Auktion: 539 / Modern Art Day Sale am 10.06.2023 in München Lot 318

 

318
Emil Orlik
Früchtestillleben mit geblümtem Stoff und Vase, 1930.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 12.000
Ergebnis:
€ 63.500

(inklusive Aufgeld)
Früchtestillleben mit geblümtem Stoff und Vase. 1930.
Öl auf Leinwand.
Rechts unten signiert und datiert. 58 x 120 cm (22,8 x 47,2 in).

• Seltenes großformatiges Früchtestillleben in besonders einnehmender Farbgestaltung.
• Sensibles Zusammenspiel von Bildformat, Komposition und Arrangement.
• Werke des Künstlers befinden sich in zahlreichen internationalen Sammlungen, darunter die Alte Nationalgalerie, Berlin, die Albertina Wien und das Los Angeles County Museum of Art
.

PROVENIENZ: Nachlass des Künstlers (bis 1934).
Therese Benjamin, geb. Marcussohn, Berlin (bis 1936).
Erbengemeinschaft Benjamin, Berlin (1936 durch Erbschaft von der Vorgenannten, bis 1937).
Blumenreich, o. O. (1937 durch Lepke vom Vorgenannten erworben).
Kunstausstellung Kühl, Dresden (nach 1945).
Privatbesitz Sachsen.
Privatbesitz Berlin (bis 2012).
Privatsammlung Süddeutschland (2012 durch Lempertz vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung (durch Erbschaft vom Vorgenannten).
Gütliche Einigung des Vorgenannten mit den Erben von Erich, Conrad, Bertha Edel und Fritz Benjamin (2023).

Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen. Das Angebot erfolgt in freundlichem Einvernehmen mit den Erben nach Erich, Conrad, Bertha Edel und Fritz Benjamin auf Grundlage einer gerechten und fairen Lösung.

AUSSTELLUNG: Gedächtnis-Ausstellung Emil Orlik – Kollektive Tina Blau, Kunstgemeinschaft Glaspalast-Burggarten, Wien, 18.5.-17.6.1934, Kat.-Nr. 32, "Schüssel mit Obst" (auf der Keilrahmenrückseite mit der handschriftlichen Katalognummer "EO [Emil Orlik] 32").
Kunstausstellung Kühl, Dresden (Galerieausstellung, um 1945/65).

LITERATUR: Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, Gemälde neuerer Meister: Wohnungseinrichtung der Frau Th. B.; Möbel, Porzellan, Glas, Silber, Kleinkunst, Flügel u.a.; Versteigerung am 6.6.1936, Los 76 (unverkauft).
Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, Gemälde alter und neuerer Meister: Antiquitäten und Kunstgewerbe; Versteigerung am 12./13.2.1937, Los 175 (12.2.1937).
Kunsthaus Lempertz, Köln, Auktion 1004, Moderne Kunst, 30.11.2012, Los 356.

".. und daß seine Kunst sowohl die höchste Stufe des Handwerks zeigt als auch die stärkste Reife eines selbständigen Künstlertums, das adelt sein gesamtes [..] Werk. Er war und ist ein Meister von Gottesgnaden, ein Meister der Form, der Linie und der Farbe."

Adolph Donath über Emil Orlik, zit. nach: Ausst.-Kat. Gedächtnis-Ausstellung Emil Orlik – Kollektive Tina Blau, Kunstgemeinschaft Glaspalast, Wien 1934, S. 7.

Dieses anziehende Stillleben von Emil Orlik zeigt in überzeugender Weise die Einflüsse, die der Künstler im Laufe seines Œuvres zu seinem ganz persönlichen Stil verarbeitet hat. Die Präsentation der Früchte auf dem hellen Tuch erinnert an Stillleben Cézannes; doch die entscheidenden, sein Werk so charakteristisch machenden Einflüsse erhält der Künstler auf seinen ausgedehnten Reisen. Besonders stilprägend ist sein Aufenthalt in Japan. Das extreme Querformat und die asymmetrische Gesamtkomposition gehen auf diese dort erhaltenen Anregungen zurück und machen die Arbeit unverwechselbar.
Das ganz besondere Kunstwerk, 1934 in Wien als Teil des Künstlernachlasses ausgestellt, befindet sich einst in der Sammlung von Therese Benjamin. Die wohlhabende und bekannte Bankierswitwe lebt nicht nur in einer Villa am Wannsee, sondern unterhält auch eine elegante Stadtwohnung im Zentrum Berlins. Hier, in der berühmten spätklassizistischen "Villa Wuttke" (Derfflingerstraße 8), hängt auch dieses Gemälde von Emil Orlik.
Als Therese Benjamin am Ostersonntag des Jahres 1936 im Alter von 88 Jahren verstirbt, werden ihre Kinder zu gemeinsamen Erben. Klingende Namen formen diese Erbengemeinschaft: Erich Benjamin, der richtungsweisende Kinderarzt, Conrad Benjamin (Benning), bedeutender Altphilologe, der Architekt Fritz Benjamin sowie die Nachfahren der bereits verstorbenen Tochter Bertha Edel erben das vorliegende Kunstwerk (zur Familie Benjamin vgl. S. Oechsle, Leben und Werk des jüdischen Wissenschaftlers und Kinderarztes Erich Benjamin, München 2003, und A. Drecoll, Die Biografie eines Entwurzelten. Der Kinderarzt Erich Benjamin, in: T. Bauer u. a. (Hrsg.), Gesichter der Zeitgeschichte, München 2009, S. 103–114).
Deren Lebensumstände sind zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits dramatisch. Denn die jüdische Familie Benjamin (Benning) ist massiv von den Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten betroffen. Existenzen werden zerstört, Familien auseinandergerissen, und nicht allen Familienmitgliedern wird die Flucht ins sichere Ausland gelingen. Erich Benjamin muss 1935 aufgrund seiner jüdischen Herkunft seine Universitätslaufbahn beenden; Fritz Benjamin, der Jüngste, erhält als Architekt im selben Jahr Berufsverbot. Fritz, der durch eine sogenannte Mischehe geschützt ist, organisiert noch im Sommer 1936 den Verkauf der mütterlichen Kunstsammlung. Direkt vor Ort in der Villa Wuttke findet eine Auktion mit dem Titel "Wohnungseinrichtung der Frau Th. B." statt. Das Gemälde von Emil Orlik bleibt zunächst unverkauft, denn die Zeiten für Kunstauktionen stehen 1936 alles andere als gut. Beim erneuten Angebot im Februar 1937 wechselt das Gemälde dann den Eigentümer. Ob es sich beim Käufer "Blumenreich" um den ebenfalls verfolgten jüdischen Kunsthändler handelt, kann heute nicht mehr festgestellt werden. Nach dem Krieg taucht das Gemälde dann im Dresdner Kunsthandel wieder auf und gelangt über mehrere weitere Stationen zum heutigen Eigentümer. Dieser erklärt sich ohne Zögern bereit, mit den Erben von Conrad, Erich, Bertha Edel und Fritz Benjamin eine "gerechte und faire Lösung" im Sinne der Washingtoner Prinzipien zu finden. So kann dieses außergewöhnliche Kunstwerk heute frei von allen Restitutionsansprüchen und im besten Einvernehmen aller Beteiligten angeboten werden. [EH/AT]



318
Emil Orlik
Früchtestillleben mit geblümtem Stoff und Vase, 1930.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 12.000
Ergebnis:
€ 63.500

(inklusive Aufgeld)