Auktion: 489 / Evening Sale am 07.06.2019 in München Lot 117

 

117
Heinrich Maria Davringhausen
Lourdes, 1916.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 75.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Lourdes. 1916.
Öl auf Leinwand.
Eimert 87. Heusinger von Waldegg 45. Links unten signiert "H. Davring" und betitelt. 83,2 x 70,2 cm (32,7 x 27,6 in).

• Seit über 40 Jahren in Privatbesitz.
• Aus H. M. Davringhausens bedeutender Berliner Zeit.
• Fast zeitgleich mit vergleichbaren Arbeiten Delaunays entstanden
.

PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers.
Galerie Wilbrand, Köln.
Privatsammlung Nordrhein-Westfalen (1978 vom Vorgenannten erworben).

AUSSTELLUNG: Heinrich Maria Davringhausen - Frühe Bilder. Gedächtnisausstellung 1894-1970, Galerie am Rhein, Köln, Februar bis März 1971.
Heinrich Maria Davringhausen 1894-1970. Gemälde 1912-1960, Städtisches Suermondt-Museum, Aachen, Juni bis Juli 1972, Kat.-Nr. 11.
Heinrich Maria Davringhausen. Bilder 1912-1930, Galerie Brockstedt, Hamburg, Mai bis Juni 1973, Kat.-Nr. 10 (Abb.-Nr. 8), verso auf dem Keilrahmen mit dem Ausstellungsetikett.
Heinrich Maria Davringhausen. Seine Epoche der neuen Sachlichkeit, Städtisches Museum Simeonstift, Trier, und Pfalzgalerie des Bezirksverbandes Pfalz, Kaiserslautern, Januar bis April 1974, Kat.-Nr. 9.
Heinrich M. Davringhausen, Vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit, August Macke Haus, Bonn, 6.2.-2-6-2013, S. 24 u. 54 (mit Abb.).

LITERATUR: Dorothea Eimert, Der Einfluss des Futurismus auf die deutsche Malerei, Köln 1975, S. 159 (mit Abb., Nr. 139 b).
Joachim Heusinger v. Waldegg, H. M. Davringhausen 1894-1970. Monographie mit Werkkatalog 1912-1932, Köln 1977, Kat.-Nr. 45 (mit sw-Abb.).
Galerie Wilbrand (Hrsg.), Angebotskatalog, Köln 1977/78, S. 3 (mit Abb.).
Thomas W. Gaethgens, Delaunay in Berlin, in: Ausst.-Kat. Delaunay und Deutschland, Bayerische Staatsgemäldesammlungen/Staatsgalerie moderner Kunst, Haus der Kunst, München 4.10.1985-6.1.1986, S. 276 (Abb.-Nr. 25).

Das vorliegende Werk schafft der junge Davringhausen ein Jahr nach seinem Umzug nach Berlin - in die lebhafte Großstadt und in das Zentrum der damaligen künstlerischen Avantgarde. Hier verkehrt er mit zahlreichen Künstlern, Schriftstellern und Philosophen wie beispielsweise George Grosz, Ludwig Meidner oder Walter Benjamin. Die Ereignisse und Auswirkungen des Ersten Weltkriegs verändern das Klima in den kreativen Kreisen jedoch nachhaltig. Der so fruchtbare, internationale künstlerische Austausch mit Frankreich und Italien kommt fast zum Erliegen. Insbesondere die futuristischen Tendenzen in Italien und die in Frankreich aufkommenden kubistischen Strömungen hatten den jungen Davringhausen bereits nachhaltig beeindruckt. Die bahnbrechenden Arbeiten Robert Delaunays (1885-1941) mögen dabei eine besonders wichtige Rolle gespielt haben, was auch das hier angebotene Werk eindrucksvoll unter Beweis zu stellen weiß. In Delaunays 1909 begonnenem Eiffelturm-Zyklus zeigt er den architektonischen Inbegriff des modernen Zeitalters in zerstückelter, dekonstruierter Form. Die einzelnen Fragmente fügt er zu einem neuen, vibrierenden großen Ganzen zusammen, das seine abstrakte Kunst damit endgültig dem Kubismus überführt und sich in ganz besonderer Weise auch in der Kunst des nun in Berlin tätigen Heinrich Maria Davringhausen wiederfindet. In mutigeren, stärkeren Farben und mit härteren, geometrischeren Formen und Kanten zeigt dieser die Kathedrale von Lourdes zwischen Vegetation emporragend. Ein optischer Kniff, der auch in Delaunays "Eiffelturm" von 1910 enthalten ist. Die angrenzenden Häuser rahmen das moderne Stahlgebäude ein wie die angedeutete Waldszenerie die Kathedrale und rücken das jeweilige Gebäude im Zentrum umso mehr in den Fokus. Davringhausen mag Delaunays Arbeiten bereits gut gekannt haben, denn in Deutschland erlangt Delaunay aufgrund seiner Beteiligung an einigen wichtigen Ausstellungen, insbesondere der ersten Ausstellung des ,,Blauen Reiters" in München, große Wertschätzung. Delaunays Einflüsse auf ehemalige Kommilitonen Davringhausens wie bspw. August Macke sind zudem allseits bekannt.
Der Beginn des Ersten Weltkriegs geht dann jedoch mit allgemeiner Desillusionierung und revolutionären pazifistischen Tendenzen einher, in der Gesellschaft wie auch unter den Kunstschaffenden. Zahlreiche Künstler wie August Macke und Franz Marc werden zum Kriegsdienst eingezogen und kehren nicht mehr zurück. Ab 1916 wirkt Davringhausen an der oppositionellen Zeitschrift "Neue Jugend" mit, in der einige seiner Werke publiziert werden, und arbeitet gleichzeitig an einigen Gemälden mit religiösen Thematiken, etwa "Kreuzigung" (1916) oder "Vision des verlorenen Sohnes" (1916). Im selben Jahr entsteht auch die hier angebotene, farbkräftige Darstellung der Kathedrale von Lourdes, in der Davringhausen mithilfe einer eindrucksvollen und intensiven Farbgebung sowie der charakteristischen mosaikhaften Bildzusammensetzung zu einer neuen, ganz eigenen Plastizität findet. [CH]



117
Heinrich Maria Davringhausen
Lourdes, 1916.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 75.000

(inkl. Käuferaufgeld)