Auktion: 520 / Evening Sale am 18.06.2021 in München Lot 344

 

344
Alexej von Jawlensky
Kleiner Kopf, Um 1922.
Öl auf Malkarton
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 187.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Kleiner Kopf. Um 1922.
Öl auf Malkarton.
Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/Jawlensky 2248. Links unten monogrammiert. 17,8 x 14 cm (7 x 5,5 in).

• Jawlensky hat die Abstraktion des menschlichen Antlitzes in seinem Werk auf die Spitze getrieben.
• Wunderbares, farbharmonisches Zeugnis von Jawlenskys radikal reduzierter Formensprache nach dem Ersten Weltkrieg.
• Seit mehr als 60 Jahren Teil einer bedeutenden europäischen Privatsammlung.
• Jawlenskys progressive Stilisierung des menschlichen Antlitzes zeigt deutliche Parallelen zu den zeitgleichen Schöpfungen Amedeo Modiglianis und Constantin Brancusis
.

PROVENIENZ: Fräulein Ehrod, o. O.
Christel Zapfe, Köln (von der Vorgenannten durch Erbschaft erhalten, bis 1958, Stuttgarter Kunstkabinett, 20./21.5.1958).
Galerie Wolfgang Ketterer, Stuttgart (1958 von der Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Frankreich (seit 1958, wohl vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Belgien (vom Vorgenannten durch Erbschaft erhalten).

LITERATUR: Stuttgarter Kunstkabinett, 31. Auktion. Moderne Kunst; 20./21.5.1958, Los 432 (ohne Abb.).
Einige Jahre habe ich diese Variationen gemalt, und dann war mir notwendig, eine Form für das Gesicht zu finden, da ich verstanden hatte, daß die große Kunst nur mit religiösem Gefühl gemalt werden soll. Und das konnte ich nur in das menschliche Antlitz bringen."
Alexej von Jawlensky, zit. nach: Tayfun Belgin, Alexej von Jawlensky. Eine Künstlerbiographie, Heidelberg 1998, S. 103.

Mit Kriegsausbruch ist der gebürtige Russe Jawlensky 1914 gezwungen, mit seiner Familie und Marianne von Werefkin München zu verlassen und ins schweizerische Exil zu gehen. Er lässt sich zunächst im kleinen Dörfchen Saint-Prex am Genfer See nieder. Jawlensky mietet dort eine Wohnung und hat nun kein eigenes Atelier mehr, sondern nur ein kleines Arbeitszimmer, dessen Fensterausblick fortan grundlegend wird für die zunächst werkbeherrschende Serie der "Variationen über ein landschaftliches Thema", die während der in der Schweiz verbrachten Jahre entsteht. Im Oktober 1917 jedoch verlässt Jawlensky den kleinen, einsamen Ort Saint-Prex, um sich mit Marianne von Werefkin, Helene Nesnakomoff und dem gemeinsamen Sohn Andreas in Zürich niederzulassen. Dort wendet sich der Künstler wieder verstärkt der Darstellung des menschlichen Antlitzes zu und es entsteht zunächst die Werkserie der "Mystischen Köpfe". Ausgehend von einem Porträt, das Jawlensky 1917 von seiner jungen Bewunderin und späteren Vertragshändlerin Emmy "Galka" Scheyer in Zürich anfertigt, gelingt es Jawlensky in dieser initiierenden Werkfolge, eine erste, mutige Stilisierung der Kopf-Motivik zu entwickeln, die für seine anschließenden, weiterhin dem menschlichen Antlitz gewidmeten Werkfolgen der "Heilandsgesichter" - zu der unsere farbstarke Komposition zählt -, der "Abstrakten Köpfe" und schließlich der "Meditationen" in entscheidender Weise wegweisend ist. Kunsthistorisch bedeutend sind die strenge formale Reduktion und Stilisierung dieser Bildnisse, die das traditionell abbildende Sujet des Porträts weit hinter sich lassen. Wunderbar sind die sanft schwingende Form- und Farbgebung, die großen geschlossenen Augen und die auf ein Minimum reduzierte Linienführung. Stirn, Lider und Wangen setzen sich aus mehreren, klar getrennten Farbfeldern zusammen und entwickeln einen außerordentlichen, nahezu abstrakten Farbklang, der in seiner Gänze wohl kaum harmonischer sein könnte. [JS]



344
Alexej von Jawlensky
Kleiner Kopf, Um 1922.
Öl auf Malkarton
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 187.500

(inkl. Käuferaufgeld)