Dana Schutz formuliert schonungslos, arbeitet motivisch im Grenzbereich des Erträglichen. Nichts ist behaglich gestimmt. Aber halt: Die Farben sind kräftig, fröhlich, strahlen auf dem großen Gemälde der Serie „Selfeaters“. Ihre malerische Geste der Selbstreflexion könnte im Ansatz nicht unbeschwerter sein. Ein Tag am Strand, ein Picknick mit Melone und den üblichen Utensilien. Dem Betrachter den Rücken zugewandt mit Blick über das – allerdings verstörend tiefschwarze – Meer zum Horizont gerichtet verkörpert die Frauenfigur, die Szenerie geradezu klassisch, den Sommer-Sonne-Wind-Topos. Entspannt. Doch das Gesicht der sitzenden, im verlorenen Profil dargestellten Frau, ihre Vorderseite, ist zerfleischt. Die auf das Badetuch gestützten Hände sind rot. Vom Blut, vom Saft der Melone?
"Dana Schutz gives you hope that painting
will endure to the end of our species."
New York Times
Dana Schutz ist eine extrem kontrovers diskutierte amerikanische Malerin, geboren 1976 in Livonia, einem Vorort von Detroit, studierte an diversen amerikanischen Kunstakademien – und ist, wenn man sie in ihren Videos sieht und hört, eine sanfte, überaus reflektierte Person. Sie gestaltet, wie sie sagt, expressionistisch. Das mag vor allem für ihre Palette gelten, doch viel näher ist sie der brutalen Radikalität eines Francis Bacon. Schutz setzt sich mit den Begriffen der persönlichen Freiheit eines jeden auseinander. Mit der selbstbestimmten Rekonstruktion eines gelungenen Daseins, dem freilich eine Zerstörung vorausgehen muss, eine Zerstörung, die von auferlegten Zwängen, vermeintlichen Unbedingtheiten befreit. Der Mensch ist zur Freiheit verdammt. Er muss seine Entscheidungen – gut oder böse, gescheit oder dumm – leben. Dieser existentialistischen Sentenz von Jean-Paul Sartre folgt Dana Schutz. Eigentlich ist dieser philosophische Ansatz des großen Franzosen ein bisschen aus der Zeit gefallen – vielleicht auch nur vergessen – , wird aber von ihr sehr überzeugend, und geradezu zwingend umgesetzt in einen künstlerischen, wenn auch schockierenden Befund: Wir müssen unser eigenes Leben „verdauen“, uns der ureigenen Verantwortung bewusst werden. erst dann können wir uns frei und neu erfinden. Neu anfangen, ohne überkommene Gesetze, in einer regellosen Gesellschaft. Schutz weiß, dass es sich um eine schlicht unerfüllbare, viel zu nihilistische Vision handelt, lotet aber geschickt und inspirierend die Grenzen aus.
Zu internationaler Berühmtheit gelangte die in USA längst schon etablierte Dana Schultz schlagartig 2017 anlässlich der Whitney Biennial im Whitney Museum of American Art, New York. Ausgehend von einer Fotografie malt sie den schwarzen, 1955 grausam zugerichteten jungen Emmett Till im offenen Sarg. Die Mutter hatte seinerzeit verfügt, dass der Sarg bei der Beerdigung geöffnet ist, damit jeder sehen konnte, was mit ihrem Sohn geschehen ist. Fotos von der Beerdigung kursierten in den Medien. Der Präsentation des erschütternden Gemäldes folgte ein medialer Aufschrei. Das Sujet und seine Behandlung im Sinne der mütterlichen Anklage stand dabei nicht im Vordergrund. Man sprach vielmehr einer weißen Frau und Künstlerin das Recht ab, sich dieses genuin die schwarze Bevölkerung betreffenden Themas zu bedienen, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Feuer und Rauch legten sich bald, die mehr oder weniger stichhaltigen Argumente waren naturgemäß ziemlich ergebnislos ausgetauscht. Der böse Begriff der kulturellen Aneignung ließ sich nicht vollständig ausräumen. Schutz sagte, sie wisse zwar nicht wie es sei schwarz zu sein, sie wisse aber sehr wohl, wie man sich als Mutter fühle.
Heute befinden sich ihre großformatige Werke, ihre Bronzeskulpturen vor allem in wichtigen amerikanischen, aber auch internationalen Museen. Schutz's Gemälde Civil Planning (2004) aus der Sammlung des amerikanischen Unternehmers David Teiger brachte im vergangenen Jahr bei Sotheby’s in New York 1,8 Millionen Dollar.
Dana Schutz lebt mit Mann und Sohn in Brooklyn, N.Y.
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