macht, Künstler werden als "entartet" diffamiert und aus ihren Positionen an den Akademien verdrängt.
• Schlemmers avantgardistische Kunst fällt seit 1930 Übermalungen und Diffamierungen zum Opfer, 1933 wird er von den Vereinigten Staatsschulen Berlin entlassen.
• Vergleichbare Pastelle in dieser Qualität sind auf dem internationalen Auktionsmarkt von allergrößter Seltenheit (Quelle: artprice.com).
• Teil der umfangreichen Einzelausstellung "Oskar Schlemmer. Handzeichnungen, Aquarelle", die 1960/61 in zahlreichen deutschen Museen und Institutionen zu sehen war
.

PROVENIENZ: Marlborough Fine Art, Ltd., London (1960 erworben).
Galerie Roman Norbert Ketterer, Campione d'Italia (1966 vom Vorgenannten erworben).
Maria Tannenbaum, New York.
Findlay Gallery, New York.
Galerie Zwirner, Köln (1969-1971).
Galerie Neuendorf, Hamburg.
Privatsammlung Hamburg (spätestens 1979 vom Vorgenannten erworben, bis 2019 in Familienbesitz).
Sammlung Schweiz.

AUSSTELLUNG: Oskar Schlemmer. Handzeichnungen, Aquarelle, Kestner-Gesellschaft, Hannover, 24.2.-27.3.1960; Städtische Kunsthalle, Mannheim, 9.4.-8.5.1960; Saarland-Museum, Saarbrücken, 19.5.-19.6.1960; Ulmer Museum, Ulm, 3.-31.7.1960; Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden, 14.8.-18.9.1960; Badischer Kunstverein, Karlsruhe, 16.10.-13.11.1960; Museum am Ostwall, Dortmund, 27.11.-26.12.1960; Kunsthalle, Schleswig Hollsteinischer Kunstverein, Kiel, 19.2.-26.3.1961; Kunst- und Gewerbeverein Industriehaus, Pforzheim, 8.-30.4.1961; Overbeck Gesellschaft, Lübeck, 22.5.-18.6.1961; Kunstverein Bremen, 16.7.-20.8.1961, Kat.-Nr. 149, S. 35.
Painters of the Bauhaus, Marlborough Fine Art, Ltd., London, März-April 1962, Kat.-Nr. 186 (m. SW Abb. S. 82, verso auf dem Unterlagekarton mit Etikett).
Drawings, Watercolors, Collages, Expressionism, Bauhaus, Dada, Marlborough Fine Art, Ltd., London, Jan. 1966, Nr. 59 (m. SW Abb.).
Kölner Kunstmarkt '71, Galerie Zwirner, Köln, 5.-10.10.1971 (o. S.).

LITERATUR: Karin von Maur, Oskar Schlemmer. Œuvrekatalog der Gemälde, Aquarelle, Pastelle und Plastiken, Bd. II, München 1979, WVZ-Nr. K 55 (m. SW Abb. S. 360).
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Hans Hildebrandt, Oskar Schlemmer, München 1952, Nr. 822, S. 148 (hier fälschlicherweise auf 1937 datiert).
Robert Spira, Der Maler des Bauhauses in London, in: Weltkunst, XXXII. Jahrgang, Nr. 7, München 1.4.1962, S. 15 (m. SW Abb., hier fälschlicherweise auf 1937 datiert).
Roman Norbert Ketterer, Moderne Kunst III. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Campione d'Italia 1966, Kat.-Nr. 171 (m. Farbabb. S. 189).
Lagerkatalog Galerie Rudolf Zwirner, Köln 1970, S. 48 (m. SW Abb.).

Aufrufzeit: 06.12.2024 - ca. 18.22 h +/- 20 Min.


Kopfprofil in gemäldehafter Qualität

"Denn die Abstraktion der menschlichen Gestalt, um die es dann geht, schafft das Abbild in einem höheren Sinne, sie schafft nicht das Naturwesen Mensch, sondern ein Kunstwesen, sie schafft ein Gleichnis, ein Symbol der menschlichen Gestalt", so Oskar Schlemmer 1931 über seine Wandbilder (zit. nach: Museum der Gegenwart, hrsg. von Ludwig Justi, Jg. 1, Heft 4, 1. Vierteljahr 1931, S. 147-153). Besonders wichtige Details seiner Abstraktion der menschlichen Gestalt sind die Kopfprofile wie diese geneigte Halbfigur des vorliegenden, detailreich ausgearbeiteten Pastells. Das Profil, von Schlemmer erstmals mit dem sachlichen Signet für das Weimarer Bauhaus Anfang der 1920er Jahre erdacht, verliert mit der pudrigen Oberfläche der Pastellkreide an Strenge. Das Profil des jungen Knaben mit vollem Haar, träumerisch leicht nach rechts geneigt, die rechte Hand vor dem nach vorne eingedrehten Oberkörper, veranschaulicht Schlemmers Streben nach der idealen Symbiose von Figur und Raum. Auf einem nicht sichtbaren Stuhl, dessen Lehne den Oberkörper hinterfängt, scheint der Knabe zu sitzen. Zwei senkrechte Flächen eröffnen zusätzlich ein perspektivisches Moment, geben der Situation festen Halt von gemäldehafter Qualität. Das in beigen, braunen und roten Tönen gehaltene Bild überzieht Schlemmer an der Oberfläche partiell mit Schraffuren in hellblauer Pastellkreide. Eine verblüffende Idee, mit dieser Geste dem eigentlichen Motiv einen noch tieferen Raum dahinter zu simulieren, eine Wirkung, die an eine mögliche Verglasung denken lässt, an eine zukünftige Simulierung vor Ort.

Schlemmers "Geneigte Halbfigur mit rötlichen Tönen" gehört zu einem Werkzyklus, mit dem sich der Künstler seit Mitte/Ende der 1920er Jahre beschäftigt. Es sind dies Wandabwicklungen im weitesten Sinn wie für das Haus Mendelssohn in Berlin und der Ausgestaltung der Wandflächen um den Minne-Brunnenraum im Museum Folkwang. Es sind ganzheitliche Figurentypen und Halbbildnisse also, die Schlemmer seit Anfang der 1920er Jahre in Weimar zeichnet und entsprechend weiterentwickelt wie auch den Örtlichkeiten anpasst: "konstruktive Bildformen, die in Elementen geometrisch-abstrahierend, in der Verbindung der Elemente streng gesetzlich, in den Mitteln präzis, im Resultat trotzdem sinnlich voller Natur ist […] konsequenter Beibehaltung der menschlichen Figur seine hohe Sensibilität für Mass, Gewicht, Proportion, Spannung, Architektur, Gesetz. Aus dem Menschen als dem Mass der Dinge gewinnt er Gerüst des Bildes wie Symbolwert", wie Will Grohmann, das Werk von Schlemmer zusammenfassend, dies beschreibt (Wandgemälde von Oskar Schlemmer und Willy Baumeister, in: Das Werk 18, 1931, Heft 7, S. 194). Somit ist die geneigte Halbfigur ein zentral wichtiges Detail in der Formfindung von Figur und Raum Schlemmers und hängt nicht nur zeitlich, sondern auch stilistisch auf das Engste zusammen mit dem exzeptionellen Wandfries für Mendelsohn in Berlin und der raumgreifenden, exzeptionellen Wandabwicklung für das Museum Folkwang in Essen.

Oskar Schlemmer, Wandfries im Haus Mendelsohn Berlin, Wandbildentwurf, 1930, Pastellkreiden auf Transparentpapier, Daimler Art Collection, Stuttgart.

"Immer wenn es sich um Gestaltung handelt," so Oskar Schlemmer 1931 über seine Wandbilder, "um freie Komposition, deren erstes Ziel nicht die Naturannäherung sein kann, – wenn es sich kurzerhand um Stil handelt –, so tritt der Typus der Figur in den Bereich des Puppenhaften. – In allen früheren Kulturen, die zugleich hohe waren: bei den Ägyptern, den frühen Griechen, in der frühen indischen Kunst ist die menschliche Gestalt, fern dem naturalistischen Abbild, aber um so näher der lapidaren Symbolgestalt: dem Idol, dem Götzen, der Puppe. Diese Symbolgestalten waren ehedem freilich genährt und erzeugt aus einer uns Heutigen kaum faßbaren Gott- oder Natur-Religion und eben deshalb, um das Gebild nicht ins Wesenlos Unendliche zerfließen zu lassen, war es in ein Endliches gebannt, in die 'strenge Regularität'. Diese wird immer in der Nähe der elementaren, einfachen bildenden Formen sein. Es wird die Senkrechte und Waagrechte, es werden die kubischen Grundformen und ihre Abwandlungen sein." (Zit. nach: Museum der Gegenwart, hrsg. von Ludwig Justi, Jg. 1, Heft 4, 1. Vierteljahr 1931, S. 147-153)

Oskar Schlemmer, Breslauer Bilder und Aquarelle vom Sommer 1932, Atelieraufnahme.


Die Datierung
Die Datierung dieses Pastells "30.1.1933" ist auf den zweiten Blick auffällig: Es ist der Tag, der die moderne Kunstwelt verändert wie kein anderer. Die Nationalsozialisten kommen an die Macht, Künstler werden als entartet diffamiert und aus ihren Positionen, etwa als Professoren an den Akademien, verdrängt. Ob es einen Zusammenhang zwischen diesem politischen Ereignis und der Datierung Oskar Schlemmers speziell für dieses großformatige Pastell gibt, bleibt in gewisser Weise im Ungewissen. Sicher aber dürfte den Künstler folgendes Ereignis am 30. Januar 1933 eingeholt haben: Am 23. Januar 1930 lässt der Staatsminister für Inneres und Volksbildung in Thüringen Wilhelm Frick die Sammlung des Weimarer Stadtschlosses von den Modernen "säubern". Frick, erster Minister der NSDAP zu Zeiten der Weimarer Republik, sorgt dafür, dass Werke von Paul Klee, Oskar Kokoschka, Emil Nolde und anderen aus den Sammlungen entfernt und deponiert werden. Die Wandgestaltungen Schlemmers im ehemaligen Weimarer Bauhausgebäude bleiben noch unangetastet, bis sie Paul Schultze-Naumburg als neuer, vom nationalsozialistischen Minister Frick eingesetzter Direktor der Schule in einer ersten Amtshandlung Anfang Oktober 1930 vernichten lässt. Die Wandbilder werden übermalt, die Reliefs abgeschlagen.

Für Oskar Schlemmer, der dem Bauhaus, nach seiner Zeit in Weimar bis 1925, in Dessau bereits 1929 den Rücken kehrt und an der Akademie für Kunst und Kunsthandwerk zu Breslau unterrichtet, ist die Vernichtung seiner Wandgestaltung eine herbe Enttäuschung, wie er in einem Brief an den Kunstkritiker Paul Westheim am 8. Oktober 1930 schreibt und dennoch optimistisch nach vorne blickt: "Es dürfte Sie interessieren, daß in Weimar letzte Woche meine Wandmalereien und Plastiken entfernt beziehungsweise zugestrichen wurden, für die Sie sich seinerzeit sehr eingesetzt haben. Ich habe die Information vom Kastellan des Hauses, der mir zur Rettung einiger, allerdings labiler, Plastiken verhalf und in seinem Brief schreibt: Es ist alles weiß überstrichen worden, was ich und viele andere sehr bedauert haben. Es ist aber gegen den Zug der Zeit nichts zu machen. – Von welcher Seite dieser spezielle Zug der Zeit nun entfacht wurde, ob vom Direktor Schultze, geborener Naumburg, oder von der Frickstelle des Kultusministeriums aus, entzieht sich meiner Kenntnis. Immerhin haben diese Dinge nun fünf Jahre dem Sturm und dem Zug der Zeit getrotzt. Aber trösten wir uns, denn neues Leben blüht aus den Ruinen. Ich habe in diesen Tagen die neun Wandbilder für das Museum Folkwang in Essen fertiggestellt, die zunächst kurze Zeit hier im Schlesischen Museum gezeigt werden, um dann nach Essen verfrachtet zu werden. Möglicherweise sind sie eine Tat." (Oskar Schlemmer. Idealist der Form. Briefe, Tagebücher, Schriften, hrsg. von Andreas Hüneke, Reclam, Leipzig 1990, S. 225) Diese Zeilen sprechen für den scheinbar grenzenlosen Optimismus Schlemmers, dessen avantgardistische Kunstwerke nicht erst seit 1930 Diffamierungen zum Opfer fallen, der 1933 nach dem Wechsel von Breslau nach Berlin von den Vereinigten Staatsschulen Berlin entlassen und 1937 mit der Münchener Ausstellung "Entartete Kunst" landesweit als ein für die Avantgarde maßgeblicher Künstler für "entartet" erklärt wird. [MvL]




Aufgeld und Steuern zu Oskar Schlemmer "Geneigte Halbfigur mit rötlichen Tönen"
Dieses Objekt wird differenzbesteuert, zuzüglich einer Einfuhrumsatzabgabe in Höhe von 7 % (Ersparnis von etwa 5 % im Vergleich zur Regelbesteuerung) oder regelbesteuert angeboten.

Berechnung bei Differenzbesteuerung:
Zuschlagspreis bis 800.000 Euro: hieraus Aufgeld 32 %.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 800.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 27 % berechnet und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 800.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 22 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Das Aufgeld enthält die Umsatzsteuer, diese wird jedoch nicht ausgewiesen.

Berechnung bei Regelbesteuerung:
Zuschlagspreis bis 800.000 Euro: hieraus Aufgeld 27 %.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 800.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 21 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 800.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf den Teil des Zuschlagspreises, der 4.000.000 Euro übersteigt, wird ein Aufgeld von 15 % erhoben und zu dem Aufgeld, das bis zu dem Teil des Zuschlagspreises bis 4.000.000 Euro anfällt, hinzuaddiert.
Auf die Summe von Zuschlag und Aufgeld wird die gesetzliche Umsatzsteuer, derzeit 19 %, erhoben. Als Ausnahme hiervon wird bei gedruckten Büchern der ermäßigte Umsatzsteuersatz von derzeit 7 % hinzugerechnet.

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