Auktion: 514 / Evening Sale am 11.12.2020 in München Lot 272

 

272
Carlo Mense
Bildnis Don Domenicho, 1924.
Öl auf Malpappe
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 25.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Bildnis Don Domenicho. 1924.
Öl auf Malpappe.
Rechts unten signiert. Verso signiert, datiert und betitelt "Don Domenicho". 53,6 x 42 cm (21,1 x 16,5 in).
Das Gemälde recto ist im Hintergrund, im Bereich des Mantels, des Kinns und der Haare von fremder Hand übermalt. Eine restauratorische Entfernung der Übermalungsschicht würde der originalen Bildschöpfung zugutekommen.
Verso Porträtstudie einer alten Frau (wohl die Mutter des Künstlers).
• Carlo Mense im Einfluss der 'Pittura metafisica'.
• Neusachliches Porträt von überzeugender Kraft.
• Porträts sind der Schwerpunkt und auch Höhepunkt seiner Malerei der 1920er Jahre
• Teil der Ausstellung "Magic Realism. Art in Weimar Germany 1919-1933", 2018/19 in der Tate Modern in London
.

Die Authentizität der vorliegenden Arbeit wurde von Frau Dr. Drenker-Nagels mündlich bestätigt.

PROVENIENZ: Sammlung Vera Mense, Honnef (1969).
Privatsammlung Süddeutschland
Privatsammlung (2009 erworben).

AUSSTELLUNG: Neue Sachlichkeit, Städtische Kunsthalle, Mannheim, 14.6.-13.9.1925, Kat.-Nr. 66.
Magic Realism. Art in Weimar Germany 1919-33, Tate Modern, London, 30.7.2018-14.7.2019, Ausst.-Kat. mit Abb. S. 63.

LITERATUR: Wieland Schmied. Neue Sachlichkeit und Magischer Realismus in Deutschland 1918-1933, Abb. 51.
Magic Realism. Art in Weimar Germany 1919-33, Tate Modern, London, 30.7.2018-14.7.2019, S. 109, Abb. S. 63.

Carlo Mense nimmt schon 1912 an der berühmten "Sonderbundausstellung" in Köln teil. In den folgenden Jahren sind Werke von ihm auf Ausstellungen wie der 1913 von August Macke im Kunstsalon Cohen in Bonn organisierten "Ausstellung Rheinischer Expressionisten" oder dem "Ersten Deutschen Herbstsalon" in der Galerie Herwarth Waldens zu sehen. Er ist, das kann man mit Fug und Recht behaupten, ein Teil der Avantgarde Deutschlands. Stilistisch wandelt er sich ab 1918, wendet sich nun zunehmend vom Expressionismus ab und findet zu beruhigteren Formen. Dies wird mit seiner Übersiedlung nach München und seiner Anknüpfung an zeitgenössische Strömungen der Kunst Italiens in Verbindung gebracht. Es ist die "Pittura metafisica" aus dem Umkreis von Carlo Carrà und Giorgio de Chirico, die ihn beeinflusst. Das Verbreitungsorgan dieser Gruppe ist die Zeitschrift "Valori Plastici". Carlo Menses Galerist Hans Goltz, bei dem er 1918 in München seine erste Einzelausstellung platzieren kann, übernimmt im Herbst 1919 den Vertrieb von "Valori Plastici" für Deutschland. In Anlehnung an das Gedankengut der Gruppe um die 1918 bis 1922 erscheinende Zeitschrift findet Carlo Mense zu seiner eigenen Italien-Interpretation. Im Jahr 1922 nimmt er selbst an einer Ausstellung der "Valori Plastici" in Mailand teil. Auf Reisen nach Italien, die er nachweislich ab 1920 unternimmt, besucht Mense immer wieder seinen in Positano lebenden Freund Richard Seewald. In dieser Zeit entstehen neben Landschaften auch etliche Porträts. So auch die 1924 entstandenen Bildnisse von italienischen Klerikern, zu denen auch unser in diesem Jahr entstandenes Bildnis des Don Domenicho gehört. Das Porträt ist von einer großen Präsenz. Carlo Mense mag in der Kunst Italiens eine ruhige Antwort auf die verwirrenden und beunruhigenden Lebensumstände im Deutschland der Weimarer Republik gefunden haben. Von der Möglichkeit durch Kunst politisch wirksam zu arbeiten hatte er sich schon längst abgewandt.
Porträts bleiben im Werk von Carlo Mense ein fester Bestandteil seiner Bildsprache, besonders seit der Entwicklung neusachlicher Tendenzen. Wer jener Don Domenicho ist, lässt sich heute nicht mehr sagen, auf der Rückseite befindet sich jedoch ein nicht bis ins letzte ausgearbeitetes, aber dennoch eindrucksvolles und sehr persönliches Porträt: Menses Mutter. [EH]



272
Carlo Mense
Bildnis Don Domenicho, 1924.
Öl auf Malpappe
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 25.000

(inkl. Käuferaufgeld)