Lexikon
Art à la Rue

"Art à la Rue" war mehr eine soziale Reformbewegung, der sich einige sozialistische Künstler und Architekten des "Art Nouveau" wie etwa Victor Horta, Hector Guimard und Frantz Jourdain anschlossen, als eine künstlerische Stilrichtung. Die Künstler von "Art à la Rue" wirkten hauptsächlich in Brüssel und Paris während des letzten Jahrzehnts des 19. und des ersten des 20. Jahrhunderts. Ziel der Bewegung war die Annährung der Kunst an die Arbeiterklasse. Ihre Ideale wurden durch den französischen Sozialismus, die politischen Theorien des russischen Anarchisten Pjotr Alexejewitsch Kropotkin und die späteren Schriften von William Morris genährt, wobei sie den Zusammenhang zwischen Ethik und Ästhetik des "Arts and Crafts Movement" noch radikaler forderten.
Die für den Jugendstil charakteristische Verbindung von Leben und Kunst verstanden die Künstler von "Art à la Rue" nicht als einheitliche artistische Gestaltung des bürgerlichen Lebensumfelds wie bei den meisten um 1900 nach dem Prinzip des Gesamtkunstwerks entstandenen Häusern, sondern als Verschiebung des Wirkungsbereiches der Kunst: Nicht mehr das (elitäre) Museum, sondern die (gemeine) Straße soll die Kunst tragen. Dafür wird diese mit bunten Plakaten dekoriert und auch das "Straßenmobiliar" - Verkehrsschilder, Brunnen, Beleuchtung usw. - wird künstlerisch gestaltet. So sollte die Stadt wohnlicher und lebenswerter gemacht und die Bevölkerung ästhetisch sensibilisiert werden.
Die Kunst auf der Straße soll nach den Künstlern der "Art à la Rue" über jegliche Alters- und Schichtenunterschiede hinweg verstanden werden. Ihr ethisches Anliegen verdeutlicht, dass der "Art Nouveau" nicht nur ein ästhetisches Ideal verfolgte, sondern viele Künstler auch sozial engagiert waren. Damit legten sie einen Grundstein für die Utopien der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts.